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# taz.de -- OECD-Bildungsvergleich: Luft nach oben
> Im Bildungsvergleich der OECD steht Deutschland mit seinem beruflichen
> Bildungssystem gut da. Es bleiben aber Gerechtigkeitslücken.
Bild: Auch soziales Lernen ist Lernen
Berlin taz | Reich aber knausrig: Der Anteil des Bruttosozialprodukts, den
Deutschland in seine Bildungseinrichtungen investiert, ist im
internationalen Vergleich erneut gesunken. Deutschland gibt aktuell 4,2
Prozent seiner jährlichen Gesamteinnahmen für Bildung aus – im Vergleich
der Industrieländer sind es 5,2 Prozent.
Das zeigt der am Donnerstag veröffentlichte [1][Bericht der Organisation
für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)]. Vor einem Jahr flossen noch 4,4
Prozent des BIP in Bildung.
Der Rückgang erklärt sich vor allem mit den sprudelnden Einnahmen, die aber
nur teilweise an die Bildungseinrichtungen weitergegeben wurden. Im Bereich
der Schulen hat Deutschland die Ausgaben zwischen 2008 und 2013 durchaus
erhöht und zwar trotz sinkender Schülerzahlen.
Die Hochschulen sind allerdings nicht in gleicher Weise bedacht worden.
Hier sind die Studierendenzahlen stark gestiegen – um fast 30 Prozent –,
die Ausgaben jedoch nur mäßig, so dass pro Studierendem heute zehn Prozent
weniger zur Verfügung stehen als 2008. „Die Ausgaben pro Studierendem
sanken dabei in vergleichbarem Umfang wie in Spanien während der
Finanzkrise“, so der Direktor für Bildung bei der OECD Andreas Schleicher.
## Gute wirtschaftliche Lage
Einmal jährlich trägt die OECD die Bildungindikatoren ihrer Mitgliedsländer
zusammen und legt sie in dem 640-Seiten starken Bericht „Bildung auf einen
Blick“ übereinander. Wie auch in den Vorjahren schneidet Deutschland im
Bereich der beruflichen Bildung gut ab, bekommt aber schlechte Noten in den
Disziplinen Gerechtigkeit und Bildungsaufstieg.
Nur knapp neun Prozent der 15- bis 29-jährigen haben weder einen Job noch
eine Ausbildung – nur in Island und den Niederlanden ist der Anteil
geringer, in Spanien oder Griechenland jedoch bedeutend höher. Das ist ein
Hinweis darauf, dass nicht nur das oft gelobte Berufsbildungssystem,
sondern auch die gute wirtschaftliche Lage entscheidend dazu beitragen, die
Jugendarbeitslosigkeit gering zu halten.
Auch in Deutschland spiegelt sich der internationale Trend zu Hochschul-
oder vergleichbaren Abschlüssen wider. So nimmt inzwischen mehr als jeder
Zweite ein Studium im sogenannten tertiären Bereich auf – darunter fallen
auch die Meisterausbildung oder berufliche Zusatzqualifierungen. Dieser
Anteil liegt inzwischen nur noch leicht unter dem OECD-Durchschnittswert
von 61 Prozent.
## Ungleiche Chancen
Allerdings sind die Chancen ungleich verteilt: Unter den 13 Prozent gering
Qualifizierten, ein Anteil der in allen Generationen relativ stabil ist,
sind überproportional häufig Menschen mit Migrationshintergrund. Was
erklärbar ist mit dem geringen Bildungsstand, den viele der Gastarbeiter
mitbrachten, die in den 60er- und 70er-Jahren nach Deutschland kamen. Doch
der Bildungsaufstieg gelingt ihren Kindern und Enkeln nur mühsam: So hat
fast die Hälfte der 25- bis 44-jährigen, deren Eltern keinen
Berufsabschluss haben, wiederum keinen Abschluss – nur sieben Prozent
schaffen es bis zum Abschluss auf Hochschulniveau.
Zum Vergleich: Wenn beide Eltern niedrigqualifiziert, aber in Deutschland
geboren sind, verbleiben nur 15 Prozent der Mitzwanziger bis Mitvierziger
auf dem gleichen Bildungslevel – jeder fünfte hat einen Abschluss auf
Hochschulniveau. Eine vergleichbare Mobilität bekommt Kanada auch für die
Menschen mit Zuwanderungshintergrund hin.
Größer als in anderen Ländern sind in Deutschland nach wie vor die
Geschlechterunterschiede in Ingenieurwissenschaftlichen und technischen
Fächern. Auf vier Studenten im Bereich Ingenieurwesen, Fertigung und
Bauwesen kommt eine Studentin. Im OECD-Vergleich beträgt das Verhältnis
3:1. Gerade das Studium solcher Fächer zahlt sich später aus: Wer
Informatik oder Ingenieurwissenschaften, Mathematik oder Bauwesen studiert
hat, verdient im Beruf wesentlich mehr als jemand, der einen Abschluss in
der Fachrichtung Gesundheit oder soziale Dienst hat.
Hier schlägt das Geschlechterpendel in der Ausbildung und später im Beruf
traditionell zur anderen Seite aus – was ein Grund dafür sein dürfte, dass
die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen im Alter von 35 bis 44
Jahren in Deutschland wesentlich größer sind als in anderen OECD-Ländern:
Vollzeiterwerbstätige Frauen mit einem Tertiärabschluss verdienen 34
Prozent weniger als Männer. (OECD-Durchschnitt 26 Prozent).
15 Sep 2016
## LINKS
[1] https://www.oecd.org/berlin/publikationen/bildung-auf-einen-blick.htm
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
OECD
Studie
Bildung
Schule
Margaret Thatcher
Migration
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