Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kulturelles Deutschlandjahr in Mexiko: Leuchttürme am Zócalo
> Das Goethe-Institut in Mexiko-Stadt präsentiert sein Programm mit
> klassischen und experimentellen Formaten von Otto Dix bis „Mexibility“.
Bild: Der Künstler Christoph Faulhaber bereitet Bananenblätter für den Siebd…
Vorbei am „Ángel de la Independia“, einer Nachbildung der Berliner
Siegessäule, quält sich die Autolawine über den breitangelegten Paseo de la
Reforma im Zentrum der mexikanischen Hauptstadt. Obwohl allein das
großflächig ausgebaute Streckennetz der Metro täglich 5 Millionen Menschen
transportiert, bleibt Mobilität eines der drängenden Themen der
lateinamerikanischen Megametropole. Alltagsprobleme eines Landes, in dem
viel zu oft Gewaltnachrichten aus dem Drogenkrieg für Schlagzeilen sorgen.
Zuletzt international 2014, als im Bundesstaat Guerrero der Fall der 43
entführten und ermordeten Studenten der Escuela Normal Rural von Ayotzinapa
den Blick auf Verbindungen der Drogenkartelle in Politik, Polizei und
Militär offenlegte.
Nach Indien (2011) und Brasilien (2013) findet nun in Mexiko das zur
Stärkung bilateraler Beziehungen initiierte Deutschlandjahr statt. Über
tausend Veranstaltungen sind bis Mai 2017 in dreizehn mexikanischen Städten
geplant. Themen sind Kultur, Wissenschaft, Bildung, Mobilität, Innovation
und Nachhaltigkeit. Die Projektleitung liegt beim Goethe-Institut in
Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem
Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).
Zusätzlich finanziell unterstützt wird das Vorhaben durch „Premium Partner�…
– Unternehmen wie BASF, Bosch oder Mercedes Benz, die bereits seit
Jahrzehnten in Mexiko ansässig sind. Das Land ist Deutschlands wichtigster
Handelspartner in Lateinamerika und durch seine vielen Freihandelsabkommen
auch attraktiver Industriestandort, nicht zuletzt für die Automobilbranche.
Mit einem großzügigen Sonderbudget ausgestattet, konnte das Goethe-Institut
so mit der Planung eines umfangreichen Kulturprogramms beginnen.
Doch Reinhard Maiworm, Institutsleiter in Mexiko-Stadt, bremst im Gespräch
sogleich mögliche Schlussfolgerungen: „Das Deutschlandjahr wäre
kontraproduktiv, wenn man hier nur eine Art Feuerwerk veranstalten und
Erwartungen erzeugen würde, die man nachher nicht mehr bedienen kann.
Unsere erste Frage war deshalb, was können wir tun, damit etwas bleibt.“
## Otto-Dix-Ausstellung
Das Ergebnis ist ein ziemlich heterogenes Programm, das versucht, sowohl
experimentelleren, diskursiven Formaten Raum zu geben als auch – ganz
klassisch – deutsche Ausstellungen, Film-, Musik- und Theaterproduktionen
einem mexikanischen Publikum zu präsentieren. Einen zentralen Platz nimmt
darin die mit 150 Gemälden und Papierarbeiten groß angelegte
Otto-Dix-Ausstellung „Gewalt und Leidenschaft“ ein, die nach einer ersten
Station in Monterrey nun bis Mitte Januar in der Nationalgalerie, wenige
Blöcke vom Zócalo entfernt, in der Hauptstadt zu sehen ist.
Kuratiert hat sie Ulrike Lorenz. Die Direktorin der Mannheimer Kunsthalle
sieht in der umfassenden Werkschau, die das Schaffen des „großen Realisten
und Humanisten“ vom Ersten Weltkrieg bis nach 1945 verfolgt, auch einen
aktuellen Beitrag zu einer kritischen Reflexion der mexikanischen
Gegenwart. Schließlich verhandeln Dix’ Arbeiten Extremsituationen und
zeigen Abgründe von Krieg und moderner Großstadt.
„Man braucht auch starke Leuchttürme, wie die Otto-Dix-Ausstellung, um die
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen“, unterstreicht Maiworm die Bedeutung der
Schau innerhalb des Deutschlandjahres. Und tatsächlich: Zur Eröffnung Mitte
Oktober flutete ein überraschend junges Publikum die Nationalgalerie.
## „Mexibility“
Vielleicht weniger Aufmerksamkeit, aber dafür größere Vernetzung mit neuen
Kooperationspartnern verspricht man sich von dem Recherche- und
Ausstellungsprojekt „Mexibility“. „Wir sind in der Stadt, wir können sie
nicht verlassen“, so eine Zeile des mexikanischen Dichters Octavio Paz.
Diese fügten die Kuratoren Friedrich von Borries und Moritz Ahlert ihrem
Projekt „Mexibility“ programmatisch hinzu.
Von Borries und Alert luden sieben Künstler und Architekten aus Deutschland
ein, um in Mexiko Stadt zu einem erweiterten Mobilitätsbegriff zu forschen
und in Zusammenarbeit mit fünf Museen der Universidad Nacional Autónoma de
México (UNAM) künstlerische Beiträge zu entwickeln.
So startete der Künstler und Spiele-Entwickler Sebastian Quaak bereits im
September den „Drift Club Mexico-Stadt“. Unterstützt von Maria Gándara,
Kuratorin des Museo Universitario del Chopo, organisierte er acht
spielerisch angelegte Wanderungen, bei denen die Teilnehmer als Gruppe ohne
vorgegebene Route zwischen 90 Minuten und 24 Stunden durch den städtischen
Raum streiften.
„Angesichts eines herrschenden Klimas der Unsicherheit war vielleicht die
wichtigste Erfahrung, auszuprobieren, anderen und sich selbst zu
vertrauen“, kommentiert Gándara rückblickend die „Drifts“ und scheint
dennoch irgendwie erleichtert.
## Einige Fallstricke
Als weiterer Beitrag im Rahmen von „Mexibility“ stand Mitte Oktober die
Ausstellungseröffnung von Christoph Faulhaber in der Casa del Lago kurz
bevor und hielt doch noch einige Fallstricke bereit. Der Siebdruck, der die
gewaltgeprägten Titelseiten der mexikanischen Boulevardpresse als Collage
auf zusammengenähten Bananenblättern abbilden sollte, missglückte beim
ersten Versuch. Und ein ausrangiertes Polizeifahrzeug, Modell „Dodge
Charger“, zu kaufen, erwies sich als extrem schwierig.
Zudem war sich Victor Palacios, der Kurator des Kulturzentrums im Parque
Chapultepec nicht sicher, ob Faulhabers entschärfter Entwurf einer Fahne
mit dem Schriftzug „Mierda“ (dt.: Scheiße) im Logotype der offiziellen
mexikanischen Tourismuskampagne durchgehen würde. „Ein Anruf und das Ding
ist vom Dach“, so Palacios.
Mit einer Mischung aus Sturheit und Neugier lässt sich der risikofreudige
Hamburger Künstler bei seiner Arbeit auf die vorgefundenen Verhältnisse ein
– immer auf der Suche nach den Grenzen mexikanischer Befindlichkeit und des
guten Geschmacks. Faulhabers Ausstellungstitel zeugt davon:
„Mexicanización: la obra de arte como soberana reproducción del castigo“
(dt.: Mexikanisierung. Das Kunstwerk als souveräne Reproduktion der
Strafe).
## Gärten der Nachbarschaft
Andere wie die Künstlerin Marjetica Potrc und ihre zwölf Hamburger
Design-Studenten stehen noch am Anfang ihres Mexibility-Projekts zum Thema
ökonomische Mobilität. Mitte Oktober waren sie zu dritt für eine
Vorrecherche in Mexiko angekommen und besuchten „Huerto Roma Verde“, einen
großen Nachbarschaftsgarten im bürgerlichen Stadtteil südliches Roma. Gerne
würden sie mit der Initiative, die an die Kreuzberger Prinzessinnengärten
erinnert, zusammenarbeiten. Auch wenn an diesem Sonntag ein greller
Katzen-Event mit Hüpfburg und Tombola überraschend Trubel verbreitet, der
die deutschen Gäste kurzzeitig aus dem Konzept bringt.
Im nördlichen Roma, nur zehn Blöcke entfernt, aber in einem typischen
„White Cube“, zeigt die Kölner Fotografin Candida Höfer in der Galerie OMR
den ersten Teil ihrer großformatigen Serie „In Mexiko“.2015 war die
ehemalige Becher-Schülerin auf Anregung der Galeristin Patricia Ortiz
Monasterio nach Mexiko gereist, um auf ihre eigene und präzise Weise
detailreich die Innenräume von Museen, Konzertsälen, Kirchen und
Bibliotheken in Städten wie Guadalajara, Guanajuato, Oaxaca, Puebla oder
Mexiko Stadt festzuhalten.
## Palacio de las Bellas Artes
Normalerweise herrscht in den Ausstellungen des vis-à-vis der
Nationalgalerie gelegenen „Palacio de Bellas Artes“ reges Kommen und Gehen.
Doch die Fotografin zeigt den großen Saal des 1934 eröffneten Kulturpalast
in einer für sie typischen Aufnahme – menschenleer. Zentral ausgerichtet
fällt der Blick auf das Panorama der Vulkane Popocatépetl und Iztaccíhuatl,
auf einen prächtigen Bühnenvorhang aus Tiffany-Glas.
In scheinbarem Widerspruch gelingt es Candida Höfer mit ihren
sachlich-distanzierten Fotografien Räume zu porträtieren, die gleichzeitig
von Kultur und Geschichte des Landes erzählen. Zum Ende des
Deutschlandjahres, im Frühjahr 2017, wird das Goethe-Institut ihre
komplette Mexiko-Serie aus 25 großen und 13 kleineren Formate in Museen in
Puebla, Mexiko-Stadt und Monterrey präsentieren.
14 Nov 2016
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Mexiko
Brasilien
Kolumbien
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die brasilianische Tropicálismo-Bewegung: Jazz, Bossa Nova, Psychedelic-Rock
Vor 50 Jahren begann in Brasilien die künstlerische Bewegung Tropicália.
Jetzt erscheint ein Album von damals wieder, ein neues wird veröffentlicht.
Héctor Abad über seinen neuen Roman: „Verpflichtung, optimistisch zu sein“
Der Vater des kolumbianischen Autors wurde von Rechten ermordet. Auf ein
Ende der Gewalt hoffend, schöpft Abad in „La Oculta“ aus der eigenen
Familienbiografie.
Literatur aus Kolumbien: Nahendes Unwetter in der Karibik
Ein Geheimtipp der kolumbianischen Literatur: Tomás González und sein
spannungsgeladener Roman „Was das Meer ihnen vorschlug“.
Tatiana Huezo auf der Berlinale: „Ein Tropfen im Ozean“
In „Tempestad“ erzählt Dokumentarfilmerin Tatiana Huezo vom organisierten
Verbrechen in Mexiko und von einer deformierten Gesellschaft.
Argentinische Autorin über das Nationale: „Eine Art launisches Archiv“
María Sonia Cristoff greift in ihrem neuen Roman „Lasst mich da raus“ die
Idee des Nationalen an und erzählt, wozu Provinz gut sein kann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.