# taz.de -- Die Wahrheit wird 25: Gesetzlich versicherte Dämonen | |
> Dämonenbefall kommt immer wieder vor. Doch wer hilft in Zeiten der Not? | |
> Die Kirche? Oder die Krankenkasse? Exorzisten sind schwer zu finden. | |
Bild: Eindeutige Anzeichen: struppiges Haar, wirrer Blick | |
Vor einiger Zeit erwachte ich eines Morgens mit dem typischen Gefühl, über | |
Nacht von einem wunderlichen Dämon befallen worden zu sein. Ein Blick in | |
den Badezimmerspiegel bestätigte meine düstere Vermutung: Meine Haare | |
standen kreuz und quer in alle Richtungen ab – das ist immer ein | |
eindeutiges Zeichen für Dämonenbefall. Außerdem konnte ich das Ave-Maria | |
nur noch zur Hälfte aufsagen, wohingegen ich plötzlich „Faust I“ in voller | |
Länge auswendig deklamierte – zwei weitere eindeutige Zeichen meiner | |
Besessenheit. | |
„Mist“, murmelte ich mein merkwürdiges Spiegelbild an, „das ist ja blöd. | |
Wenn ich jetzt unerwartet sterbe, dann komme ich unter diesen Umständen nie | |
und nimmer ins Paradies.“ Und ins Paradies wollte ich zu gegebener Zeit auf | |
jeden Fall, ich stellte es mir dort recht hübsch vor. Ein Exorzismus musste | |
also her, und ich beschloss, alles Nötige für die Dämonenaustreibung in die | |
Wege zu leiten. | |
Also rief ich bei der Barmer Ersatzkasse an: „Guten Tag, ich bin bei Ihnen | |
versichert und möchte einen Exorzisten konsultieren. Aber vorher wüsste ich | |
gern, ob die Kosten dafür übernommen werden.“ Der Sachbearbeiter fragte | |
nach: „Einen was wollen sie konsultieren?“ – „Einen Teufelsaustreiber!�… | |
Klick machte das Telefon, Dudeldudel machte die Warteschleifenmusik, dann | |
meldete sich der Sachbearbeiter zurück: „Hören Sie? Ich habe bei mehreren | |
Kollegen und auch bei Vorgesetzten nachgefragt. Das bezahlt leider nicht | |
die Kasse. Das ist ja kein Arzt oder so was. Versuchen Sie es doch mal bei | |
der Kirche.“ | |
Die Kirche! Ich schlug mir mit der flachen Hand kräftig vor die Stirn. | |
Darauf hätte ich ja wirklich auch selbst kommen können. Vielleicht würde | |
die Kirche das ja bezahlen, dort war ich durch meine Beiträge ja auch noch | |
versichert. Ein Anruf beim Bischöflichen Generalvikariat war allerdings | |
enttäuschend. Der Mann vom Bischöflichen Callcenter hatte schon wieder | |
aufgelegt, bevor ich meine dämonische Not in den prachtvollsten Bildern und | |
Metaphern überhaupt hatte beschreiben können! | |
Ich wollte ihm etwas von einem riesengroßen Tier mit acht Köpfen erzählen, | |
von schlecht sitzenden Haaren – also von all den üblen Dingen, die mein | |
Dämon mir einflüsterte, aber der Bischöfliche Telefonist hatte einfach | |
aufgelegt. Das gefiel mir jetzt nicht so gut. Erst immer große Töne spucken | |
von wegen Himmel und Hölle, aber wenn es ernst wird, einfach auflegen. | |
„Na ja“, dachte ich wieder milde, „der arme Kerl am Telefon kann ja auch | |
nichts dafür, dass ich jetzt sofort eine Dämonenaustreibung will. So | |
dringend ist es doch auch eigentlich nicht.“ Draußen regnete es Bindfäden, | |
und die Vorstellung, bei einem solch apokalyptischen Wetter mit der | |
Straßenbahn zu einem Exorzisten zu fahren, stimmte mich eher missmutig. | |
Ich folgte daher den verdammenswerten Eingebungen meines Dämons und | |
kuschelte mich wieder in meine paradiesischen Kissen und Decken. Und was | |
soll ich sagen: Ich habe es bis heute nicht bereut! | |
Seit 25 Jahren erscheint die Wahrheit als einzige Satireseite einer | |
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25 Nov 2016 | |
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## AUTOREN | |
Corinna Stegemann | |
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