# taz.de -- Grütters auf Berliner CDU-Parteitag: Diesmal muss sie's machen | |
> Monika Grütters wird am Freitag CDU-Landeschefin in Berlin. Dabei ist sie | |
> in ihrem Traumjob als Kulturministerin gut ausgelastet. | |
Bild: Als CDU-Chefin wird sich Grütters noch öfter die Haare raufen wie hier … | |
„Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Monika Grütters | |
würde kaum bestätigen, dass ihr dieser Satz aus dem Matthäus-Evangelium | |
jüngst wieder durch den Kopf gegangen sein dürfte. Nicht, dass die | |
54-Jährige ihn nicht kennt – das wäre auch unangenehm für ein Mitglied im | |
Zentralkomitee der Katholiken. Aber es wäre ja auch nicht so nett, die Wahl | |
zur Landeschefin der Christlich Demokratischen Union offen mit dem Gang | |
nach Golgotha zu vergleichen. Letztlich läuft es aber darauf hinaus, wenn | |
Grütters, Ministerin und bislang Vizechefin, am Freitag beim CDU-Parteitag | |
in der Kulturbrauerei gewählt wird und sich damit den Neuaufbau eines | |
darniederliegenden Landesverbands auflädt. | |
Wobei das nur der Vollzug ist: Bereits am Tag nach der Abgeordnetenhauswahl | |
vom 18. September, als die CDU auf 17,5 Prozent abrutschte, hatte | |
Parteichef Frank Henkel seinen Rückzug angekündigt, vier Wochen später | |
wurde Grütters vom Landesvorstand als Nachfolgerin nominiert. Nur für einen | |
Moment schien es, als müsste sie doch nicht: Als mögliche Bundespräsidentin | |
handelten Journalisten sie, als ihr Parteifreund Norbert Lammert abgesagt | |
hatte und die Kanzlerin noch mit einem Sozi im höchsten Staatsamt haderte. | |
Doch dann arrangierte man sich zwischen CDU und SPD, und der Ausweg war | |
dahin. | |
Anders als jetzt, als sie offenbar die Kanzlerin und Bundesvorsitzende | |
selbst drängte, hatte es ja zweimal geklappt mit dem vorübergehenden Kelch. | |
2002 und 2008 wurde Grütters auch schon hoch gehandelt. Beide Male hätte | |
sie CDU-Landeschefin werden können, wollte es aber nicht in letzter | |
Konsequenz. Einmal, nachdem der langjährige Parteichef und vormalige | |
Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen nach Bankenskandal und | |
Machtverlust hingeworfen hatte, das zweite Mal, als die Partei gar keinen | |
äußeren Anlass und keine Wahlniederlage brauchte, sich zu zerlegen. | |
Damals aber gab es jeweils andere, die wollten und das, anders als | |
Grütters, auch laut bekundeten. Stets waren es Männer – Grütters wäre die | |
erste Berliner CDU-Chefin überhaupt. Fast immer war sie die einzige Frau im | |
engeren Führungskreis, seit sie 1998 in den Landesvorstand kam. 36 war sie | |
damals und seit drei Jahren Mitglied im Abgeordnetenhaus, wo sie von | |
Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky gefördert wurde. Das vergaß Grütters | |
ihm nicht: Als sich später viele von ihm abwandten, als er | |
Hauptbeschuldigter in der Bankenaffäre war, verhehlte Grütters nicht, dass | |
sie weiter Kontakt zu ihm hatte. | |
## Liberales Feigenblatt eines konservativen Landesverbands | |
Sie soll sie also wieder aufrichten, die Partei, die im September weniger | |
als halb so viele Prozente wie zu Landowskys Zeiten bekam und nicht viel | |
mehr als die AfD. Sie soll sie neu ausrichten, hin zur liberalen | |
Großstadtpartei – jene Partei, die in Friedrichshain-Kreuzberg sogar nur | |
7,8 Prozent erreichte. Nicht, dass das kein interessanter Job sein könnte, | |
und nicht, dass Grütters das nicht könnte, sie, die über Jahre als | |
liberales Feigenblatt eines konservativen Landesverbands galt. | |
Die Sache ist nur, dass Grütters nicht bloß schon einen Job hat, sondern | |
ihren Traumjob. Sie ist dort Ministerin geworden, oder genauer: Beauftragte | |
der Bundesregierung im Rang einer Staatsministerin, wo sie schon immer zu | |
Hause war: in der Kulturpolitik. Im Abgeordnetenhaus war sie hier | |
Sprecherin der CDU-Fraktion, auch im Bundestag ging sie nach ihrer ersten | |
Wahl 2005 sofort in den Kulturausschuss, 2009 übernahm sie dort den | |
Vorsitz, und 2013 wurde sie Ministerin. | |
Es ist ein Job mit vielen Reisen und Terminen. Aber Grütters wirkt auch | |
nach drei Jahren im Amt noch so, als würde sie jeden einzelnen genießen. Na | |
ja, vielleicht fast jeden. Sie hat Debatten angestoßen, Neil MacGregor zum | |
Humboldt-Forum geholt und ist mehr als all ihre Vorgänger das, was es im | |
föderalen Deutschland gar nicht gibt: die Quasi-Bundeskulturministerin. | |
Das macht allerdings nicht bloß Spaß, es füllt auch den Terminkalender. In | |
dem aber muss künftig Zeit sein, sich stärker denn je um die Partei zu | |
kümmern – mehr Ortsverband, weniger Oper. Bislang mochte es reichen, wenn | |
Grütters, die im Westen der Stadt wohnt, gelegentlich bei ihren | |
Parteifreunden in Marzahn-Hellersdorf vorbeischaute, für die sie 2017 zum | |
vierten Mal als Bundestagsdirektkandidatin antreten will. | |
Es geht ja nicht darum, eine erfolgreiche Partei nebenher noch so eben mit | |
zu verwalten, wie es früher Diepgen als Regierungschef tat. Sondern darum, | |
12.000 verunsicherte Mitglieder wieder aufzubauen, ihnen aber zugleich zu | |
vermitteln, dass dieser Aufbau Veränderung erfordert. Denn wie eine | |
liberale Großstadtpartei wirkte es nicht, als die Berliner CDU in einer | |
bundesweit einmaligen Abstimmung im Sommer 2015 gegen die volle | |
Gleichstellung der Homo-Ehe stimmte, trotz einer Pro-Initiative von 100 | |
Abgeordneten und CDU-Funktionären. | |
## Wer wird Generalsekretär? | |
Wer damals überraschenderweise nicht auf dem Faltblatt mit diesen 100 | |
Köpfen zu finden war, war – Grütters, die als liberales Gesicht dort in | |
jedem Fall zu vermuten gewesen wäre. Sie war nicht da, anders als | |
Generalsekretär Kai Wegner. Der war mal als Rechtsaußen verschrien, nun | |
aber ein führender Kopf der Initiative. Grütters rechtfertigte sich damit, | |
dass sie nicht angesprochen worden sei. Der Name des Mitorganisators und | |
Chefs der LSU, der Vereinigung der Lesben und Schwulen in der Berliner CDU, | |
immerhin zugleich Landesparlamentarier, der sagte ihr erstmals nichts. | |
Daraus lässt sich mehreres ableiten, und alles lässt Grütters nicht allzu | |
gut dastehen: Entweder ging die Sache mit der Initiative tatsächlich an ihr | |
vorbei – das spricht nicht für richtige Erdung in der Partei. Genauso | |
wenig, wie nicht alle Mitglieder der Abgeordnetenhausfraktion zu kennen, | |
die nicht wie die im Bundestag mehrere hundert Mitglieder hat, sondern | |
weniger als 40. Oder Grütters wollte sich nicht festlegen, weil das ihre | |
Chefin Angela Merkel auch nicht tat. | |
Für Generalsekretär Wegner hingegen war es kein Problem, sich anders als | |
sein Landeschef Henkel vor der Abstimmung pro Homo-Ehe auszusprechen. Ihn | |
könnte man vermutlich auch mitten in der Nacht aufwecken und nach dem Namen | |
des Schriftführers in jedem x-beliebigen Ortsverband fragen. | |
Das allein wäre schon eine wichtige Qualifikation als neuer Vorsitzender | |
gewesen, plus mehr Zeit, die Wegner als Bundestagsabgeordneter gegenüber | |
einer Ministerin hat. Doch er, der in allen Parteilagern Andockfähige, gab | |
sich loyal, freute sich zumindest nach außen hin über Grütters’ | |
Nominierung. Ihr bekanntes Gesicht plus seine Verwurzelung, das schien | |
logisch. Inzwischen aber ist klar: Grütters will ihn nicht als ihren | |
Generalsekretär, sondern beim Parteitag den Landesparlamentarier Stefan | |
Evers als Nachfolger vorschlagen. | |
Grütters müsste das am Freitag in der Kulturbrauerei eigentlich erklären. | |
Doch CDU-Delegierte sind generell nicht für hartnäckige Nachfragen oder | |
Fragen überhaupt bekannt. Und von Wegner ist auch nicht zu erwarten, dass | |
er ein Fass aufmachen wird: 2017 will er wie Grütters sein Bundestagsmandat | |
verteidigen, eine zerstrittene Partei hilft dabei nicht weiter. | |
1 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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