Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fremdgehen in China: Affäre beenden, Scheidung verhindern
> Chinesische Männer haben oft Affären. Die betrogenen Frauen beauftragen
> oft eine Agentur. Die soll die Zweitfrau zum Schlussmachen bewegen.
Bild: Das Pekinger Ausgehviertel Sanlitun: Ganze Wohnkomplexe sollen hier von Z…
Die grüne Bluse ist aus feiner Seide, der schwarze Blazer faltenfrei, die
Frisur sitzt. Und im schwarz polierten Lack ihrer hochhackigen Schuhe
spiegelt sich das Tageslicht. Keine Frage: Xia Li will seriös wirken.
Schließlich gehe es um eine äußerst finanzkräftige Klientel, sagt sie. Ihr
Erscheinungsbild ist ihr Aushängeschild.
Xia hatte einst bei der chinesischen Partnervermittlung Baihe angeheuert,
um einsame Menschen zusammenzubringen. Nun macht die 44-Jährige bei Chinas
größter Online-Partnerbörse genau das Gegenteil: Sie treibt Liebende
auseinander. Ein Premiumdienst: Bis zu umgerechnet 50.000 Euro sind die
zumeist weiblichen AuftraggeberInnen zu zahlen bereit, wenn sie den Dienst
von Xia in Anspruch nehmen. Sie ist inzwischen die Leiterin der Abteilung.
Sie vermittelt Agentinnen, die im Auftrag von Ehefrauen Jagd auf
Nebenbuhlerinnen machen. Zuweilen ist Xia auch selbst als Agentin im
Einsatz. Wobei sie die Bezeichnung „Jagd“ nicht mag. Vielmehr, so sagt sie,
suchen sie und ihre Mitarbeiterinnen die Mätressen auf und versuchen sie
auf freundliche Art davon zu überzeugen, sich von dem verheirateten Mann zu
trennen. „Wir bringen den Leuten emotionale Verantwortung bei und wie man
einen Menschen wirklich liebt“, sagt Xia. „Wir verhindern Scheidungen.“
Bekämpfe deinen Feind nicht mit Wut und Hass, sondern versuche ihn zur
freiwilligen Aufgabe zu bewegen. Diesem Motto hat sich Li verschrieben.
Sie berichtet von einer Klientin, ihr Fall sei exemplarisch: Über mehrere
Jahre hatte der Ehemann die Frau betrogen. Die Ehefrau habe das sehr rasch
mitbekommen, erzählt Xia. Der Gatte sei abends spät nach Hause gekommen,
fahrig gewesen und habe seiner Frau kaum noch zugehört. Einmal habe sie
dann mitgekriegt, wie er mit der anderen telefonierte. Doch ansprechen
wollte sie ihn darauf nicht. „Sie schämte sich“, berichtet Xia. Das sei
typisch für viele Ehefrauen in China. Sie betrachten es als eigenes
Versagen, wenn der Gatte fremdgeht.
## Affären werden lieber ertragen als den Bruch zu wagen
Außereheliche Affären sind im Reich der Mitte vor allem unter reichen und
mächtigen Männern weit verbreitet. Nicht wenige leisten sich sogenannte
Xiaosan. Dabei handelt es sich um Zweitfrauen, denen die Männer oft den
Lebensunterhalt samt Luxuswohnung und Privatauto finanzieren. Nicht selten
haben diese Frauen auch Kinder von den Ehebrechern.
Aus einer Studie der Volksuniversität Peking aus dem Jahr 2012 geht hervor,
dass rund 95 Prozent der Parteimitglieder, gegen die auch wegen Korruption
ermittelt wurde, mindestens eine Mätresse halten. In der Nähe des Pekinger
Ausgehviertels Sanlitun gibt es ganze Wohnkomplexe, die dafür bekannt sind,
vor allem von Zweitfrauen bewohnt zu werden.
Wenn die Ehefrauen vom Zweitleben ihrer Gatten erfahren, fühlen sie sich
den Betrügereien oft hilflos ausgesetzt. Zwar ist in kaum einem anderen
Land die Scheidungsquote so sehr in die Höhe geschnellt wie zuletzt in
China. Sie hat in den vergangenen zehn Jahren um fast 70 Prozent
zugenommen. Allein 2015 standen den rund 14 Millionen geschlossenen Ehen
rund 3,8 Millionen Scheidungen gegenüber. Das ist prozentual mehr als in
Europa. 10.000 Ehen gehen im Reich der Mitte täglich zu Bruch.
Doch viele Ehefrauen scheuen eine offene Auseinandersetzung mit ihrem
Gatten. Ihre Angst vor dem gesellschaftlichen und finanziellen Abstieg
sitzt tief. Eine geschiedene Frau, die älter als 35 Jahre alt ist, gilt in
China als nicht mehr vermittelbar. Lieber ertragen sie die Affären ihrer
Ehemänner als den Bruch zu wagen.
Die Firma Baihe, für die Li Xia arbeitet, ist nicht das erste Unternehmen,
das im Aufspüren von Mätressen ein lukratives Geschäftsmodell gefunden hat.
Die Agentur Weiqing hat sich bereits seit dem Jahr 2001 darauf
spezialisiert, Mätressen davon zu überzeugen, ihre Affären zu beenden.
## Dabei helfen, ehrliche Männer zu finden
300 Agentinnen in mehr als 30 Städten sind für Weiqing im Einsatz. Die
meisten von ihnen sind Psychologinnen, Juristinnen oder selbst ehemalige
Betroffene. Gegenüber den Mätressen geben sie sich als Nachbarinnen aus,
Haushaltshilfen oder Babysitterinnen und versuchen, auf diese Weise
Vertrauen herzustellen. Auch als Wahrsagerin habe sich eine der Agentinnen
schon ausgegeben. Weiqing-Gründer Shu Xin wird in chinesischen Medien
zitiert. Seine Agentur rette nach eigenen Angaben jedes Jahr 5.000 Ehen.
Auch Konkurrent Baihe kann über Auftragsmangel nicht klagen. „Wir erleben
einen wahren Boom“, sagt Agentin Xia. Sie müsse Aufträge wegen Überlastung
ablehnen. Bis zu zwei Monate könne ein Fall dauern, berichtet Xia. Ihre
Agentinnen müssten die Mätressen erst einmal ausfindig machen. Dann müssten
sie sich intensiv mit dem Lebensstil dieser Zweitfrauen befassen. Um an sie
heranzukommen, werde etwa die Nachbarwohnung gemietet. Oder es würden
regelmäßig die Cafés, Restaurants und Boutiquen aufgesucht, die die
Mätressen aufsuchen.
Erst wenn eine Freundschaft geschlossen und Vertrauen aufgebaut ist, sei es
für die Agentinnen möglich, das Gespräch auf das Intimleben der Mätressen
zu lenken. Und das sei der schwierigste Schritt. Denn nun gelte es, die
Frauen davon zu überzeugen, dass es besser sei, sich ein eigenes Leben
aufzubauen: „Müssen Sie nicht ständig warten, bis der Mann auftaucht? Wie
sieht es mit der Familienplanung aus? Was sagen Sie Ihren Eltern? Hat nicht
immer die Ehefrau Priorität?“ Viele dieser Frauen seien äußerst
misstrauisch, berichtet Xia. Das koste Zeit. Daher auch die hohen Preise.
Erst wenn sicher ist, dass die Nebenbuhlerin sich auch wirklich nicht mehr
mit dem Gatten trifft, ist die Mission beendet. Gelingt Xias Agentinnen das
nicht, muss ihre Firma das Geld an die Auftraggeberin zurückzahlen. Das
steht so im Vertrag.
Ob sie mit dem Ausspionieren der Mätressen nicht zu sehr die Privatsphäre
anderer Menschen verletze? Xia kennt da keine Gewissensbisse. Schließlich
basierten auch die Affären der Mätressen auf Lüge und Betrug. Sie wolle
nicht über diese Frauen urteilen, betont Xia. Im Gegenteil: Vielmehr will
sie ihnen dabei helfen, ehrliche Männer zu finden. Und damit ist Xia doch
wieder bei dem Job angelangt, für den sie eigentlich angeheuert hatte: Sie
will wahre Liebende zusammenführen.
18 Oct 2016
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Affäre
Scheidung
Lesestück Recherche und Reportage
Väterrecht
Babys
Sigmund Freud
Kinderehe
Japan
Mutterschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Urteil zum Umgangsrecht leiblicher Väter: Kinder entscheiden
Gerichte müssen Kinder anhören. Wenn das Kind nichts von seinem leiblichen
Vater weiß, muss es darüber grundsätzlich informiert werden.
Steigende Geburtenrate: Importierte Geburtshilfe
Die Geburtenrate pro Frau ist in Deutschland auf dem Höchststand. Geholfen
haben die Frauen mit nicht deutscher Staatsanghörigkeit.
Sigmund Freuds Sexualität: Im Kopf des Meisters
Peter-André Alt hat eine Biografie über Freud verfasst. Er will
herausgefunden haben, wie der Analytiker selbst seine Libido sublimiert
hat.
Kinderehen in Deutschland: Keine Hochzeit unter 18
Die Regierung will religiöse und standesamtliche Trauungen Minderjähriger
verbieten. Bisher gab es noch Ausnahmen ab 16 Jahren.
Frauen in der japanischen Politik: Außenseiterinnen im Establishment
In Japan kommen plötzlich Frauen an die Macht, die Klischees und
Konventionen ignorieren. Das ist aber noch kein Indiz für Feminismus.
Mythos Mutterschaft: Ach, Mutter
Die eine bereut, Mutter geworden zu sein. Die andere hat ihre Kinder nach
der Trennung beim Vater gelassen. Wie Frauen eine alte Rolle neu
interpretieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.