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# taz.de -- Aufarbeitung der NSU-Morde: Maas sieht „großes Staatsversagen“
> Justizminister Heiko Maas entschuldigt sich bei Opfern und
> Hinterbliebenen für Fehler. So etwas dürfe nie wieder passieren.
Bild: Einer der NSU-Tatorte: die Kölner Keupstraße, in der die Terrorzelle 20…
Dortmund/Berlin/Halle afp/epd | Fünf Jahre nach dem Auffliegen der
rechtsextremen Zelle NSU hat sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bei
den Angehörigen der Opfer für Fehler und Versäumnisse der
Sicherheitsbehörden in der Mordserie entschuldigt. Gegenüber den Dortmunder
Ruhr Nachrichten (Freitagsausgabe) sprach der Justizminister von einem
„großen Staatsversagen“. Es seien „sehr viele Fehler gemacht worden, und
die können auch nicht revidiert werden“, bedauerte er.
„Dass Rechtsextreme der NSU über ein Jahrzehnt lang mordend durch die Lande
gezogen sind und wir nicht in der Lage gewesen sind, dies zu stoppen und
die Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen, ist nichts anderes als ein
großes Staatsversagen.“ Das Leid, das die Täter angerichtet hätten, sei
nicht wiedergutzumachen. „Das darf nie wieder geschehen. Dafür müssen wir
alles tun.“
Er könne „das Entsetzen und die Enttäuschung der Angehörigen der Opfer sehr
gut nachvollziehen“, sagte Maas. „Wir können uns bei ihnen nur
entschuldigen.“
Die aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bestehende
rechtsextreme Gruppe soll bis zu ihrem Auffliegen am 4. November 2011 zehn
Morde und zwei Bombenanschläge verübt haben, dazu mehr als ein Dutzend
Überfälle. Die meisten Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Zschäpe
muss sich zusammen mit vier mutmaßlichen NSU-Helfern vor dem
Oberlandesgericht München verantworten. Sie bestreitet den von der
Bundesanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Mittäterschaft.
## John bezweifelt, dass neues zu Tage kommt
Auch die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der Terrorzelle
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), Barbara John, hat ihre
Enttäuschung übder die bisherige Aufarbeitung der NSU-Morde geäußert. „Die
Hinterbliebenen sagen: Der Staat mit all seinen Ermittlungsbehörden konnte
die Morde nicht verhindern – und kann jetzt die versprochene Aufklärung
nicht leisten“, sagte sie der zur DuMont-Mediengruppe gehörenden Berliner
Zeitung und Mitteldeutschen Zeitung (Freitagsausgabe).
Viele Familien der Opfer glaubten, „dass der Verfassungsschutz
Informationen zurückhält – nicht nur weil Akten geschreddert wurden“, sag…
John. Auch in den Untersuchungsausschüssen gebe es immer wieder
Antwortverweigerung oder Ausweichen. „Die Betroffenen merken, dass die
Dinge nicht mit aller Offenheit und Ernsthaftigkeit dargelegt werden.“ Es
entstehe der Eindruck, dass das abstrakte Staatswohl höher gestellt wird
als der Schutz der Menschen.
Zudem lägen die Taten immer weiter zurück. Und die jetzigen Ermittler gäben
sich gar keine Mühe, noch einmal mit einem neuen Blick auf Taten und Täter
zu schauen, kritisierte John: „Ich halte es deshalb für relativ
unwahrscheinlich, dass zum Umfeld und zur Unterstützerszene viel Neues
herauskommt.“
Die NSU-Opferbeauftragte verwies auch auf die gegenwärtige Situation, in
der rechtsextreme Gewalt wieder stark zunehme. Das sei auch in den
Opferfamilien ein Thema. „Sie haben nach wie vor Angst“, betonte John.
## „Institutioneller Rassismus in der Strafverfolgung“
Auch die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) sagte, noch immer seien die
NSU-Morde ungesühnt, Mittäter und Netzwerke ungeklärt. „Für die
Hinterbliebenen der Opfer liegt darin eine erneute Entwürdigung – nachdem
sie durch die Taten selbst und die erlittene Kriminalisierung schon ein
erstes und zweites Mal in ihrer Würde verletzt wurden“, sagte
TGD-Bundesvorsitzender Gökay Sofuoglu in Berlin.
Der Verband kritisiert zudem, dass die Empfehlungen des ersten
NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages weitgehend folgenlos blieben.
„Institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden ist im
Jahr 2016 noch genauso ein Problem wie zu Zeiten der NSU-Morde“, mahnte
Sofuoglu. Dieser Missstand sowie der sprunghafte Anstieg rechter Gewalt in
jüngster Zeit bereiteten den türkeistämmigen Migranten in Deutschland
aktuell größte Sorge.
4 Nov 2016
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Schwerpunkt Rechter Terror
Heiko Maas
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Otto Schily
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Rechtsextremismus
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