# taz.de -- Zu Besuch im Paradies: Nachhaltig superreich | |
> In den 1960er Jahren feierte im spanischen Sotogrande der Jetset. Heute | |
> möchte man dort – auf eher diskrete Art – unter sich bleiben. | |
Bild: Sotogrande sieht man den Luxus schon aus der Luft an | |
Die Umgebung von Malaga und Marbella bis hin nach Jerez ist karg und | |
schwach besiedelt, sobald man die Küste verlässt. Umso grüner erscheint das | |
sich über zwanzig Quadratkilometer erstreckende Grün von Sotogrande, umso | |
satter sein Wohlstand, den in den sechziger und siebziger Jahren Jackie und | |
Aristoteles Onassis und Maria Callas genossen. Später kamen Prinzen, | |
Bankiers und Politiker, Stars und Sternchen, der Herzog von Anjou, Tony | |
Blair, Mariah Carey, Antonio Banderas, der Prinz von Brunei. | |
In Sotogrande traf sich in den sechziger Jahren die High Society Spaniens | |
und Europas. Es gibt Aufnahmen dieser Zeit mit ihrem Glamour der frühen | |
Bond-Filme, vor allem der Fotograf Slim Aarons hat sich um die | |
Dokumentation jener Jahre verdient gemacht. | |
Was die Schickeria, die keine sein wollte, anzog, waren nicht nur Sonne und | |
Süden, sondern die Diskretion des Orts. Die aufwändigsten – von außen oft | |
unscheinbaren Häuser – lagen und liegen ein paar Kilometer entfernt vom | |
Meer. | |
Das Stück Küste, das zu Sotogrande gehört, ist bebaut wie im Bilderbuch: | |
Keine Hochhäuser, nur gepflegte, farbenfroh gestrichene Bauten von | |
mittlerer Höhe und mit viel akkurat manikürtem Grün. Im September ist der | |
breite Sandstrand fast leer, jedenfalls an Vormittagen. Im Hafen ankern | |
schneeweiße Jachten. | |
Es ist eine Welt, in der sich ein Golfplatz fast nahtlos an den nächsten | |
reiht – sechs sind es insgesamt, drei davon gehören zu den Top-Golfplätzen | |
Spaniens. Hinzu kommen vier Poloclubs, deren Turniere jeden Sommer Tausende | |
reiche Besucher anziehen. Der englische Prinz Harry hat hier schon gespielt | |
und der venezolanische Bankier und Unternehmer Victor Vargas. Wer im | |
September über die an die Turnierfelder angrenzenden Wiesen wandert, tritt | |
immer noch auf die Champagnerkorken vom August. | |
## Eine „internationale Community“ | |
7.000 Haushalte gibt es in Sotogrande inzwischen, doch nur rund 2.500 davon | |
sind ganzjährig bewohnt. Wer hier lebt, dem steht eine ausgezeichnete | |
Infrastruktur zur Verfügung, sehr gute medizinische Versorgung und eine | |
hoch moderne internationale Schule, in der 800 Schüler bis zum | |
Internationalen Baccalaureate lernen können. | |
Von außen kommend ist es schwer zu sagen, wo die Idealwelt von Sotogrande | |
anfängt. Dann aber schwant einem: Sotogrande ist da, wo keine Farbe von den | |
Häusern blättert, wo alles bestimmten Geschmacksprinzipien – eines | |
idealisierten Spanien – unterworfen ist, wo sich immer wieder | |
Sicherheitsschranken öffnen und schließen, ohne dass es sich um eine Gated | |
Community handelt, trotz des omnipräsenten Wachpersonals. Alle, die Lust | |
haben, können in Sotogrande ein- und ausgehen, man hat nur eben ein Auge | |
auf sie. Am liebsten möchten die, die das schöne, künstliche Paradies heute | |
bewerben, von einer „internationalen Community“ sprechen. | |
Sotogrande ist kein gewachsener Ort, sondern eine Schöpfung aus dem Geiste | |
des Luxus. Den Anfang machte 1962 der philippinische Geschäftsmann Joseph | |
Rafael McMicking, der das Gelände, auf dem zu Beginn nur ein paar Fincas | |
standen, erwarb. Der erste Poloclub entstand am Strand, die unkomplizierte | |
KE-Bar war damals wie heute der Treffpunkt zum Sehen und Gesehenwerden. | |
Später ging Sotogrande in die Hände der Hotelgruppe NH Hotels über, die | |
dort in kleinen Trauben zusammenstehende Häuser und ein paar Hotels der | |
Mittelklasse errichtete, die dem Biotop der gehobenen Bourgeoisie und des | |
Adels ein demokratischeres, zugänglicheres Ansehen gaben. | |
Anfang der 2000er Jahre sorgte eine gut ausgebaute Autobahn von Malaga mit | |
seinem von vielen Orten der Welt leicht erreichbaren Flughafen für eine | |
bessere Verkehrsanbindung; auch das nahe gelegene Steuerparadies Gibraltar | |
besitzt inzwischen einen Airport. Bald gibt es Direktflüge nach Abu Dhabi, | |
Delhi und Dubai. Damit ist Sotogrande einerseits gut erreichbar und perfekt | |
vernetzt, aber zugleich liegt es immer noch weit genug vom Touristenrummel | |
von Billigorten wie Torremolinos und lauten Promi-Zielen wie Marbella | |
entfernt. Vor allem von Marbella mit seinem neureichen Geprotze – wie in | |
Sotogrande immer wieder anklingt – will man sich absetzen. | |
## Luxus in Flipflops ist das Motto | |
Sotogrande profitiert heute davon, dass die Superreichen nicht nur immer | |
reicher, sondern auch immer zahlreicher werden – und seine derzeitigen | |
Besitzer, Cerberus Capital Managers and Orion Capital Management, die | |
Sotogrande 2014 für 225 Millionen Euro kauften, reagieren darauf. | |
Sotogrande-CEO Marc Topiol hat die Zahlen und Strukturen des Reichtums in | |
Europa im Kopf, er weiß wie viele Menschen mit „High Networth“ und „Ultra | |
High Networth“ zu beziffern sind. Denn Sotogrande will wieder zurück zu | |
seinen Anfängen als Rückzugsgebiet für Millionen- und Milliardenschwere. Im | |
Gegenzug verspricht es zwei Dinge, die man, wie Marc Topiol sagt, für Geld | |
nicht kaufen kann: Sicherheit und Diskretion. Das Ganze ist | |
familienorientiert und entspannt: Luxus in Flipflops ist das Motto; man | |
möchte einen lässigen Lebensstil verkaufen und nicht nur Immobilien. | |
Das erschwingliche, von der NH-Kette errichtete Hotel Almenara soll Ende | |
des Jahres schließen und in ein deutlich luxuriöseres Etablissement | |
umgewandelt werden. Die Bebauung in Clustern weicht der Errichtung teurerer | |
Einzelhäuser – mehr als 200 sind im Lauf der kommenden Jahre geplant. Im | |
Herzen des Ganzen entsteht mit La Reserva eine Gated Community, an deren | |
Grenzen sich die Schranken nur für einige wenige öffnen und auf deren | |
Gebiet sieben von namhaften Architekten geplante Luxusvillen entstehen | |
werden. Ein Country-Club, der Zugang zu Aktivitäten wie Golf, Polo und | |
einer noch entstehenden Beach-Lagune erlaubt, steht im Mittelpunkt, ideal | |
zum Networking auch in der Freizeit, wie man annehmen darf. | |
Ruhesuchende mit dicken Portemonnaies strecken schon ihre Fühler aus; | |
Real-Madrid-Fußballer Gareth Bale mietete Ende Juli mit seiner Familie eine | |
der Villen, die unter anderem mit Konzertflügel, Kino, Fitnessstudio, Kino | |
und zwei Swimmingpools ausgestattet ist – alles in unaufdringlichen | |
Weiß-Beige- und Grautönen, für um die 1.700 Euro pro Nacht in der | |
Nebensaison. Der Polospieler Jamie Le Hardy, der nicht nur einen Namen wie | |
eine Romanfigur hat, sondern auch schön, blond und groß ist, ist so angetan | |
von Sotogrande, dass er seine fünfzehn Pferde dort permanent stationieren | |
will. | |
## Maßgeschneidert, alternativ | |
Ein Polopony, das seine Karriere auf dem Turnierplatz bereits beendet hat, | |
besitzen Ferdy und Cristina, zusammen mit neun anderen Pferden, die sie vor | |
allem für Ausdauer- und Langstreckenritte ausgesucht haben. Ferdy, der | |
jahrelang mit Polopferden arbeitete, aber nicht das Geld hatte, | |
professionell zu spielen, und Cristina, eine ehemalige Architektin aus | |
Madrid, bieten Ausritte quer durch Sotogrande und das angrenzende | |
Naturreservat an. | |
Es gibt Picknicks und bei Bedarf Aufenthalte in kleinen Fincas oder alten | |
Schlössern. Alles maßgeschneidert, einfach, nachhaltig, alternativ. Aber, | |
wie die beiden versichern, in Einklang mit Sotogrande: Dessen Besucher und | |
Bewohner suchen nicht nach Tourismuserfahrungen von der Stange, sondern | |
nach „besonderen Erlebnissen“, nach Vereinfachung eines immer komplexer | |
werdenden Lebens. Damit werden Angebote wie die von Ferdy und Cristina zu | |
Gradmessern von Trends wie Achtsamkeit und Entschleunigung. Wie alle, die | |
in Sotogrande arbeiten, sind sie begeistert von den Möglichkeiten dort – | |
denn der Tourismus ist der größte Arbeitgeber der Gegend. | |
„Botschafter“ des Golfclubs von La Reserva ist Manuel Piñero, der Golf | |
spielt, seit er elf Jahre alt ist. Manuel verdingte sich als Caddie, dann | |
packte ihn der Ehrgeiz. Ohne das Geld zu haben, Mitglied in einem Club zu | |
werden, übte er – mit einem einzigen Schläger, im Wald. Mit 16 Jahren war | |
er Profi, gewann zwei Ryder Cups. Piñero kann viele Geschichten erzählen, | |
er ist stolz auf das, was er geleistet hat. Heute spielt er nur noch mit | |
besonderen Kunden im Reserva Golf Club. Im Clubhaus stehen seine Pokale, | |
dort hängen die Fotos seiner größten Triumphe und seiner Begegnungen mit | |
der Art von Menschen, die man künftig gern wieder in Sotogrande sähe: reich | |
und zurückhaltend. Aber reich allein reicht auch. | |
9 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Marion Douglas | |
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