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# taz.de -- Die Sleaford Mods spielten in Berlin: Für die Tirade gibt's nur Sl…
> Zwei Männer und ein Laptop aus Nottingham: Wenn die Musiker auftreten,
> werden Unterhosen und Handschuhe auf die Bühne geworfen.
Bild: Die Sleaford Mods, Backstage in Huxleys Neuer Welt
Viereinhalb Stunden geschlafen, das ist doch scheiße, ich brauche acht
Stunden Schlaf, das ist gut für die Haut, stärkt das Gemüt, gemütsmäßig i…
das ungesund, euphorisch nach Hause zu fahren, dann aber nicht schlafen zu
dürfen, kann man jetzt nicht mal mehr schlafen, weil der andere Text noch
offen ist, und deswegen gehst du um halb eins nach Hause, obwohl Andrew
Fearn, was für ein unglaublicher Typ, uns fragt, den Kollegen Königschulte
und mich, sagt mal, geht ihr jetzt noch irgendwohin, irgendwo um die Ecke
in eine Bar, noch was trinken, und dann steh ich da und sage Andrew von den
Sleaford Mods, und schau mir quasi nahtoderfahrungsmäßig selber dabei zu,
wie der Satz aus meinem Mund rauskommt, nee, also eigentlich wollte ich
jetzt gleich mal gehen, weil ich noch was arbeiten muss, noch was arbeiten
muss, und dann kommt der Nachsatz raus, aber, äh, falls du noch wohin
gehst, komm ich mit, und: Ja klar, ich bin ein Trottel, hörst du ja, grins,
sorry, nein, muss noch arbeiten, aber wenn du selber weißt, in welche
Kneipe du am Hermannplatz gehen sollst am Donnerstagabend, ist ja quasi
Nottingham hier, dann komm ich natürlich noch mit, wie dumm ist das denn,
gar jetzt, nachdem wir das ja nun doch noch geschafft hatten, dass uns,
also den Kollegen Mathias Königschulte und mich, der supernette Tom van
Laak vom Weird World Booking Network aus Düsseldorf aus der schon fast
entleerten Neuen Welt, die vorher ausverkauft gewesen war, nach Backstage
holte, damit der Kollege Königschulte, der mit Adidas-Jogginghose aus
Kreuzberg angereist war, Fotos aus der Nähe machen könne, hatten wir ja
schon gar nicht mehr erwartet, war uns aber auch schon egal gewesen, weil
es so super war, von Anfang an, und nachdem ich in der linken Ecke direkt
vor der Bühne schon Mo und Udo getroffen hatte, war auch noch Mike mit den
Haaren und dem Bart aufgelaufen und abgegangen auf den Sound von Andrew,
der vor seinem Laptop stand, den er auf drei Beck’s-Kisten gestellt hatte,
und seinen Rucksack und seinen Parka und seinen Hoodie hatte er
danebengelegt, hat doch eine Garderobe, der Mann, und war grinsend hinter
seinem Laptop gestanden, hatte immer nur auf die Returntaste gedrückt, so
sah das jedenfalls aus, um das neue Stück zu starten, und sich dann wieder
breitbeinig hingestellt, die rechte Hand in der Hosentasche, in der linken
ein Bier, das er vor seinem Gemächt hängen ließ und von dem er ab und zu
einen Schluck nahm, während Jason Williamson ständig Wasser in sich
reinschüttete und auch wieder ausspuckte, kein Wunder, die Textmengen, die
er von sich gibt ohne Punkt und Komma sind beeindruckend, es ist nicht
reproduzierbar, was da los ist (da kannst du noch so ein Journalist sein,
Meister, aber jetzt machen wir das so), das auch nur annähernd, das auch
nur halbwegs erfassen zu wollen, reine Hybris ist das, mimetisch, textlich,
geht gar nicht, den Flow, die Energie, die Jason Williamson hat, was da an
Text und Moves aus seinem Körper rauskommt, wenn er das nächste Stück
ankündigt, das jeder kenne, auch wenn er es nicht kenne, weil jeder Bastard
wisse, dass auf uns alle geschissen werde, was in einer logischen Forderung
gipfelt, sack the fucking manager, und wie er zu seinen Tiraden immer
dieselbe Bewegung wiederholt, wie ein hospitalistischer Patient im Rhythmus
der Beats und der Bässe mit der rechten Hand vom Hinterkopf über das Ohr
und dann vorne rechts die Schläfe streift und ihm davon am Hinterkopf ein
Schopf absteht, und dann schleicht er, wie der Kollege Julian Weber einst
geschrieben hat, über die Bühne, stimmt genau, er schwebt sogar manchmal,
imitiert zwischendurch einen anderen Primaten, er ist aber ein funky Fuchs,
eine straßenköterartige Promenadenmischung aus Mark E. Smith und James
Brown, weswegen die Klamotten, die Leute auf die Bühne werfen, immer
gewagter werden, früher habe man noch Weed auf die Bühne geworfen bekommen,
sagt Jason, heute kriege man Handschuhe auf die Bühne geworfen, später ist
es eine weiße Unterhose, sieht eher nach Herrenunterhose aus, was Andrew
zum Lachen bringt, dann singt er ein bisschen mit, die Leute feiern, und
als eine der Jurorinnen vom taz-Publikumspreis beim Open Mike neben mir
tanzt, sprechen wir kurz über den Gebrauch von „cunt“ und „twat“,
Sprachpolitik habe ihren Platz, aber nicht bei einem Sleaford-Mods-Konzert,
ihre schwulen Freunde fänden es super, sagt sie, und so geht das weiter,
wird getrunken, wird geraucht, es ist so super, dass der Kollege
Königschulte sogar den Glauben an Konzerte wiederfindet, und was willst du
mehr, Schlaf hin oder her.
25 Nov 2016
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Punk
Großbritannien
Musik
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Arte
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