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# taz.de -- Debatte CSU: Bayern gehört abgeschafft!
> Der Südosten Deutschlands ist von einer unheilbaren Krankheit namens CSU
> befallen. Will man sie verstehen, muss man Mafia-Krimis lesen.
Bild: Erst austrinken, dann auf den Kopf hauen: fertig ist der perfekte CSU-Zus…
Das Bundesland Bayern besteht aus meistenteils schönen Gegenden, in denen
es ziemlich genauso viele Drecksäcke, Langweiler und Leute gibt, mit denen
man gerne ein Bier trinken geht, wie im Rest der Welt.
Ja, Bayern ist schön mit seinem Land und seinen Leuten, nicht bloß mit den
Bergen und den Seen, den Schlössern und Barockkirchen, sondern auch
überhaupt. Und auch künstlerisch, da kannst du nicht klagen. Aber Bayern
hat eine, wie es scheint: unheilbare Krankheit. Die CSU.
Die hat in Bayern nach einem kurzen Anflug von Demokratie die Macht
übernommen und nicht wieder hergegeben. Denn die CSU ist keine Partei,
sondern ein Zustand. Wer diesen Zustand nicht kennt: Er fühlt sich ungefähr
so an, wie wenn man zuerst eine Maß Bier trinkt und sich dann den Krug über
den Schädel haut. Man weiß nicht genau, ob man einen schönen Rausch von
Größenwahn erlebt oder ein extremes Schädelweh, das keinen klaren Gedanken
mehr zulässt.
Vor lauter Unsicherheit darüber trinkt man noch eine Maß Bier und haut sich
noch einmal den Krug auf den Kopf. Sie werden sagen: Das kann nicht lange
gut gehen. Dann kennen Sie Bayern nicht.
## Bier und Blut
Wenn man sich vorstellen will, wie CSU funktioniert, kann man italienische
Mafia-Krimis lesen. Wo halt alles zusammenkommt, Amigos, Karrieren und
kleine politische Morde unter Parteifreunden, katholische Kirche und
Omertà: Was es zusammenhält, ist: CSU. Bloß dass hier ein bissl mehr Bier
fließt als Blut. Meistens.
Das Urbild der CSU in Bayern war Franz Josef Strauß, quasi Machiavelli und
König Ubu in einer Person. Jetzt ist er ein Gespenst, das uns nicht
verlässt. Dieses Gespenst wacht über eine von ihm selbst zu Lebzeiten
ausgegebene doppelte Maxime. Das eine ist ein Dogma. Das andere ein immer
währender Impuls.
Das Dogma lautet: „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch
legitimierte Partei geben“. Das hat Strauß 1986 angesichts der Erfolge
einer Partei namens „Die Republikaner“ verkündet, die heute auch wirklich
niemand mehr kennt. Wenn sich also eine Kraft rechts bildet, muss sich die
CSU selber nach rechts breitmachen. Das kann sie gut. Was damals mit den
„Republikanern“ geklappt hat, soll jetzt mit der AfD wiederholt werden.
Natürlich hat das mit Demokratie wenig zu tun, aber viel mit Populismus.
Bayern war schon populistisch, da habt ihr das Wort noch gar nicht gekannt!
Das Land der CSU ist das eines institutionalisierten Populismus von oben.
Und der Impuls? Der sagt, dass die CSU sich nicht einfach auf Bayern
beschränken lassen können darf. Der Strauß wollte Bundeskanzler werden,
mindestens, aber das ist er nicht geworden, und seitdem ist die CSU
gekränkt. Diese Kränkung wiederholt sich mit schöner Regelmäßigkeit. Das
heißt: Jeder bayerische Ministerpräsident muss irgendwie nach Macht im Bund
greifen. Aber weil halt nie ein bayerischer Ministerpräsident Bundeskanzler
werden kann, muss sich die CSU immer wieder beleidigt zurückziehen und so
tun, als würde sie bei der nächsten Gelegenheit die Bundesrepublik
verlassen und wieder ein selbstständiges Königreich werden, oder wenigstens
die „Schwesterpartei“ dumm dastehen lassen.
## „Laptop und Lederhose“
Das Schauspiel folgt insofern der inneren bayerischen Verfassung, als es
trefflich den Wechsel von Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex
ausdrückt, was einer dieser Ministerpräsidenten in die Formel „Laptop und
Lederhose“ goss. Edmund Stoiber wurde später populär, weil er sich beim
Versuch, einfache Sachverhalte zu erklären, dermaßen verhaspelte, dass er
zum Schöpfer dadaistischer Sprachkunstwerke wurde. Was wiederum eine
typische Fehleinschätzung der CSU und ihres Personals zur Folge hatte: Sind
sie nicht drollig, diese Seppl? Derselbe Stoiber warnte im Jahr 1992
angesichts einer ersten „Flüchtlingswelle“ vor einer „durchrassten
Gesellschaft“. Niemand hat gelacht.
Das Dogma der rechten Besetzung von Wählerstimmen und Bayernseelen durch
die CSU und der Impuls, immer wieder nach der deutschen Zentralmacht zu
greifen, haben eine merkwürdige Dialektik ausgebildet. Das Dogma begrenzt
den Impuls, denn entweder will man dort gerade gar keinen Rechtspopulisten
an der Regierung haben oder keinen in Lederhosen. Der Impuls begrenzt aber
auch das Dogma, denn solange man über Bayern hinauswill, darf man nicht
ganz dem verfallen, was in einem Bierzelt als „Klartext“ gilt.
Was bleibt, ist die dreifache Rolle von Störenfried, Erpresser und Modell.
Die erste besagt, dass, wenn man nicht regieren darf, man es den anderen
möglichst schwer macht. Die zweite, dass man Forderungen durchsetzen kann,
weil man sonst wieder beleidigt ist, und dann fehlen die Stimmen der CSU.
Und die dritte? Ihr seid’s ja bloß neidisch. Was braucht man eine
repräsentative Demokratie, wenn man institutionalisierten Populismus von
oben hat? Bestimmte Forderungen der CSU, sagen wir „Pkw-Maut für Ausländer�…
oder „Obergrenze für Flüchtlinge“, dienen zugleich der dreifachen Rolle d…
CSU im Bund und bedienen die populistische Kundschaft.
## Pinochet, Orbán und Trump
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Spezln, die man sich einlädt oder von
denen man sich einladen lässt. Unser Gespenst hatte es mit Pinochet, seine
Nachfolger mit Victor Orbán, und Seehofer hat schon jetzt den Donald Trump
ins Bayernland geladen.
Die deutsche Demokratie wird also von zwei Arten des Rechtspopulismus in
die Zange genommen: Vom allgemeinen Pegida- und AfD-Rechtspopulismus von
unten und, seitwärts, vom institutionalisierten CSU-Populismus aus Bayern.
Da Bayern aus eigener Kraft die Krankheit CSU wahrscheinlich nicht loswird,
hier mein Vorschlag, um ihr im Wortsinn den Boden zu entziehen: Das Allgäu
geht zu den Schwaben, die Franken machen sich selbstständig, wollten sie eh
immer, Oberbayern wird in einen Oktoberfest-Themenpark umgewidmet, und
Niederbayern … Sakrament! Was machen wir mit Niederbayern? Das will doch
niemand haben.
Nein, das wird nichts. Und so bleibt wahrscheinlich doch alles beim Alten.
Mit Bayern, der CSU, Deutschland und dem Rest der Demokratie.
4 Dec 2016
## AUTOREN
Georg Seeßlen
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Bayern
Populismus
CSU
Franz Josef Strauß
CSU
Lesestück Recherche und Reportage
CSU
CDU/CSU
Bayern
Schwerpunkt Rassismus
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