# taz.de -- Nach Angriff in Berliner U-Bahnhof: Tot oder lebendig | |
> Mit einem „Kopfgeld“ wird nach dem Mann gesucht, der eine Frau in der | |
> U-Bahn trat – ein Aufruf zur Selbstjustiz? Unabhängig davon gibt es | |
> Ermittlungserfolge. | |
Bild: Wilder Westen in Berlin? | |
Berlin taz | Mehr als anderthalb Monate nach einer Attacke auf eine Frau am | |
U-Bahnhof Hermannstraße, die unvermittelt eine Treppe herunter getreten | |
wurde, kann die Staatsanwaltschaft einen ersten Erfolg vermelden. Wie | |
Sprecher Martin Steltner der taz sagte, konnte einer der drei Komplizen des | |
Täters, die den Angriff ungerührt geschehen ließen und sich ohne zu helfen | |
vom Tatort entfernten, „aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung | |
identifiziert werden“. Nähere Angaben machte die Staatsanwaltschaft nicht. | |
Insgesamt seien bislang zehn Hinweise bei der Polizei eingegangen. | |
Noch am Sonntag war dem Berliner Bodyguard Michael Kuhr „das Frühstück | |
hochgekommen“, als er in die [1][B.Z.] schaute. „Unfassbar? Unfassbar!“ | |
stand da auf der Titelseite. Auch 45 Tage nach der Tat gebe es immer noch | |
keine entscheidenden Hinweise auf die Täter, so die Boulevardzeitung. Und | |
dass, obwohl das [2][Video der Überwachungskamera] mit dem die Polizei den | |
Täter sucht, bereits seit Tagen im Netz kursiert und nach Angaben der B.Z. | |
bereits mehr als sechs Millionen Mal geklickt wurde. | |
Kuhr reagierte auf seine ganz eigene Weise. Auf seiner [3][Facebookseite] | |
schrieb er: „Ich bezahle ein Kopfgeld in Höhe von 2.000,- € für den Namen | |
und die Adresse von diesem Bastard!“ Hinweise seien an jede | |
Polizeidienststelle oder an seine Geschäfts-E-Mail-Adresse zu richten. Mit | |
seinem Posting traf Kuhr ganz offensichtlich einen Nerv. Davon zeugen mehr | |
als 17.000 Likes, 7.000 Shares, und etwa 1.000 Kommentare unter seinem | |
Beitrag. Viele bedanken sich bei ihm für seine Initiative, andere sehen | |
sich zur Selbstjustiz ermächtigt. „Setz noch einen drauf: „Tod oder | |
lebendig“, schreibt ein User, ein anderer: „Bringt den Hurensohn um!!!“ | |
Auf Nachfrage der taz distanziert sich Kuhr von diesen Aussagen: „Das sind | |
dumme Schnacker. Das ist nicht das, was ich erreichen will“, so der | |
bekannte Personenschützer. Er sorge „seit 30 Jahren für Recht und Ordnung | |
in der Stadt“ sagt Kuhr, ihm gehe es viel mehr darum, „dass Leute Augen und | |
Ohren offen halten“. Er ist überzeugt: „Bei Geld wird geredet.“ Noch am | |
Montag wollte Kuhr, „zwei sehr interessante Hinweise“, die er auf Facebook | |
erhalten habe, an die Polizei weiterleiten. | |
Zu Kuhrs Hinweisen konnten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft Auskunft | |
geben – zum aktuellen Fahndungserfolg haben sie jedenfalls nicht | |
beigetragen. Grundsätzlich sieht Steltner die Initiative des Bodyguards | |
aber gelassen. Immer wieder käme es zu privaten Auslobungen; diese seien | |
allerdings auch „zivilrechtlich bindend“. Es sei zu begrüßen, dass Leute | |
einen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten wollen, so Steltner. | |
Andererseits gingen einige der Beiträge auf Kuhrs Facebookprofil „in | |
Richtung Selbstjustiz“ – „das geht gar nicht“. Zu Kuhrs Wortwahl wollte | |
sich Steltner nicht näher äußern: „Das spricht für sich“. | |
12 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bz-berlin.de/tatort/seit-45-tagen-decken-seine-komplizen-den-bru… | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=Yk3NOv6XZ3Q | |
[3] https://www.facebook.com/253087361383123/photos/a.261518680539991.72462.253… | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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