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# taz.de -- Streit über Gold-Haus auf der Veddel: „Das ist keine Kunst“
> Der Politkünstler Boran Burchhardt will ein Haus auf der Veddel
> vergolden. Kritiker halten das für Steuerverschwendung
Bild: Will eine dieser Fassaden auf der Veddel vergolden: Boran Burchhardt
Wenn es um Kunst geht, färbt sich die Luft bunt. Das heißt, in diesem Fall
nicht nur die Luft und nicht einfach bunt. Glänzend golden soll eine
Hausfassade auf der Veddel ab Sommer 2017 erstrahlen: 300 Quadratmeter
Blattgold will der Polit- und Aktionskünstler Boran Burchhardt auf ein
Saga-Haus in der Veddeler Brückenstraße 152 pinseln.
Burchhardt ist derzeit Quartierskünstler der Saga/GWG Stiftung
Nachbarschaft. 2009 war er durch die Bemalung eines Minaretts der St.
Georger Centrums-Moschee mit einem Fußballmuster aufgefallen. Zwei Jahre
später hatte er in Hamburg die Rückseiten von Verkehrsschildern mit
Hilfsadressen für papierlose Flüchtlinge beklebt.
Mit dem aktuellen Projekt will er „Kommunikation erzeugen, blenden“, wie er
sagt. Will Aufmerksamkeit auf die Veddel lenken, den Stadtteil im Wortsinn
vergolden. Täte er das mithilfe eines privaten Sponsors, krähte kein Hahn
danach. Doch die 85.000 Euro, die das Projekt kostet, sind staatliche
Subvention, bewilligt von der Kunstkommission der Kulturbehörde. Und prompt
regen sich alle auf.
Für den Architekten Jens Homann etwa – nicht stimmberechtigtes Mitglied der
Kunstkommission – ist das Projekt „reine Provokation“. Da wolle jemand �…
Politiker dieses Bezirks, die oft nicht wissen, wie sie soziale Projekte
finanzieren sollen, vorführen“. Burchhardt heische einzig Aufmerksamkeit.
„Konzept-Kunst ist ein Widerspruch in sich, eine Erfindung der
Kunsthistoriker“, findet Homann. Kunst habe mit Handwerk, mit Können zu
tun. „Diese Haltung muss man nicht teilen, aber so ein Projekt sollte der
Staat nicht fördern.“
Und wo die Debatte gerade so schön wogt, hat auch Hamburgs Bund der
Steuerzahler flugs bekundet, dass man „schwer erarbeitete Steuermittel“
nicht als Blattgold auf Häuserwände kleben solle. Das Projekt sei
„dekadent“ und deshalb zu stoppen.
Wie so oft, schwingt der Vorwurf mit, Kultur werde zu Lasten des Sozialen
gefördert. Dabei stammt das Geld aus dem Kulturetat und wäre ohnehin nicht
für soziale Projekte verwendet worden.
Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard geht noch weiter: „Natürlich darf Kunst
verschwenden“, sagt sie. „Man darf ja auch ein teures Konzerthaus bauen.“
Burchhardts „Goldene Veddel“ sei gut geeignet, soziale Segregation
anzuprangern. „Und wie man sieht, erzeugt das Projekt bereits eine
Debatte“, sagt Deuflhard. „Ich sehe die Goldfassade als eine Art soziale
Skulptur.“
Allerdings eine isolierte, die weder Integration fördert, noch
Gentrifizierung bremst. Denn das Fassadengold soll zwar 25 Jahre halten,
weiter reicht die Nachhaltigkeit dieses Werks, das peu à peu zum Denkmal
altert, nicht.
„Dieses Projekt ist nicht vielschichtig“, findet Kunsthaus-Chefin Katja
Schröder. „Es bleibt bei der Provokation stehen und hat keine künstlerische
Tiefe.“ Denn dafür müsse es die Rolle des Künstlers im Viertel
reflektieren, auch dessen Bevölkerung einbeziehen. Das tue es doch, sagen
Befürworter, viele Anwohner auf der Veddel seien traurig, dass nicht ihr
eigenes Backsteinhaus vergoldet werde. „Vielleicht tut es Leuten einfach
gut, aufzuwachen und ein goldenes Haus zu sehen“, ergänzt Künstler
Burchhardt.
Natürlich kann man mit Ästhetik argumentieren: So eine Goldfassade ist
etwas zweckfrei Schönes. Aber das ist ja nur die Oberfläche. Eigentlich
geht es Burchhardt um die Spiegelung eines ungerechten staatlichen
Verteilungssystems – weswegen er bewusst ein städtisches Saga-Gebäude
wählte.
Zugleich widersetzt sich dieses wertvolle Werk dem Kunstmarkt: Anders als
der diamantbesetzte Schädel des britischen Künstlers Damien Hirst kann kein
Sammler die Veddel-Fassade kaufen. Sie bleibt öffentliches Eigentum – des
erwähnten Steuerzahlers.
Darin liegt eine feine Ironie, die Architekt Christoph Winkler allerdings
nicht im Sinn hatte, als er in der Kunstkommission für das Projekt stimmte.
Das Projekt werde vielmehr „eine hohe Aufmerksamkeit und Wertschätzung für
die Veddel mit sich bringen“, sagt er. Das Tourismus-Marketing dürfte sich
übrigens freuen: über diesen Leuchtturm, die Elbphilharmonie für die
Veddel.
Das ist alles löblich, aber ein Geschmäckle bleibt: Burchhardt ist selbst
Mitglied der Kunstkommission. Künstlern, die fünf Jahre lang ehrenamtlich
in der Kommission sitzen, ist es laut Kulturbehörde „nicht zuzumuten,
während dieser gesamten Zeit vom Antragsverfahren ausgeschlossen zu
werden“.
Aber legal ist nicht dasselbe wie legitim. „Ich würde in keiner Kommission,
der ich angehöre, Anträge stellen“, sagt Deuflhard. Damit steht sie nicht
allein.
13 Nov 2016
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Papierlose
Politische Kunst
Moschee
Veddel
Gesundheit
Elbphilharmonie
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