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# taz.de -- Diskussion um Denkmäler: Ausgewippt
> Warum wurde weder in Leipzig noch in Berlin das geplante Einheitsdenkmal
> realisiert? Darüber diskutierten ExpertInnen in Berlin.
Bild: Geplante und nicht realisierte „Bürgerwippe“ in Berlin
Fast hätte man die „Bürgerwippe“ vergessen, das 2007 beschlossene Denkmal
für Einheit und Freiheit in dem Entwurf von Sasha Waltz. Auf dem Sockel des
Kaiser-Wilhelm-Denkmals, gegenüber der Schlossfreiheit in Berlin, hätte die
80 Meter lange Wippe stehen sollen. Im April aber wurde das dahinsiechende
Projekt vom Haushaltsausschuss des Bundestages gekippt. Begründung: eine
Kostensteigerung von 10 auf 15 Millionen.
Nun wird also wieder diskutiert. So auch am Montagabend, als im
Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße unter dem Titel „Denkmalkultur in
Deutschland“ einige ExpertInnen zusammenkamen, um über das Scheitern der
Einheitsdenkmale – auch das in Leipzig geplante Denkmal soll nun nicht
gebaut werden – zu diskutieren.
Auf dem Podium saßen der Gründungsdirektor des Deutschen Historischen
Museums, Christoph Stölzl, der Vorsitzende des
Bundestags-Kulturausschusses, Siegmund Ehrmann (SPD), die Leiterin der
Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anna Kaminsky, und der in
Cambridge lehrende Historiker Christopher Clark.
Vor der Diskussion aber sprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU)
ein Grußwort. Und das stand geradezu exemplarisch für die verstockte
Debatte. Lange umschiffte Grütters, die in ihrer Amtszeit genau wie ihre
Vorgänger an der Vermittlung zunächst des Leipziger und nun des Berliner
Einheitsdenkmals gescheitert war, den entscheidenden, aber etwas leeren
Begriff der „friedlichen Revolution“, für die das neue Denkmal ja stehen
soll.
Stattdessen brachte sie das Brandenburger Tor als Sinnbild für die Einheit
ins Spiel. Zwar stehe das ursprünglich für Krieg und Teilung. „In gewisser
Hinsicht aber ist es das Denkmal der Vereinigung, weil die Bevölkerung es
sich angeeignet hat“, so Grütters.
## Sonderweg der deutschen Denkmalkultur
Warum aber scheiterte nun das Einheitsdenkmal? Zunächst standen viele
mögliche Gründe im Raum: die Verfahrensbürokratie, der Zwang zum Konsens,
die Denkmalästhetik – und der deutsche Sonderweg. Denn kann ein Land ohne
Meistererzählung überhaupt eine nationale Denkmalkultur haben?
Die DiskutantInnen verwiesen immer wieder auf die stringente Denkmalkultur
der großen Nationen wie Frankreich, aber auch auf Osteuropa, wo Narrative
ganz unbeschwert kombiniert werden. Letztlich aber lobten alle das
Zögerliche der deutschen Debatte. Christopher Clark sprach hier von
„Sonderweg der deutschen Denkmalkultur“.
Christoph Stölzl lenkte die Debatte auf die künstlerische Umsetzung, die
oft als Grund für das Scheitern genannt wird. Zu Zeiten des Historismus
habe es eine Formensprache der Kunst für die Nation gegeben – ein
deutlicher Seitenhieb auf das Brandenburger Tor. „Heute aber fehlt das
Einverständnis zwischen Herrschern und Künstlern und darum weiß man nicht,
was Kunst ist und was Kitsch“, so Stölzl.
Das Podium war sich weitgehend einig, dass das Problem weniger im
politischen Konsens als in der Umsetzung liege. Die Erfahrungen mit anderen
Denkmalen wie der Topographie des Terrors hätten gezeigt, dass man sich
irgendwann an die Realisierung machen müsste.
„Sobald ein Denkmal steht, sind alle zufrieden“, sagte Kaminsky. Ganz
nebenbei entledigte sich das Podium so der inhaltlichen Debatte, an deren
Fehlen es bereits in dem Prozess um die Entstehung des Denkmals gekrankt
hatte.
Monika Grütters hatte eingangs darüber gesprochen, wie das Einheitsdenkmal
„das Unvermögen“ herauskristallisiert habe, „den freudigen Ereignissen e…
Denkmal zu setzen“. Aber was soll gefeiert werden? Die deutsche Freiheit
ist kein historisches Ereignis, merkte Clark an und rührte damit an das
Grundproblem: Die Einheit hat im vereinigten Deutschland keinen guten
Leumund. Es gibt zwei Erinnerungen. Solange die Verständigung darüber
fehlt, bleibt die Einheit für Symbolprojekte unhandlich.
## Umdeutungen nicht ausgeschlossen
So hat es eine solch abstrakte Neukonzeption schwer gegen die etablierten
Orte, ganz egal welchen Zweck sie einst erfüllten: die Neue Wache aus
Preußenzeiten als Ort für die Opfer der Gewaltherrschaft oder eben das
Brandenburger Tor als Einheitsdenkmal. Eine Umdeutung, so problematisch sie
auch ist, bleibt nicht ausgeschlossen.
Ob am Schlossplatz nun wirklich etwas stehen werde, fragte der Moderator
Klaus Wiegrefe, Redakteur des Spiegels, schließlich. „Wir werden sehen“,
sagte Ehrmann bloß. Dann erinnerte er an den Auftrag des Bundestags, der
nun auf Eis liegt.
Er warnte aber davor, sich des Denkmals „auf kaltem Weg“ zu entledigen.
Sein Unmut war verhalten, aber eine deutliche Spitze gegen Grütters, für
die er Applaus bekam. „Das Land fällt nicht auseinander, wenn es länger
dauert“, sagte hingegen Stölzl.
Wenn man lange genug wartet, wird sich das Ganze tatsächlich erledigt haben
– die Löwengruppe des Kaiser-Wilhelm-Denkmals etwa steht heute im
Wildgehege des Tierparks. Zunächst wird die Debatte im Parlament in die
nächste Runde gehen.
7 Sep 2016
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
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Berlin
Deutsche Einheit
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Denkmalschutz
München
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