| # taz.de -- Parteitag der Konservativen in England: Mit dem Brexit zu „Global… | |
| > Verhandlungen über den EU-Austritt ab März 2017, erklärt | |
| > Premierministerin Theresa May auf dem konservativen Parteitag. | |
| Bild: Die konservative Parteichefin Theresa May auf dem Parteitag | |
| Berlin taz | Für Theresa Mays wichtigste Ankündigung ihrer Amtszeit war das | |
| erste Oktober-Wochenende ideal: Der Jahresparteitag der regierenden | |
| britischen Konservativen begann, das Brexit-Referendum war 100 Tage alt und | |
| sie feierte ihren 60. Geburtstag. Aber die Brexit-Pläne, die die britische | |
| Premierministerin jetzt vorgelegt hat, bedeuten einen komplizierten | |
| Drahtseilakt. | |
| Spätestens Ende März 2017, sagte May auf ihrer Parteitagsrede am Sonntag, | |
| will Großbritannien den Artikel 50 der EU-Verträge aktivieren, der die | |
| Absichtserklärung eines EU-Mitglieds zum Austritt regelt und für die | |
| Austrittsverhandlungen eine Zweijahresfrist festlegt. | |
| Und in der Sitzungsperiode 2017/18 soll das britische Parlament ein | |
| EU-„Aufhebungsgesetz“ (Great Repeal Act) beschließen, das die | |
| EU-Mitgliedschaft aufkündigt und mit dem die Gültigkeit von EU-Regeln in | |
| Großbritannien automatisch erlischt. | |
| Der Teufel steckt aber im Detail. Erstens: Vor der Aktivierung des Artikels | |
| 50 wird es keine Parlamentsabstimmung geben – eine zentrale Forderung der | |
| EU-Befürworter. Ungewohnt scharf verwahrte sich May dagegen: | |
| ## Deutliche Akzente | |
| Wer nach der Brexit-Volksabstimmung erst noch ein Parlamentsvotum wolle, | |
| bevor der EU-Austrittsbeschluss eingereicht werde, „steht nicht für | |
| Demokratie ein, sondern versucht, sie zu untergraben. Sie versuchen nicht, | |
| den Brexit richtig zu machen, sondern ihn abzutöten, indem sie ihn | |
| verzögern. Sie beschimpfen die Intelligenz des britischen Volkes.“ | |
| Das war eine klare Kampfansage. Die Pro-EU-Fraktion wird in diesen Tagen | |
| vom ehemaligen konservativen Finanzminister Kenneth Clarke verkörpert, der | |
| pünktlich zum Parteitag seine Memoiren veröffentlichte. In einem Interview | |
| erklärte der 76-Jährige die Brexit-Volksabstimmung zu einer „reinen | |
| Meinungsumfrage“, von der man keine Notiz nehmen sollte. Aus derselben | |
| Haltung heraus bereiten namhafte Politiker eine Klage gegen die Regierung | |
| vor, die zur Aktivierung des Artikels 50 ein Parlamentsvotum erzwingen | |
| soll. | |
| Mays Ankündigung eines EU-Aufhebungsgesetzes ist geeignet, ihren Gegnern | |
| den Wind aus den Segeln zu nehmen und die radikale Brexit-Fraktion, die | |
| vernehmlich mit den Hufen scharrt, ruhig zu stellen. Die britische | |
| EU-Mitgliedschaft ohne Verhandlungen per Federstrich zu beenden – das war | |
| die Empfehlung der Rechten vor dem Referendum. May trägt dem nun Rechnung, | |
| aber mit wichtigen Akzentverschiebungen. | |
| ## Ein globales Britannien | |
| So soll das Gesetz erst während der Austrittsverhandlungen verabschiedet | |
| werden und erst in Kraft treten, wenn der Austritt vollzogen wird. Damit | |
| wäre es eigentlich überflüssig, aber auch hier steckt der Teufel im Detail: | |
| Das Gesetz soll laut May alle bestehenden EU-Direktiven („acquis | |
| communautaire“) in die britische Gesetzgebung überführen, sofern sie nicht | |
| schon drinstehen. „Indem wir den ‚acquis‘ in britisches Recht umwandeln, | |
| werden wir Unternehmern und Arbeitnehmern die größtmögliche Sicherheit | |
| bieten, während wir die Europäische Union verlassen“, so May. „Nach dem | |
| Brexit werden die gleichen Regeln und Gesetze gelten wie vorher. Jede | |
| Gesetzesänderung wird genauer Prüfung und ordentlicher parlamentarischer | |
| Debatte unterzogen.“ | |
| Nach dem Brexit bleibt alles beim Alten, außer man beschließt, es zu | |
| verändern. Das ist das Gegenteil der Anti-EU-Forderung, wonach nach dem | |
| Brexit alles erlischt, außer man beschließt es zu behalten. Die | |
| EU-Befürworter können einem solchen Brexit-Gesetz kaum widersprechen. Die | |
| EU-Gegner können es aber auch nicht wirklich niederstimmen. Damit hätte May | |
| wohl doch ihre parlamentarische Mehrheit sicher. | |
| Nun ist viel Lobbyarbeit zu erwarten. In einem Bereich hat sich May schon | |
| festgelegt: „Arbeitnehmerrechte werden rechtlich garantiert bleiben“, sagte | |
| sie – eine Antwort auf die zentrale Forderung der Labour-Opposition, was | |
| den Brexit angeht. Das künftige Verhältnis zur EU ist allerdings offen. Die | |
| Stimmung bei den Konservativen ist eher gegen einen Verbleib im | |
| Binnenmarkt, wie ihn die Finanzindustrie fordert. | |
| May und auch Außenminister Boris Johnson nutzten ihre Parteitagsauftritte | |
| zu Plädoyers für ein „global“ ausgerichtetes Großbritannien. „Die Welt | |
| braucht Globalbritannien mehr denn je“, rief Johnson in einer sprachlich | |
| brillanten Rede, „als Vorkämpfer für die Werte, an die wir glauben, als | |
| Anstifter für Wandel und Reform und ökonomische und politische Freiheit in | |
| einer Welt, die ihren Glauben an diese Werte verloren hat.“ In alter Form | |
| lästerte Johnson: Die EU sei gegen ein weltweites Elfenbeinhandelsverbot, | |
| obwohl ihr Ratspräsident Tusk (Englisch für Stoßzahn) heißt. | |
| 3 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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