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# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Der dunkle Spiegel unserer Realität
> Die App bestimmt das Leben. In der ersten Folge der neuen Staffel von
> „Black Mirror“ bewertet Lacie Pound Interaktionen mit Mitmenschen.
Bild: 4,2 von 5 Sternen: Lacie Pound freut sich über ihr Rating. Doch sie möc…
Was, wenn wir uns alle nach jeder Begegnung per App bewerten würden und
unsere Miete davon abhinge? Was, wenn Menschen, die in sozialen Medien
Morddrohungen bekommen, dann wirklich auf brutale Art ermordet würden? Was,
wenn Menschen von Hackern mit gestohlenen Sexfotos zum Morden gezwungen
würden? Ist das schon Sciencefiction oder ist das einfach nur die Zeit, in
der wir leben? Die dritte Staffel der Serie „Black Mirror“ entwirft eine
Reihe von Dystopien, die manchmal von unserer Gegenwart kaum zu
unterscheiden sind.
Der Titel „Black Mirror“ meint die zahlreichen spiegelnden Flächen, die uns
im Alltag umgeben, die Bildschirme von Smartphone, Computer und Fernseher.
In der Serie, die nun nicht mehr beim britischen Sender Channel 4, sondern
auf Netflix läuft, haben diese dunklen Spiegel etwas Bedrohliches.
Jede Folge erzählt eine für sich stehende Geschichte in einer für sich
stehenden Welt, aber in jeder Folge unterwerfen die „Mirrors“ die Menschen
auf eine eigene Art. Oder besser: Die Menschen unterwerfen sich (mit) ihnen
selbst und gegenseitig.
In der ersten Folge der dritten Staffel lebt Lacie Pound in einer Welt, in
der alle Menschen sich gegenseitig ständig per App mit bis zu fünf Punkten
bewerten. Die ersten Szenen, in denen Menschen mit ihren Handys
herumstehen, in denen Pound ihren Kaffee abfotografiert und postet, obwohl
er ihr nicht schmeckt, sind dem Zuschauer gar nicht so fremd.
Doch die Bewertungen sind Facebook, Linkedin und Schufa in einem. Sie
bestimmen, welche Jobs und Wohnungen man bekommt und wo man erwünscht ist.
Wer ein Rating von weniger als 2 hat, wird verachtet. Pound, mit einem
respektablen Rating von 4,2, will gerne aufsteigen. Aber um einen Rabatt
auf ihr Traumapartment zu bekommen, bräuchte sie ein Rating von 4,5. Und
dafür geht sie viele fragwürdige Kompromisse ein.
## Die Serie eignet sich nicht zum Binge Watching
„Black Mirror“ meint aber auch die dunkle Spiegelung unserer Realität. Das
ist der Markenkern der Serie. Konsequent denkt sie die düsteren Seiten
unserer technologischen Realität zu Ende. Die Folgen steigen meist
unscheinbar ein und steigern sich.
Ein Weltenbummler muss schnell Geld verdienen und testet ein neues
Horror-Computerspiel, das die eigenen Ängste virtuell wahr werden lässt.
Ein Mädchen lädt ihrem Bruder aus Versehen einen Virus auf den Rechner.
Wenig später filmen ihn Hacker beim Masturbieren und erpressen ihn mit dem
Video.
Eine Journalistin wird auf Twitter bedroht, nachdem sie sich abfällig über
Behinderte geäußert hat, und wird kurz darauf ermordet. Man ahnt immer
schon früh: Die Geschichten enden nicht gut.
Deshalb ist es schwer, „Black Mirror“ internetgerecht in einem Rutsch
anzuschauen. Die Folgen sind, in ihrer Spannung zwischen „das ist zu
düster, um je wahr zu werden“ und „genau so ist doch die Welt“, extrem
verunsichernd.
Zugleich sind die Drehbücher von Charlie Brooker nach den zwei ersten
Staffeln vorhersehbar geworden: Die Fixierung auf Pädophilie und sinnlose
Machtspiele, die düsteren Wendungen kurz vor Schluss und die
ProtagonistInnen, die die bunte Matrix der farblosen echten Welt vorziehen.
Umso überraschender sind dafür die wenigen Folgen, die ein befreiendes Ende
haben.
23 Nov 2016
## AUTOREN
Lalon Sander
## TAGS
Die Couchreporter
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Technologie
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