| # taz.de -- Wachgewerbe vor Arbeitskampf: Sicherheit hat ihren Preis | |
| > Vier von fünf Beschäftigten im Wachgewerbe verdienen Niedriglohn. Das | |
| > Ende der Friedenspflicht könnte diesen Zustand ändern. | |
| Bild: Jetzt wird sich organisiert: in mehreren Bundesländern droht der Tarifst… | |
| BERLIN taz | Die Wach- und Sicherheitswirtschaft steht möglicherweise vor | |
| einem Arbeitskampf. In mehren Bundesländern sind die Tarifverhandlungen der | |
| Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit dem jeweiligen Landesableger des | |
| Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) ins Stocken geraten – und | |
| zum Jahreswechsel endet die Friedenspflicht. Danach drohen Streiks, falls | |
| die Arbeitgeber nicht bereit sind, mindestens eine zentrale Forderung der | |
| Gewerkschaft zu erfüllen: Niemand in der Branche soll künftig weniger als | |
| 10 Euro verdienen. | |
| Wach- und Sicherheitsleute haben viele jener Aufgaben übernommen, für die | |
| früher die Polizei und andere direkt oder indirekt von der öffentlichen | |
| Hand beschäftigte Berufsgruppen zuständig waren: Sie überprüfen an | |
| Flughäfen Passagiere, versehen ihren Dienst bei Werksfeuerwehren oder | |
| bewachen Bürogebäude. | |
| Nach Angaben des Branchendachverbands BDSW beschäftigen private | |
| Sicherheitsunternehmen bundesweit derzeit eine viertel Million Menschen. | |
| Die meisten arbeiten in der allgemeinen Bewachung, sind also beispielsweise | |
| als Bahnkontrolleure tätig oder im Objektschutz. Etwa 20.000 Beschäftigte | |
| arbeiten im Bereich der Luftsicherheit, etwa 11.000 in der Geld- und | |
| Wertlogistik. | |
| Der Umsatz in der Wach- und Sicherheitsbranche steigt von Jahr zu Jahr. | |
| 2015 lag er bei fast 7 Milliarden Euro. Branchenprimus ist die Securitas | |
| mit einem Umsatz von 720 Millionen Euro, gefolgt von der Kötter | |
| Unternehmensgruppe mit 418 Millionen Euro Umsatz. | |
| Der Personalbedarf im Sicherheitsgewerbe ist groß. 13.000 Arbeitsplätze | |
| sind zurzeit unbesetzt. Was nicht zuletzt daran liegt, dass sich in der | |
| Branche zwar gut Geld verdienen lässt – nur nicht von den Wachleuten. 80 | |
| Prozent der Beschäftigten der allgemeinen Bewachung arbeiten im | |
| Niedriglohnbereich. Je nach Bundesland liegen die Stundenlöhne zwischen | |
| 8,60 und 9,74 Euro brutto. | |
| Organisation der Desorganisierten | |
| Lange galten die Sicherheitskräfte als nicht organisierbar, geschweige denn | |
| arbeitskampffähig. Die Beschäftigten eines Unternehmens arbeiten an | |
| verschiedenen Standorten, sie kommen selten zusammen, ihre Arbeitszeiten | |
| sind sehr unterschiedlich. Das bedeutet: Sie sind für eine | |
| gewerkschaftliche Organisierung nicht leicht erreichbar. | |
| Viele Jahre wagte es Verdi daher nicht, in eine harte | |
| Tarifauseinandersetzung zu gehen. Entsprechend mickrig fielen die | |
| Abschlüsse aus. | |
| In den letzten vier Jahren ist allerdings ein Umdenken bei Verdi | |
| festzustellen – was auch daran liegt, dass mancherorts | |
| Gewerkschaftssekretäre nachgerückt sind, die sich nicht mit dem schlechten | |
| Status quo abfinden wollten. Erstmals gelang es Verdi 2013 in | |
| Nordrhein-Westfalen, die Kolleginnen und Kollegen an den Flughäfen und in | |
| der Bewachung in gemeinsame Streikaktionen zu führen. Das Ergebnis war ein | |
| Tarifabschluss mit Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich, ein | |
| sensationeller Erfolg. | |
| Trotzdem liegt der Stundenlohn in der untersten Lohngruppe auch in | |
| Nordrhein-Westfalen immer noch unter 10 Euro. „Diese Marke muss auf jeden | |
| Fall in dieser Tarifrunde geknackt werden“, sagt | |
| Verdi-Landesfachbereichsleiterin Andrea Becker. | |
| In Baden-Württemberg ist das bei den Verhandlungen am Dienstag zwar | |
| gelungen. Dort wird zum 1. Januar der Lohn auf knapp über 10 Euro steigen. | |
| In anderen Bundesländern stellen sich die Arbeitgeber jedoch quer. Wenn sie | |
| bei der nächsten Verhandlungsrunde am 14. Dezember nicht ein deutlich | |
| erhöhtes Angebot vorlegen, „dann stehen die Zeichen auf Konflikt“, droht | |
| Becker. | |
| 9 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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