Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nachteile des Flughafenausbaus: Das Treibhaus London
> Europas meistgenutzter Großflughafen soll noch größer werden. Dabei gibt
> es in London schon jetzt fünf Flughäfen, viel Lärm und Smog.
Bild: In London sind bereits fünf Flughäfen, die Belastung für die Anwohner …
London taz | Im Fitnessclub sitzt mittwochs die Runde der
Gesundheitsenthusiasten vereint. Es geht um das aktuelle Thema der Woche.
Diesmal: Londons größter Flughafen Heathrow, dessen Ausbau die britische
Regierung jetzt beschlossen hat – und sich damit einen handfesten Krach
beschert.
„Mir ist Heathrow voll egal“, sagt der nassgeschwitze 65-jährige Andrew.
„Die 30 U-Bahn-Stationen nach Heathrow spar ich mir gerne. Ich fahr viel
lieber nach Stansted, das ist ganz einfach.“ Stansted ist kleiner, weit
nördlich von London. „Einfach schon – aber teuer“, antwortet Louise auf …
Badefrottee. Die Schnellzüge aus London an die Flughäfen gehören zu den
teuersten des Landes – nach Heathrow fährt immerhin die U-Bahn.
In Heathrow startet oder landet ein Flugzeug alle 45 Sekunden. Europas
größtes Luftdrehkreuz wird mit 97-prozentiger Auslastung betrieben, eine
Glanzleistung, aber auch ein Riesenstress, weil jede Verspätung die enge
Taktung und damit den Flugplan durcheinanderbringt. Heathrow ist auch eine
Geldquelle, mit gigantischen Einkaufsmöglichkeiten. 76.000 Londoner
arbeiten hier.
Da fehlt der Raum zum Wachstum. Andere Flughäfen machen Heathrow die
Stellung streitig. Das gilt es zu verhindern, gerade jetzt mit dem Brexit.
## Die Gesundheit steht auf dem Spiel
Eine dritte Start- und Landebahn für Heathrow ist seit 15 Jahren im
Gespräch. In der Geschäftswelt ist es die attraktivste Option, aber für die
Gesundheit der 8,7 Millionen Londoner keineswegs die beste. Die meisten
Flugzeuge, die Heathrow anfliegen, müssen nämlich ihren Landeanflug direkt
über der Stadt vollbringen und kreisen oft mehrmals über der Metropole bis
zur Landeerlaubnis. Die Emissionen werden dabei über ganz London verteilt.
Für Londoner, die auch ohne Flugverkehr an der europäischen Spitze in
Sachen Luftverschmutzung leben, ist dies nicht nur ein enormes Problem,
sondern lebensgefährlich. Hinzu kommt der Dauerfluglärm.
Noch mehr Kapazitäten in Heathrow lösen diese Probleme nicht, im Gegenteil.
Sie helfen Durchreisenden: Die sollen in immer größerer Zahl in Heathrow
stoppen und shoppen. Die Londoner selber haben schon fünf Flughäfen. Aber
als Sadiq Khan, neuer Labour-Bürgermeister, den kleinen City Airport
renovieren wollte, regten sich einzig die Grünen auf: Sie wollen den
Flughafen abreißen und da Wohnungen bauen.
Als vor 2010 Labour in Großbritannien regierte, waren die Konservativen
gegen den Ausbau Heathrows. Theresa May, heute Premierministerin und schon
damals Wahlkreisabgeordnete für das nahe Maidenhead, sprach von einer
„Untergrabung der nationalen Klimaschutzziele“. Nach dem Machtantritt der
Konservativen unter David Cameron 2010 war aber wieder alles offen.
Jahrelang wurde geprüft: Heathrow ausbauen? Gatwick? Oder gar – ein
Steckenpferd des konservativen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson –
Heathrow schließen und eine gigantische Flughafeninsel mitten in der
Themse-Mündung bauen?
## Die einzige sinnvolle Lösung
Nach Camerons Wiederwahl 2015 kamen Untersuchungen zum Schluss, nur ein
Ausbau Heathrows habe Sinn. Doch Cameron drückte sich vor einer
Entscheidung, denn wichtige Parteifreunde waren dagegen: Boris Johnson
eben, auch dessen designierter Nachfolger Zac Goldsmith, der bei der
Londoner Bürgermeisterwahl 2016 gegen Sadiq Khan unterlag. Sein
Westlondoner Wahlkreis Richmond Park ist einer der reichsten und
fluglärmgeplagtesten des Landes.
Nachdem am Dienstag ausgerechnet Theresa May einer dritten Start- und
Landebahn in Heathrow den Segen gab, machte Goldsmith Ernst, trat aus der
Partei aus, legte sein Mandat nieder und erzwang eine Nachwahl, die er als
Unabhängiger gewinnen will. Seine Chancen stehen gut. Die meisten Politiker
Londons sind gegen den Ausbau, auch Sadiq Khan. Es ist nicht einmal klar,
wie viel das Vorhaben kostet. Ganz abgesehen davon, dass mehrere Dörfer
weichen müssten.
Beim Rausgehen aus der Sauna fällt Andrew ein, dass man nach Stansted auch
mit dem Bus kann. Ab fünf Pfund, steht in der Werbung.
30 Oct 2016
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Flughafen
London
Kolumne Stadtgespräch
Gatwick
Fliegen
Großbritannien
Großprojekte
Schwerpunkt Brexit
Madrid
Großbritannien
Europa
Taxi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Luftverkehr in Großbritannien: Gatwick lahmgelegt
Der Einsatz einer Drohne führt zu massiven Einschränkungen des Luftverkehrs
in London. Über die Täter wird noch gerätselt.
Flughafen-Erweiterung in London: Heathrow bekommt umstrittene Piste
Nach langem Streit hat die britische Regierung den Ausbau des Flughafens
Heathrow genehmigt. Wohngebiete müssen nun geräumt werden.
Luftverschmutzung in London: Mit der Atemmaske in die Schule
Sadiq Khan, Bürgermeister der britischen Hauptstadt, setzt sich für
sinkende Stickstoffemissionen ein. Ein Mittel: eine Emissionsmaut im
Zentrum.
Stopp des Flughafenausbaus in Wien: Gericht urteilt für den Klimaschutz
2 Prozent mehr CO2 durch den Flughafen Wien? No way, sagt das
Bundesverwaltungsgericht. Und stoppt den Ausbau der geplanten dritten
Piste.
Gerichtsentscheidung zum Brexit: Das Publikum vor dem Supreme Court
Neben einschlägig Verdächtigen tauchen ein paar Normalbürger vor dem
Gericht auf. Sie haben alle eine Meinung zum Brexit.
Kommentar Luftverschmutzung in Madrid: Nur die Hälfte der PKWs fährt
„Ideologisch“ nennen konservative Politiker das Madrider Fahrverbot. Dabei
sterben dort jährlich 2.000 Menschen an schlechter Atemluft.
Tote und Verletzte bei Messerattacke: Londons diffuse Terrorangst
Nach einem tödlichen Amoklauf mitten in Londons Touristenviertel bleiben
viele Fragen offen. Die Häufigkeit seltsamer Vorfälle nimmt zu.
Studie der Weltgesundheitsorganisation: Schlechte Luft kostet Billionen
Luftverschmutzung macht Hunderttausende krank und verursacht so auch
volkswirtschaftliche Schäden. Die WHO mahnt Reformen an.
Das Ende der „Black Cabs“: Der Londoner Wendekreis
Die schwarzen Taxen in London verschwinden. Falsche
Unternehmensentscheidungen sind ein Grund. Das schadet aber nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.