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# taz.de -- Fragwürdig massiver Polizeieinsatz: Hundertschaften für einen Bau…
> Fünf AktivistInnen des Kollektiven Zentrums (Koze) stehen ab Mittwoch in
> Hamburg vor Gericht. Ihnen wird Widerstand gegen Beamte vorgeworfen.
Bild: Massive Präsenz: Polizeikette am Koze.
HAMBURG taz | Die Hundertschaften rückten im Morgengrauen an: Mit einem
Räumpanzer und zwei Wasserwerfern traf im Juli vergangenen Jahres ein
polizeiliches Großaufgebot um sechs Uhr morgens im Hamburger Münzviertel
ein. Der Grund war nicht etwa die Räumung des selbst verwalteten
Kollektiven Zentrums (Koze), das eine Fläche in einem ehemaligen
Kitagebäude von der Stadt mietete. Sondern die Asbestsanierung der
umliegenden Häuser. Die Folge des Großeinsatzes waren vier Festnahmen, die
Sanierung der Gebäude unter Polizeischutz und fünf Gerichtsverfahren gegen
AktivistInnen, von denen das erste Mittwoch beginnt.
Vorgeworfen wird den AktivistInnen Nötigung und Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte. Die Staatsanwaltschaft hat Strafbefehle zwischen
1.200 und 1.500 Euro oder 75 Tage Haft verhängt. Die AktivistInnen legten
Widerspruch ein.
Nach eigenen Angaben waren die AktivistInnen am besagten Morgen davon wach
geworden, dass Bauarbeiter Platten auf den Schulhof transportierten. Die
AktivistInnen hätten den Arbeitern und dem anwesenden Vertreter der
Finanzbehörde, die die städtischen Gebäude verwaltet, erklärt, dass sie
offizielle MieterInnen seien und zuerst ihre AnwältInnen sprechen wollten.
Das Tor verschlossen sie mit Ketten.
Daraufhin habe der Vertreter der Finanzbehörde, die die Baumaßnahmen in
Auftrag gegeben hatte, die Polizei alarmiert, die schon mit einem
Großaufgebot bereitstand. BeamtInnen flexten das Hoftor auf, eine
Kletterstaffel zerstörte ein Baumhaus und eine Hundertschaft riegelte die
Straße ab, auf der sich schnell Hunderte SympatisantInnen einfanden.
Währenddessen stürmte eine auf gewalttätige Auseinandersetzungen
spezialisierte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) das Gelände,
überwältigte die AktivistInnen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten und
nahm sie fest. Auf einem [1][Video] sieht man, wie PolizistInnen eine
Aktivistin brutal auf eine Tischtennisplatte drücken und ihr auf den Kopf
schlagen. Drei andere BeamtInnen schubsen einen Mann zur Seite.
AktivistInnen schreien „Loslassen, aua, Sie tun mir weh.“ Im Nachhinein
bezeichnen sie das Ereignis als „Hofinvasion“.
Laut Finanzbehördensprecher Daniel Stricker war „nicht damit zu rechnen,
dass die BesetzerInnen den Forderungen der EigentümerInnen widerstandslos
nachkommen würden“, begründet er den massiven Polizeieinsatz zum Errichten
des Bauzauns. Obwohl sie einen Mietvertrag hatten, blieben die MieterInnen
in den Augen der Behörde BesetzerInnen. Den Großeinsatz wertet Stricker
auch noch im Nachhinein als „erforderlich und in Art und Umfang
gerechtfertigt“. Polizei und Innenbehörde äußern sich gar nicht zu dem
Fall.
Am Tag der Eskalation errichten Bauarbeiter unter Polizeischutz einen
zweieinhalb Meter hohen Holzzaun, der das Koze von den anderen Gebäuden
abschirmt und permanent bewacht wird. So stehen sich AktivistInnen und
PolizistInnen 40 Tage lang gegenüber. Ab und zu sind Handwerker hinter den
Schulfenstern zu sehen. Am Ende werden die Gebäude bis auf ein
denkmalgeschütztes und das Kitagebäude abgerissen. Das Grundstück hat ein
Investor gekauft, der einen Neubau mit teuren Miniapartments plant. Dass
wirklich Asbest entfernt wurde, bezweifeln die AktivistInnen.
Finanzbehörde-Sprecher Stricker stellt „ein für alle Mal klar: In den
Bestandsgebäuden wurde Asbest gefunden und auch entsprechend saniert“.
Gerrit Onken, der Anwalt der Koze-Aktivistin, die nun vor Gericht steht,
hält den Polizeieinsatz für „grundlos und völlig aus dem Ruder gelaufen“.
Die Finanzbehörde sei gar nicht befugt gewesen, sich mit Polizeigewalt
Zugang zu verschaffen. Der Anwalt vergleicht das mit MieterInnen einer
Wohnung, die ihre Räder im Treppenhaus anschließen: „Da kann der Vermieter
auch nicht, anstatt das Gespräch zu suchen, mit dem BFE kommen und die
Räder wegflexen.“
Dass nun MieterInnen auf der Anklagebank sitzen, sei absurd. Was seitens
der Stadt falsch gelaufen sei, frage niemand.
13 Dec 2016
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=8g5IVdoqFZs
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Hamburg
koze
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Prozess
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