# taz.de -- Gebrochene Versprechen in Kiel: Transparenz wird vertagt | |
> Schleswig-Holsteins Abgeordnete sollten ihre Nebeneinkünfte genau | |
> offenlegen. So steht es im Koalitionsvertrag. Jetzt bekommt es der | |
> Landtag nicht mal hin, in ein Stufenmodell zu beschließen. | |
Bild: Immer noch schleierhaft: wie viel Abgeordnete in Schleswig-Holstein neben… | |
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein scheint ihren Koalitionsvertrag | |
vergessen zu haben: Heute sollte im Landesparlament ein [1][Gesetz] | |
verhandelt werden, nach dem die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte offenlegen | |
müssen. Laut dem Internetportal abgeordnetenwatch.de widerspricht die | |
geplante Regelung den Forderungen des Koalitionsvertrags. | |
Die Sprecherin der Grünen Claudia Jacob sagte der taz, der Entwurf werde | |
wegen der „dichten Tagesordnung“ direkt in den Innen- und Rechtsausschuss | |
überwiesen. „Wir wollen versuchen, gemeinsam mit der Opposition eine | |
Regelung zu schaffen, die von einer Mehrheit des Landtags mitgetragen | |
wird“, sagt Burkhard Peters, Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion für | |
Innen- und Rechtspolitik. So solle das Gesetz auch wechselnde | |
Mehrheitsverhältnisse überstehen. Die zweite Lesung mit mündlicher | |
Aussprache finde daher erst 2017 statt. | |
„Ich halte eine Komplettveröffentlichung auf Euro und Cent für die beste | |
Lösung“, sagte Marret Bohn, Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen in | |
Schleswig-Holstein, vor zwei Jahren zu [2][abgeordnetenwatch.de] und | |
vertrat damit auch die Position der Grünen auf Bundesebene. Im | |
[3][Eckpunktpapier der SPD-Fraktion] im Bundestag mit dem Titel „Auf Euro | |
und Cent“ steht: „Das plant auch die von Torsten Albig geführte | |
Landesregierung in Schleswig-Holstein.“ | |
Bisher müssen die Landtagsabgeordneten dort lediglich angeben, welchen | |
Nebentätigkeit sie nachgehen und für wen sie arbeiten. Daraus resultierende | |
Einkünfte werden aber nicht offengelegt. Das wollte die Landesregierung | |
ändern und sich laut Koalitionsvertrag dabei am Modell des Bundestags | |
orientieren. Dieses solle jedoch um die „Pflicht zur genauen Ausweisung der | |
Höhe der Nebenverdienste“ ergänzt werden. | |
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht ein Stufenmodell vor (siehe Infokasten). | |
Werden Einkünfte in Stufen angegeben, ist insbesondere bei höheren Summen | |
unklar, wie hoch sie tatsächlich sind. „Bei einem Stufensystem entsteht | |
eine intransparente Grauzone“, sagt Martin Reyher von abgeordnetenwatch.de. | |
„Wer sich nicht täglich damit beschäftigt, versteht die Angaben überhaupt | |
nicht.“ | |
Die vorgesehenen Stufen sind zwar genauer als jene im Bundestag, | |
entsprechen aber nicht den Formulierungen des Koalitionsvertrags. „Unser | |
Druck zeigt endlich Wirkung“, sagt Patrick Breyer, Fraktionsvorsitzender | |
der Piraten, „SPD, Grüne und SSW haben die unbequeme Transparenz jahrelang | |
verschleppt.“ Der Gesetzesentwurf ist in seinen Augen jedoch nur ein | |
„fauler Kompromiss“. „Die genaue Höhe der Nebenverdienste wird nicht | |
angegeben“, so Breyer. | |
Der Pirat kritisiert ebenfalls, dass die [4][Nebeneinkünfte erst nach der | |
Landtagswahl] im nächsten Jahr publiziert werden. Er sagt: „So haben die | |
Wähler keine Chance, von der Industrie bezahlte Abgeordnete vorher zu | |
erkennen.“ Erst im vergangenen Jahr habe der Landtag einen entsprechenden | |
Gesetzentwurf der Piraten abgelehnt. | |
Für Burkhard Peters von den Grünen ging der Vorschlag der Piraten zwar in | |
die richtige Richtung, sei aber auch ein „bürokratisches Monster“ gewesen. | |
Der aktuelle Gesetzentwurf enthalte „deutlich feinere und unbegrenzt viele | |
Stufen“. Die Höhe der Nebenverdienste sei daher „sehr genau | |
nachzuvollziehen“. | |
Bereits jetzt könnten interessierte BürgerInnen die [5][Nebentätigkeiten | |
der Grünen-Landtagsabgeordneten] auf der Homepage nachvollziehen. Aber auch | |
die sind nur in Stufen angegeben. Ob fehlende Transparenz den Politikfrust | |
steigere, beantworteten die Grünen nicht. | |
Die Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Petra Bräutigam wiegelt ab. „Wir | |
haben nirgendwo festgeschrieben, dass wir die Nebeneinkünfte auf Euro und | |
Cent offenlegen wollen.“ Die „genaue Ausweisung“, wie es im | |
[6][Koalitionsvertrag] heißt, sei „relativ“ zu verstehen, erklärt sie. Das | |
sei auch gar nicht anders möglich, „sonst rebellieren die Betroffenen“. Da | |
es die erste Lesung sei, könne sich außerdem noch viel ändern. | |
15 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/4900/drucksache-18-4928.p… | |
[2] https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2014-06-06/die-meisten-landtage-plane… | |
[3] http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/eckpunkte_nebeneinkuenfte_… | |
[4] http://www.piratenfraktion-sh.de/2016/12/02/nebeneinkuenfte-der-landtagsabg… | |
[5] http://sh-gruene-fraktion.de/fraktion/glaeserne-abgeordnete | |
[6] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/_documents/koalitionsv… | |
## AUTOREN | |
Lukas Thöle | |
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