# taz.de -- Kontrolle der Pflegeheime: Mehr Arbeit für wenig Aufsicht | |
> Die bremische Heimaufsicht ist personell schlecht aufgestellt. Durch das | |
> neue Wohn- und Betreuungsgesetz könnte sie entlastet werden, aber das ist | |
> nicht vorgesehen. | |
Bild: Silversurfer: Das Alter könnte so schön sein | |
Mehrere Ermittlungsverfahren wegen Pflegebetrugs in Bremen und Bremerhaven | |
waren im September Anlass für die Bürgerschaftsfraktion der CDU, den Senat | |
nach Inhalten der Arbeit der Wohn- und Betreuungsaufsicht (WBA) zu | |
befragen. Die Antwort zeigt vor allem: Die Zahl der MitarbeiterInnen bei | |
der WBA, zuständig für die Kontrolle der Pflegeeinrichtungen, ist | |
erschreckend klein. | |
191 Pflege- und Betreuungseinrichtungen müssen von der bei der | |
Sozialbehörde angegliederten Wohn- und Betreuungsaufsicht einmal pro Jahr | |
in Augenschein genommen werden. Hinzu kommen 201 weitere Wohnformen wie | |
Tagespflegeeinrichtungen, die anlassbezogen überprüft werden – also dann, | |
wenn Beschwerden über sie vorliegen. Bei Mängeln – so wie im vergangenen in | |
der Seniorenresidenz Kirchhuchting – wird durch die WBA engmaschig beraten | |
und kontrolliert, auch über einen langen Zeitraum hinweg. | |
Diese Arbeit, das geht aus der Senatsantwort hervor, wird gestemmt von neun | |
MitarbeiterInnen, verteilt auf 7,9 Vollzeitstellen. Acht MitarbeiterInnen, | |
„gleichrangige Fachkräfte aus den Bereichen Verwaltung, Soziale Arbeit und | |
Pflege“ in der Sachbearbeitung und „eine weitere Person mit 0,6 | |
Vollzeitstelle für die Leitungstätigkeit.“ | |
Die WBA-MitarbeiterInnen müssen landesweit und in allen | |
Zuständigkeitsbereichen einsetzbar sein, es gibt „keine regionalen | |
Festlegungen (auf Städte oder Stadtteile) und ebenso wenig Festlegungen auf | |
bestimmte Angebotsformen (Altenpflege, Einrichtungen für Menschen mit | |
Behinderungen)“, heißt es in der Senatsantwort weiter, und | |
„Schwerpunktsetzungen gibt es nur insoweit, wie dies arbeitsökonomisch | |
sinnvoll ist. So soll z. B. möglichst wenig Zeit für Wege nach Bremerhaven | |
aufgewendet werden.“ | |
Dabei wird die WBA künftig wohl noch mehr zu tun bekommen: Denn das | |
bremische Wohn- und Betreuungsgesetz (BremWoBeG), das novelliert werden | |
soll (taz berichtete), soll künftig zumindest teilweise auch ambulante | |
Pflegedienste in die WBA-Kontrollen einbeziehen – dies war bislang nicht | |
der Fall. Nun sollen auch diese Dienste zumindest dann von der | |
Aufsichtsbehörde geprüft werden, wenn sie PatientInnen in mindestens | |
teilstationären Wohnformen betreuen. | |
Eigentlich eine gute Idee, denn inzwischen gibt es viele Wohnformen für | |
SeniorInnen, bei denen die Pflege über externe ambulante Anbieter läuft – | |
die nicht unter die behördliche Kontrolle fallen. Das zu ändern, ist Ziel | |
der Sozialbehörde, aber selbst die Sozialsenatorin sagte in der letzten | |
Sitzung der Bürgerschaft, dies sei personell „schwierig abzudecken.“ | |
„Personell mangelhaft abgedeckt ist die WBA ja bereits jetzt“, sagt | |
Reinhard Leopold, Gründer der Bremer Angehörigeninitiative | |
„Heim-Mitwirkung“. Er moniert, dass die WBA auch eine beratende Funktion | |
einnimmt gegenüber Pflegeeinrichtungen, die in Schieflage geraten sind. In | |
Paragraf 26, Absatz 1 des BremWoBeG heißt es wörtlich: „Ist festgestellt | |
worden, dass in einer unterstützenden Wohnform (…) ein Mangel droht oder | |
vorliegt, so soll die zuständige Behörde zunächst den verantwortlichen | |
Leistungsanbieter über die Möglichkeiten zur Abstellung des Mangels | |
beraten. Dasselbe gilt, wenn nach einer Anzeige gemäß § 16 vor der Aufnahme | |
des Betriebs ein Mangel festgestellt wird.“ | |
Dieser Passus, sagt Leopold, gehöre im neuen Gesetz gestrichen: „Es kann ja | |
nicht sein, dass die Behörde bei Pflegemängeln auch noch kostenlose | |
Unternehmensberatung anbietet!“ Die Träger müssten bei nachgewiesenen | |
Mängeln vielmehr dazu verpflichtet werden, auf eigene Kosten externe | |
Unternehmen zu verpflichten „oder wenigstens die Behörde für ihre Dienste | |
zu bezahlen“. | |
Das könnte zur Folge haben, dass Einrichtungen aufgrund der drohenden, | |
teuren Beratung möglicherweise von vornherein besser auf ihr eigenes | |
Qualitätsmanagement achten und die schlecht besetzte WBA entlastet würde. | |
„Sollte sie selbst Geld für ihre Beratertätigkeiten verlangen“, sagt | |
Leopold, „könnte sie das komplett in das Personal für die Überwachung der | |
Einrichtungen fließen lassen.“ | |
Das ist freilich nicht vorgesehen: Im vorläufigen Entwurf der Sozialbehörde | |
für die Änderung des BremWoBeG, der der taz vorliegt, ist Paragraf 26 | |
geblieben, wie er ist. | |
13 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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