| # taz.de -- Kommentar Ausnahmezustand Äthiopien: Keine Hoffnung auf Entspannung | |
| > In Äthiopien wurde der Ausnahmezustand verhängt. Merkel kann bei ihrem | |
| > Besuch also nicht wie eigentlich geplant einfach den Fortschritt loben. | |
| Bild: Ein ausgebrannter Wagen in Sebeta. Merkel reist auch nach Äthiopien | |
| Äthiopien ist immer ein Vorbild für Afrika gewesen. Es war das einzige Land | |
| auf dem Kontinent, das sich Ende des 19. Jahrhunderts dem Versuch der | |
| Eroberung durch eine europäische Kolonialmacht militärisch erfolgreich | |
| entgegenstellte. Es blickt auf eine mehrtausendjährige stolze | |
| Staatsgeschichte zurück. In den letzten Jahrzehnten wies Äthiopien konstant | |
| die höchsten Wachstumsraten Afrikas auf und stand wie kein anderes Land für | |
| den Aufstieg vom Hungerleider zum „afrikanischen Löwen“. | |
| Die Kehrseite all dessen ist immer die Entrechtung der breiten Bevölkerung | |
| gewesen. Früher schien es den Herrschenden in Addis Abeba egal zu sein, | |
| wenn Hungersnöte Hunderttausende dahinrafften. Diese Zeiten gehören der | |
| Vergangenheit an; bittere Armut bleibt aber weit verbreitet, und die | |
| meisten Menschen haben nichts zu sagen, was staatliche | |
| Entwicklungsentscheidungen angeht. | |
| Seit dem Tod des langjährigen autoritären und global respektierten | |
| Regierungschefs Meles Zenawi vor vier Jahren scheint das verschlossene | |
| äthiopische Machtsystem sein politisches Gespür verloren zu haben. Die | |
| ständig neu aufflammenden Unruhen bekommt der Staat nicht in den Griff. | |
| Jetzt richten sie sich gegen die vielen neuen ausländischen | |
| Investitionsprojekte, Symbole der auf maximales Wirtschaftswachstum und | |
| minimale Bürgerbeteiligung ausgerichteten Politik. Was im Ausland als | |
| Schaffung von Arbeitsplätzen gefeiert wird, sind in Äthiopien selbst oft | |
| eher Symbole der Unterdrückung. | |
| Auf die tagelangen Unruhen [1][reagiert die Regierung jetzt], indem sie für | |
| sechs Monate den Ausnahmezustand verhängt und die Protestbewegung als | |
| „friedensfeindliche Elemente, die sich mit ausländischen Kräften verbündet | |
| haben“ bezeichnet. Das lässt nicht auf Entspannung hoffen. | |
| Bundeskanzlerin Merkel kann also, wenn sie am Dienstag Äthiopien besucht, | |
| nicht wie eigentlich geplant einfach den Fortschritt loben. Auch die | |
| Schattenseiten müssen Thema sein – und zwar nicht, um den Unmut der | |
| Menschen im Rahmen der „Fluchtursachenbekämpfung“ im Zaum zu halten und die | |
| Abschottung zu verschärfen. Das Fundament entwicklungsorientierter | |
| Außenpolitik muss sein, für Bürgerrechte, Partizipation und | |
| sozialverträgliches Wachstum einzutreten. | |
| Dass die deutsche Kanzlerin ein Treffen mit äthiopischen Oppositionellen | |
| eingeplant hat, ist bereits ein gutes Zeichen – hoffentlich wird das | |
| Treffen noch möglich sein und die Teilnehmer hinterher keine Nachteile | |
| erfahren. | |
| 9 Oct 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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