# taz.de -- Urteil des EuGH im Fall „Geenstijl“: Linkhaftung für Medien ve… | |
> Schlecht fürs Netz: Wer „zu Erwerbszwecken“ auf andere Inhalte verlinkt, | |
> muss für Urheberrechtsverletzungen künftig grundsätzlich haften. | |
Bild: Von Rechts wegen bald auf Links verzichten? | |
FREIBURG taz | Wer kommerziell auf Inhalte verlinkt, die das Urheberrecht | |
verletzten, muss künftig beweisen, dass er das nicht gewusst hat. Mit | |
diesem Grundsatzurteil schützt der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwar | |
private Internetnutzer, aber setzt Medien und andere kommerzielle Nutzer | |
enormen Haftungsrisiken aus. | |
Anlass des Urteils war ein Fall aus den Niederlanden. Der TV-Star Britt | |
Dekker ließ sich für den Playboy fotografieren. Doch bevor das Heft am | |
Kiosk lag, gab es die Dekker-Bilder schon auf einer australischen Webseite | |
zu sehen. Auf diese Quelle verlinkte die niederländische Seite geenstijl.nl | |
(„Kein Stil“), wogegen der Playboy-Verlag prozessierte. | |
Grundsätzlich kann der Urheber frei entscheiden, wer sein Werk öffentlich | |
wiedergeben darf und wer nicht. Der Urheber ist hier der Fotograf, der dem | |
Playboy-Verlag ein Nutzungsrecht eingeräumt hat. Damit konnte der Playboy | |
nun gegen die australische Webseite vorgehen. Doch das oberste Gericht der | |
Niederlande wollte vom EuGH wissen, ob der Playboy auch gegen den Link von | |
Geenstijl vorgehen konnte. Eigentlich sei der Link ja keine öffentliche | |
Wiedergabe, weil die Photos auf der australischen Seite schon öffentlich | |
waren. Andererseits waren sie dort aber für die niederländischen | |
Interessenten nicht gerade leicht auffindbar. | |
Der EuGH hat nun erstmals Maßstäbe zur Lösung dieses Problems entwickelt. | |
Er geht davon aus, dass das EU-Urheberrecht einerseits ein „hohes | |
Schutzniveau“ für die Rechte-Inhaber sichern will, dass aber auch das | |
Verlinken von Inhalten wichtig für die Meinungs- und Informationsfreiheit | |
unserer Gesellschaft ist. Die Richter unterscheiden dann zwei Gruppen: | |
nichtkommerzielle und kommerzielle Internetnutzer. | |
## Es findet eine Beweislastumkehr statt | |
Wer das Internet ohne „Gewinnerzielungsabsicht“ nutzt, kann weiterhin | |
relativ sorglos fremde Seiten verlinken. Er muss nicht prüfen, ob es dort | |
vielleicht Urheberrechtsverletzungen gibt. Eine (unerlaubte) öffentliche | |
Wiedergabe läge nur vor, wenn der Linksetzer weiß, dass der Link auf | |
unerlaubt veröffentlichte Inhalte zielt – zum Beispiel weil ihn der | |
Rechte-Inhaber darauf hingewiesen hat. Auch wenn auf der verlinkten Seite | |
gezielt Beschränkungen umgangen werden, ist der Link einer Privatperson | |
illegal. Das wäre etwa der Fall, wenn wie hier Inhalte veröffentlicht | |
werden, die offensichtlich nur in einem teuren Magazin publiziert werden | |
sollten. | |
Wer aber Links „zu Erwerbszwecken“ setzt, muss generell vorher prüfen, ob | |
es auf der verlinkten Seite Urheberrechtsverletzungen gibt. Wenn ein Link | |
auf eine Seite mit Urheberrechtsverletzungen führt, dann wird vermutet, | |
dass der kommerzielle Linksetzer dies wusste. Es findet also eine | |
Beweislastumkehr statt. Der kommerzielle Nutzer kann die Haftung für die | |
Urheberrechtsverletzung nur dann vermeiden, wenn er beweist, dass er davon | |
nichts wusste – zum Beispiel, weil der unerlaubt veröffentlichte Text oder | |
das unerlaubt veröffentlichte Photo erst nach dem Setzen des Links auf die | |
verlinkte Seite gestellt wurde. | |
Da Medien in der Regel zu „Erwerbszwecken“ handeln (auch die taz), müssen | |
sie künftig wohl vor jedem Link prüfen, ob sie sich damit ein | |
Haftungsrisiko einfangen. Das dürfte das Verlinken für sie deutlich | |
unattraktiver machen und damit auch dem Internet nicht gut tun. | |
Der konkrete Fall ließ sich dagegen unproblematisch lösen. Da Geenstijl vom | |
Playboy ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Link auf illegal | |
veröffentlichte Photos führte, lag eindeutig eine unzulässige „öffentliche | |
Wiedergabe“ vor. Im Fall Geenstijl kam es also nicht darauf an, ob die | |
Webseite „zu Erwerbszwecken“ verlinkte (was der EuGH aber annahm). Auch | |
eine Privatperson hätte nicht auf die vorab veröffentlichten Nacktphotos | |
verlinken dürfen. (Az.: C-160/15) | |
8 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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