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# taz.de -- Getrübter Blick der Staatsmacht: Homophobie gibt’s nicht
> Laut Polizei wurden seit 2011 in Bremen nur sieben homophobe Straftaten
> erfasst. Dabei gab es allein seit 2015 fünf Anschläge aufs
> „Rat&Tat“-Zentrum.
Bild: Hinweise des Rat-und-Tat-Zentrums nimmt die Polizei entgegen, aber nicht …
BREMEN taz | Seit 2015 ist das „Rat&Tat“- Zentrum fünf Mal angegriffen
worden – Mitte September 2016 gleich an drei Tagen hintereinander. Erst
schüttete ein Unbekannter Bettenfedern in den Lichtschacht des
Beratungszentrums im Ostertorviertel, an den beiden darauf folgenden Tagen
gab es Buttersäure-Attacken auf das Haus. Grund genug für die
Linksfraktion, eine parlamentarische Anfrage zu stellen zum Thema „Homo-,
trans- und interfeindliche Straftaten in Bremen“.
Die jetzt vorliegende Senatsantwort mutet angesichts der Attacken auf das
Beratungszentrum für Schwule und Lesben ([1][taz berichtete]) höchst
merkwürdig an, denn danach gab es von 2011 bis zum 19. Oktober 2016 in
Bremen nur insgesamt sieben Straftaten gegen die sexuelle Orientierung –
davon eine in diesem und drei im vergangenen Jahr.
Diese Auskunft bezieht sich keineswegs auf die Frage nach eingeleiteten
Ermittlungsverfahren oder erhobenen Anklagen, sondern auf die Erfassung
durch die Polizei: „Wie viele Straftaten gegen die sexuelle Orientierung
oder Identität/ homofeindliche Straftaten wurden (…) von der Polizei
erfasst?“, lautete die Frage.
Homo-, trans- und interfeindliche Straftaten zählen zur sogenannten
Hasskriminalität, deren Hintergrund laut Senatsantwort oft nicht bekannt
werde wegen „unzureichender Hinweise beim Anzeigenden“, aus Mangel an
Vertrauen gegenüber der Polizei oder aus Angst vor ungewolltem Outing, aber
auch von Seiten der Polizei durch „falsche Einordnung der Anzeige,
Unkenntnis über die Handlungsanleitung homophobe Straftaten“ oder „falsche
Steuerung innerhalb der Polizei.“
Dass offenbar nur einer von fünf Angriffen auf das „Rat&Tat“-Zentrum in die
Kategorie „homophobe Delikte“ eingeordnet wurde – denn nur bei einer der
vier angegebenen Straftaten seit Anfang 2015 handelt es sich um
Sachbeschädigung – liegt freilich nicht an „unzureichenden Hinweisen beim
Anzeigenden“.
Im Gegenteil: „Ich weise bei jeder Anzeige die Polizei auf den homophoben
Hintergrund hin“, sagt Reiner Neumann, Vorstandsmitglied des
Beratungszentrums. Er wisse durchaus, dass die Anzeigen sonst falsch
zugeordnet würden. Trotzdem ist er erstaunt über die angeblich so geringe
Anzahl von Straftaten gegen die sexuelle Orientierung: „Allein wir vom
‚Rat&Tat‘-Zentrum kennen mehr Fälle als die, die in dieser Statistik
stehen.“
Viele Opfer homophober Gewalt fühlten sich von der Polizei nicht
ernstgenommen, sagte Sven Rottenberg, Polizist und seit einem Jahr
„Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ (AGL) bei der
Bremer Polizei, im November 2015 gegenüber der taz. Viele gingen auch erst
gar nicht zur Polizei oder verheimlichten ihre Homosexualität aus Angst vor
Diskriminierung. Und ein großer Teil jener, die einen homophoben
Tathintergrund nannten, fühlten sich von der Polizei alleingelassen. Man
gehe von einer Dunkelziffer von 80 Prozent bei Verbrechen mit einem
homophoben Hintergrund aus.
Letzteres geht auch aus der Senatsantwort hervor. Um die
Anzeigenbereitschaft zu steigern, heißt es dort, sei vor einem Jahr
Rottenbergs Stelle installiert worden – wofür der mit 25 Prozent seiner
Arbeitszeit als Polizist freigestellt ist. Daneben sei die Sachbearbeitung
für homophobe Delikte zentralisiert worden, außerdem verfüge die Polizei
über eine Handlungsanleitung „Bekämpfung homophober Straftaten“ und ein
Merkblatt namens „Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung“.
Das Fortbildungsinstitut der Polizei böte „aktuell keine spezifischen
Seminarangebote“ an, in einschlägigen kriminalpolizeilichen Fortbildungen
spielten aber „ganz allgemein Aspekte der vorurteilsmotivierten
Kriminalität“ eine Rolle. Angesichts der Einrichtung des AGL, also
Rottenberg, werde „derzeit keine Notwendigkeit von weiteren
Fortbildungsmaßnahmen bei der Polizei gesehen“ – und das, obwohl „eine
Bewertung über die Auswirkungen“ von Rottenbergs Stelle „zum jetzigen
Zeitpunkt nicht abgegeben werden“ könne, „da die Stelle neu geschaffen
wurde und noch keine validen Erfahrungswerte vorliegen“.
Rottenbergs ursprünglich nur auf ein Jahr befristete Stelle wurde im
November verlängert – erfreulich, aber auch erstaunlich, denn eigentlich
gibt’s in Bremen ja gar kein Problem mit homofeindlichen Straftaten.
Zumindest nicht laut Statistik.
17 Nov 2016
## LINKS
[1] /Homophobie-in-Bremen/!5335730
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Polizei
Homophobie
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Schwerpunkt LGBTQIA
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