| # taz.de -- Bericht zum britischen Libyen-Einsatz: Gaddafi überschattet Cameron | |
| > Ein Parlamentsausschuss legt einen Bericht zum britischen Militäreinsatz | |
| > in Libyen 2011 vor. Der Expremier kommt darin nicht gut weg. | |
| Bild: Nicolas Sarkozy und David Cameron (l.) besuchen im September 2011 die Tru… | |
| Berlin taz | Tony Blairs politisches Erbe wird vom Irakkrieg überschattet – | |
| zum Erbe David Camerons gehört der Militäreinsatz in Libyen, der zum Sturz | |
| des Gaddafi-Regimes führte. Nachdem eine mehrjährige Untersuchung in | |
| Großbritannien [1][im Juli vernichtende Urteile über die Fehlplanungen im | |
| Irak vorlegte], hat nun der Auswärtige Ausschuss des Unterhauses in London | |
| eine nicht minder vernichtende Evaluierung des Libyenkrieges vorgelegt. | |
| „David Cameron war letztendlich verantwortlich für das Versagen, eine | |
| kohärente Libyen-Strategie zu entwickeln“, heißt es in der Zusammenfassung | |
| des am Mittwoch veröffentlichten Berichts. Sollte Libyens neue Regierung | |
| der Nationalen Einheit scheitern, „wird Libyen in einem Bürgerkrieg in | |
| großem Stil versinken“. | |
| Großbritannien hatte an der Seite Frankreichs ab 19. März 2011 mit | |
| Luftangriffen in Libyen begonnen, gegen die Truppen des Diktators Muammar | |
| al-Gaddafi vorzugehen, nachdem der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution | |
| 1973 militärisches Eingreifen zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen | |
| erlaubt hatte. | |
| Aus dem französisch-britischen Einsatz wurde ab Ende März 2011 die | |
| Nato-Operation „Unified Protector“, die Libyens bewaffnete Rebellen gegen | |
| Gaddafi unterstützte. Gaddafi wurde am 20. Oktober getötet, die Rebellen | |
| ergriffen die Macht, und der Nato-Einsatz endete Ende Oktober 2011. Aber | |
| Libyen hat seitdem nicht zur Stabilität gefunden. | |
| ## Die Kritik ist grundsätzlich | |
| Der Wertung von US-Präsident Barack Obama, Libyen sei eine „Shit Show“ | |
| geworden, sei „schwer zu widersprechen“, so die britischen Parlamentarier | |
| jetzt süffisant. | |
| Ihre Kritik ist sehr grundsätzlich. „Die britische Politik folgte | |
| Entscheidungen, die in Frankreich getroffen wurden“, bemängelt ihr Bericht | |
| und führt aus, die französische Politik unter Präsident Nicolas Sarkozy sei | |
| ausschließlich französischen Interessen sowie „Sarkozys Eigeninteresse“ | |
| gefolgt. | |
| Die Abgeordneten bezweifeln, dass Gaddafi wirklich seine Gegner | |
| abschlachten wollte. Die Regierung Cameron „konnte die tatsächliche | |
| Bedrohung, die das Gaddafi-Regime für Zivilisten darstellte, nicht | |
| verifizieren, und sie nahm selektiv Elemente von Gaddafis Rhetorik für bare | |
| Münze“, schreiben sie und schlussfolgern: „Die britische Strategie gründe… | |
| auf irrtümlichen Annahmen und unvollständigem Verständnis der Sachlage“. | |
| Der Angst vor einem „zweiten Srebrenica“ in Bengasi, also Massakern an | |
| Tausenden Zivilisten durch Regierungstruppen, habe Cameron „unangemessenes | |
| Gewicht beigemessen“. Der Premier habe auch nicht versucht, Tony Blairs | |
| gute Kontakte zu Gaddafi zu nutzen, monieren die Parlamentarier, deren | |
| Bericht an solchen Stellen in Verteidigung einer Zusammenarbeit mit | |
| Diktatoren abgleitet. | |
| Im Laufe des Krieges habe sich das Interventionsziel verändert: „Eine | |
| begrenzte Intervention, um Zivilisten zu schützen, driftete in eine Politik | |
| des Regimewechsels mit militärischen Mitteln“. Die Interventionsstrategie | |
| habe sich aber nicht entsprechend verändert. „Die britische Intervention in | |
| Libyen war reaktiv und enthielt kein Handeln in Verfolgung eines | |
| strategischen Ziels.“ | |
| ## Einzelne NSC-Mitglieder hegten Zweifel | |
| So sei nicht bedacht worden, wie nach dem Sturz Gaddafis Sicherheit in | |
| Libyen herzustellen sei, und „die Möglichkeit, dass militante | |
| extremistische Gruppen versuchen würden, von der Rebellion zu profitieren, | |
| hätte nicht einer späteren Betrachtung vorbehalten gewesen sein sollen.“ | |
| Diese Fehler kreiden die Parlamentarier Cameron an, obwohl dieser nach | |
| seinem Amtsantritt als konservativer Premier im Jahr 2010 eine der | |
| wichtigsten Lektionen aus Blairs Irakkrieg umgesetzt hatte: die Gründung | |
| eines Nationalen Sicherheitsrats, um Entscheidungsprozesse zu | |
| formalisieren. Der Sicherheitsrat NSC habe nämlich Camerons Grundannahme, | |
| wonach ein Eingreifen in Libyen im britischen Interesse liege, nicht | |
| hinterfragt, obwohl einzelne NSC-Mitglieder daran Zweifel hegten. | |
| Der Auswärtige Ausschuss begann seine Untersuchung im Juli 2015. Nach | |
| Sitzungen folgte im März 2016 eine Reise nach Tunesien und Ägypten; ein | |
| Besuch Libyens war aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Cameron selbst | |
| lehnte seine Ladung durch den Ausschuss aus Zeitgründen ab. Zwei Tage vor | |
| Veröffentlichung des Berichts hat der Expremier sein Abgeordnetenmandat | |
| niedergelegt und sich aus der britischen Politik verabschiedet. | |
| 14 Sep 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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