# taz.de -- Leuchten der Menschheit: Todesengel, Herkunft und Aura | |
> Bohrer, Habermas, Kluge, Luhmann, die Revolution und die Ästhetik des | |
> Schreckens: Auf dem Kritikerempfang der Buchmesse ist alles ein bisschen | |
> anders. | |
Bild: Kein Kritikerempfang, sondern das Fachpublikum auf der Buchmesse in Frank… | |
Klappe, die, ich weiß nicht wievielte, schon wieder ist Kritikerempfang, | |
also bei der Frankfurter Buchmesse am Mittwochnachmittag, Suhrkamp Verlag, | |
Villa Unseld, der innere Zirkel der deutschen Literaturkritik ist gekommen, | |
wirklich jung ist hier niemand, das ist beruhigend und beunruhigend | |
zugleich, etwas ist ganz anders als sonst, vielleicht muss an dieser Stelle | |
das Wort Zäsur stehen. | |
Also etwas ist anders als sonst. Nicht Ulla Unseld-Berkéwicz spricht zwei | |
Sätze zur Begrüßung und verliest die Namen der anwesenden Suhrkamp-Autoren, | |
sondern der neue Verleger Jonathan Landgrebe spricht zwei Sätze und | |
verliest die Namen der Autoren, aus seinem Mund klingen sie profaner, das | |
ist gut. | |
Der Literaturtheoretiker und langjährige Merkur-Herausgeber Karl-Heinz | |
Bohrer liest aus seinem Manuskript „Jetzt“, er schickt seinen Erzähler | |
durch Paris, lässt ihn über die Zeit nachdenken. „Jetzt“ ist nach | |
„Granatsplitter“ (2012) der zweite Teil seiner autobiografischen Erzählung. | |
Bohrer trifft Habermas, Kluge setzt zum „ermunternden ‚ja, ja‘ an“, Luh… | |
übt Kritik: „Ist mein Einwand richtig, dass sie nur die Revolution | |
interessiert, nicht aber, worum es in der Revolution geht?“ Der Todesengel | |
der Revolution Saint-Just spricht ohne Gefasel, die Guillotine erscheint | |
als triumphaler Ort des Subjekts, aber ist doch bloß weltlich im Vergleich | |
zum größten Symbol des Ewigen, dem Kreuz. | |
## Kein Spannungsbogen | |
Die kurzweiligste Lesung seit Langem, Bohrer springt in sein Thema und alle | |
springen irgendwie hinterher, in sein altes Thema: Ästhetik des Schreckens, | |
Faszination der Plötzlichkeit und „schiere Ereignisform“. Am Ende doch kein | |
Spannungsbogen: „Es ging ja nur um das Jetzt.“ | |
Später ist Didier Eribon unter den Gästen, man kann beobachten, was in | |
seinem Buch „Rückkehr nach Reims“ zu lesen ist – über den Habitus. | |
Herkunft, Aura, Gewalt, das Selbst in seinem Rahmen hämmert es in meinem | |
Kopf, während Eribon nie seine Knie durchstreckt. Bohrer nimmt sich den | |
Raum, Eribon sucht einen Platz in ihm. | |
Wir sprechen über Foucaults Teppich, Foucaults Mutter, Foucaults vierten | |
Band von „Sexualität und Wahrheit“, Eribon sagt, draußen fragen ihn die | |
Linken, was sie tun sollen, und im Fernsehen gefalle er sich nicht. Er | |
spricht leise. | |
Am Ende sagt er, „jetzt, da wir Freunde sind“, und lächelt. | |
24 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Tania Martini | |
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