# taz.de -- Berliner Wohnungsmarkt in Peking: Die Chinesen kommen | |
> Ein britisches Investmentunternehmen wirbt in Peking für Immobilien in | |
> Berlin. Im Angebot ist auch ein noch bewohntes Haus in Charlottenburg. | |
Bild: Kurfürstenstraße, Berlin: Wo nachts aktuell noch Straßenstrich ist, so… | |
Peking taz | Bodentiefe Fenster, großzügiger Balkon, Fischgrätenparkett, | |
das schneeweiße Bad ist aus einem Guss, und einen Fahrstuhl gibt es auch. | |
Parkplätze finden sich in der Tiefgarage. Auch die Lage klingt gut: In der | |
„südlichen Mitte Berlins“, exzellente Verkehrsanbindung, Potsdamer Platz | |
und Kurfürstendamm seien nicht weit, heißt es in der Broschüre. Zudem | |
versprechen die Wohnungen „einen Wertzuwachs von rund 10 Prozent im Jahr“. | |
Noch befindet sich das Gebäude mit den 113 geplanten Luxuseinheiten in der | |
Genthiner Straße in Berlin-Schöneberg im Bau. Das britische | |
Investmentunternehmen Premium Finance Group ist aber schon eifrig auf | |
Kundenfang. Zielgruppe sind keineswegs Berliner, die auf dem immer enger | |
werdenden Immobilienmarkt auf Wohnungssuche sind. Die Verkaufsshow befindet | |
sich in einem Seminarraum im 64. Stock des Park Hyatt im Pekinger | |
Finanzviertel. Edler Grüntee wird serviert. Am Konferenztisch aus dunklem | |
Lackholz sitzen etwas verunsichert blickende Chinesen. Die meisten sind | |
noch nie in Deutschland gewesen. | |
„Wenn Sie nach einer sicheren Investition in Übersee Ausschau halten, dann | |
ist Berlin die perfekte Wahl“, beginnt der „Seminarleiter“ in bestem | |
Oxford-Englisch seinen Vortrag. Berlin sei „Europas neue | |
Investmenthauptstadt“ – und im Verhältnis zu vielen anderen Großstädten | |
günstig. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis liege zwischen 2.500 und | |
4.000 Euro – in Peking wäre mehr als das Doppelte fällig. Er hält Berlin | |
nach London für Europas wichtigste Hauptstadt. Die Einwohnerzahl erhöht er | |
mal eben von eigentlich 3,5 auf 5 Millionen. | |
Mehrere Dutzend Objekte hat die britische Investmentgesellschaft für die | |
chinesische Käuferschaft im Angebot. Er zeigt Slides von einem weiteren | |
Luxusneubau in der Kürfüstenstraße mit stuckverzierter Fassade, eleganten | |
Säulen und runden Balkons. Wer weniger investieren möchte, für den kämen | |
auch Altbauwohnungen etwa in Tempelhof oder in Neukölln infrage – saniert | |
versteht sich und mit abgeschliffenen Holzdielen. Diese Wohnungen seien | |
günstiger in der Anschaffung, zwar vermietet, versprächen aber dennoch eine | |
Rendite von rund 3 bis 4 Prozent im Jahr – in Zeiten des Niedrigzinses „gut | |
angelegtes Geld“, betont der freundliche Herr. | |
## Kein Interesse daran, in Berlin zu wohnen | |
Bei den Zuhörern auf besonderes Interesse stößt ein Eck-Altbau in der | |
Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. Die Fassade ist gelblich-grau | |
verfärbt, die Fenster sind oll, im Erdgeschoss befindet sich ein | |
Matratzenladen. Das Besondere an diesem Objekt: Das Haus gehört der | |
Investmentfirma noch gar nicht – und ist deshalb natürlich bewohnt. | |
Sie will es erst noch erwerben, sowohl dem Matratzenladen als auch allen | |
anderen Mietern kündigen, das gesamte Haus sanieren – um die renovierten | |
Wohnungen sowie das Geschäft später einzeln sehr viel teurer wieder zu | |
verkaufen. Derzeit wirbt die Firma um Geldgeber. Nach nur zwei Jahren | |
sollen sie ihr Geld zurückbekommen – und zusätzlich eine kräftige Rendite | |
von mindestens 20 Prozent einsacken. So die Kalkulation. Die Mieter des | |
Hauses kommen in dieser Rechnung selbstverständlich nicht vor. | |
Vor allem der schäbige Bau in der Kantstraße stößt auf reges Interesse. | |
Wohnen wollen die meisten der anwesenden potenziellen Käufer in Berlin | |
sowieso nicht. Sie sind nur am Investment interessiert und an der | |
Möglichkeit, ihr Geld aus China zu schaffen. | |
„Können auch mehrere Wohnungen erworben werden?“, fragt ein junger Pekinger | |
mit überdimensionierter Designerbrille im Anschluss der Veranstaltung. Eine | |
Frau in den Sechzigern möchte wissen, ob sie auch in Cash bezahlen kann. | |
Oder ob es andere Möglichkeiten gebe, das Geld am chinesischen Finananzamt | |
vorbei nach Berlin zu transferieren. Sei alles möglich, bekräftigt der | |
Mitarbeiter. Sie seien ja schon seit einiger Zeit im Geschäft. | |
28 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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