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# taz.de -- Half Girl und „All Tomorrow's Monsters“: Rock it like Half Girl
> Lauter Persönlichkeiten des deutsch-österreichischen Indierock finden bei
> Half Girl zueinander. Das Warten auf ihr Debütalbum hat sich gelohnt.
Bild: Nicht nur Flötistinnen der Extraklasse: Half Girl
Neulich im Berliner Club ausland: Spannung liegt in der
alkoholgeschwängerten Luft. Die sich sonst lässig gebende Szeneprominenz
tippelt unruhig von einem Bein aufs andere. Es soll diese Band auftreten,
die aus lauter Persönlichkeiten des deutsch-österreichischen Indierock
besteht.
Eine All-Girl-Band, die von Donald Duck und von Sixties-Pop, von Monstern
und [1][Motörhead], von Krach und Kinderliedern beeinflusst ist und die
nun, nach langen Jahren des Wartens, ihr Debütalbum „All Tomorrow’s
Monsters“ veröffentlicht.
Half Girl heißt die Gruppe, von der die Rede ist – und der Abend wird
wahrlich eine Sause. Sängerin Julie Miess, die man von den Bands Britta und
Mutter kennt, steht vorn am Keyboard und scheint dabei das Mikrofon
manchmal fast verschlingen zu wollen, während sie Songs wie [2][„Girl In A
Band“] oder „Bootyman“ singt. Ihre Band spielt guten, alten, handgemachten
Rock ’n’ Roll, der wie für verschwitzte, karge Clubs gemacht scheint. Die
aufgestaute Spannung entlädt sich in zuckenden Beinen und in Singalongs.
Half Girl rocken. Und wie.
Wenige Wochen später sitzen Half of Half Girl in einer Kneipe in Kreuzberg
61, namentlich Sängerin Julie Miess und Bassistin Gwendolin Tägert. Bei
einer Weißweinschorle machen sie Witzchen untereinander. Beide sind seit
fast 20 Jahren in verschiedenen Bands aktiv, Tägert ist auch Bassistin und
Sängerin der LoFi-Pop-Band Mondo Fumatore.
## Hippieske Unbeschwertheit
Half Girl aber sind etwas Besonderes für sie – wie sie jetzt erst bei einer
Mini-Tour feststellte: „Die Strapazen lohnen sich. Es macht einfach
Riesenspaß und bringt so viel Freude. Hört sich hippiemäßig an, aber es ist
auch eine hippiemäßige Freude, die da rauskommt.“
Ein bisschen hippieske Unbeschwertheit klingt auch in den 13 Songs des
Albums an, die sich zwischen frühem Rock ’n’ Roll und Indie- oder Noiserock
bewegen, bei den Refrains gibt es oft mehrstimmigen Gesang. Die andere
Half-Girl-Hälfte – Anna-Leena Lutz (Ex-Die Heiterkeit) und Vera Kropf
(Luise Pop) – mischt da tatkräftig mit.
Dabei existieren Half Girl bereits seit 2009, in frühen Bandtagen bediente
[3][Jens Friebe] noch die Bassgitarre – er musste, wie er selbst nun im
Bandinfo schreibt, nach „amourösen Verwerfungen“ sein Amt niederlegen. Zur
jetzigen Bandkonstellation fand man 2013.
Die Monsterthematik in den Songs („Monstergang“, „There’s a monster in …
a monster in me“) kommt nicht von ungefähr. Miess hat vor einigen Jahren
ihre [4][Doktorarbeit als Kulturwissenschaftlerin] zum Genre Horror
geschrieben – der Band gibt sie nun ein Metathema. „Ich finde, mit
künstlichen Charakteren wie den Monstern lässt sich das Reale besonders gut
beschreiben“, sagt sie.
## Sexismus im Musikgeschäft
Musikalisch bringen alle vier hörbar unterschiedliche Einflüsse mit.
Angesichts der Referenz im Titel – „All Tomorrows’s Parties“, Velvet
Underground – überrascht es nicht, dass Bassistin Tägert Lou Reed und
dessen Band als wichtigen Input nennt, aber genauso Dinosaur Jr. oder
Hüsker Dü. Für die sperrigeren Klänge ist wohl Miess verantwortlich: „Die
Musik, die ich am Tollsten fand, war eigentlich immer Krach. Schöner Krach.
Ich fand die Band Mutter, bei der ich jetzt Keyboard spiele, auch vorher
schon super. Aber ich merke, dass mich auch Lieder aus meiner Kindheit,
also Kirchen- und Kinderlieder beeinflusst haben.“ Ein weiterer Einfluss:
Julie Miess’ kürzlich verstorbener musikalischer Seelenverwandter Lemmy
Kilmister. Dem widmete sie auch ein Stück: [5][„Lemmy, I’m A Feminist“].
Ist ihnen das All-Girl-Etikett wichtig? „‚All-Girl‘ klingt nach
sympathischen US-amerikanischen Sixties-Bands, von daher gar nicht
schlecht“, sagt Miess. „Eigentlich ist es etwas absurd, sich Girlband zu
nennen, wo wir beide doch über vierzig sind.“
Andererseits kann man angesichts des Sexismus im Musikgeschäft wohl gar
nicht genug die Women-Power betonen. „Es passiert zwar nicht mehr so oft,
dass du in einem Club von einem männlichen Mischer herablassend behandelt
wirst“, erzählt Miess, „aber wenn es passiert, fühlt es sich schlimm an.�…
Neben Half Girl haben alle Musikerinnen Zweit- und Drittbands und Dayjobs –
Miess arbeitet in einem wissenschaftlichen Verlag und Tägert, übrigens die
Schwester von Comiczeichner Fil, im Schöneberger Scheinbar Varieté.
„Natürlich ist das nicht immer alles easy, es ist auch harte Arbeit“, sagt
Miess, „du tourst und gibst dafür deinen ganzen Urlaub her oder sagst
Aufträge ab. Wir alle stehen ja auch unter existenziellem Druck.“ Ein
bisschen easier wird alles für sie erst dann, wenn sie ihre gut gelaunten
Hymnen herunterrocken können.
26 Oct 2016
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=1iwC2QljLn4
[2] https://www.youtube.com/watch?v=P2m-llFHxr4
[3] https://www.youtube.com/watch?v=IC55prDOUvU
[4] /Archiv-Suche/!5172578&s=/
[5] /!5066980/
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Rock'n'Roll
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