# taz.de -- Explosionen in Dresden: Bombiger Tag der Deutschen Einheit | |
> In der Stadt detonieren vor einer Moschee und dem Kongresszentrum | |
> Sprengkörper. Dort soll die Feier der Wiedervereinigung stattfinden. | |
Bild: Das Moscheegebäude nach dem Anschlag | |
DRESDEN taz | Die Druckwelle hat die massive Tür an der Rückseite des | |
türkisfarbenen Moschee-Flachbaus im Dresdner Stadtteil Cotta eingedrückt. | |
Der dahinter gelegene Flur ist verrußt, außen reichen die Schmauchspuren | |
bis unter das Dach. Zwölf mit einem Benzin-Gas-Gemisch gefüllte Flaschen | |
sollen die Explosion ausgelöst haben. | |
„Wir hätten alle sterben können“, übersetzt einer der Söhne des Imams H… | |
Turan für die Journalisten. Die Familie mit zwei Söhnen im Alter von sechs | |
und zehn Jahren wohnt unmittelbar hinter diesem Eingang. Der Dresdner | |
Polizeipräsident Horst Kretschmar schließt nicht aus, dass sich das gesamte | |
Gebäude hätte entzünden können. Obschon die Sprengsätze selbst gebastelt | |
waren, ließen sie doch auf professionelles Vorgehen schließen. | |
Zwei Explosionen hat es am späten Montagabend in Dresden gegeben. Um 21.53 | |
Uhr wurde die Familie des Imams in Cotta brutal aufgeschreckt, 25 Minuten | |
später detonierte ein Sprengsatz auf der großen Terrasse des | |
Internationalen Kongresszentrums am Elbufer. Hier sind die Folgen | |
vergleichsweise gering. | |
Ein Bekennerschreiben ist bisher nicht aufgetaucht. Polizeipräsident | |
Kretschmar bekräftigte aber den Verdacht, dass hinter dem Anschlag auf die | |
Moschee ein „fremdenfeindliches“ Motiv stecken könnte. | |
## Bürgerfest und Bundesprominenz | |
Zugleich stellte er für beide Anschläge einen Bezug zu den bevorstehenden | |
Feierlichkeiten am Jahrestag der Deutschen Einheit her. Traditionell | |
richtet das Bundesland diese Feiern aus, das den Vorsitz im Bundesrat | |
innehat. Vom 1. bis zum 3. Oktober werden in Dresden zu einem Bürgerfest | |
etwa 750.000 Besucher erwartet. Die gesamte Bundesprominenz und die | |
Ministerpräsidenten der Länder werden zu vier Protokollterminen erwartet. | |
Im Kongresszentrum will Bundespräsident Joachim Gauck einen Empfang geben. | |
Der Anschlag genau an diesem Ort könnte eine verunsichernde Wirkung | |
beabsichtigt haben. | |
In der Semperoper ist zum Jahrestag der Deutschen Einheit ein Staatsakt | |
vorgesehen. Bald darauf wollen Pegida-Anhänger zu ihrer montäglichen Runde | |
aufbrechen. Nicht auszuschließen sind unschöne Begegnungen zwischen der | |
Politprominenz und rechtsradikalen Pöblern. | |
Die Auswirkungen der beiden Anschläge auf die bevorstehenden Einheitsfeiern | |
waren am Dienstag in der Stadt sichtbar. Die Polizei hat die Einrichtung | |
eines Kontrollbereichs vorgezogen, wo anlasslos Kontrollen vorgenommen | |
werden können. Der Aufbau von 1.400 Betonklötzen hat begonnen. Knapp vier | |
Kilometer Zaunabsperrungen werden zum Schutz der 80 Hektar umfassenden | |
Partymeile aufgebaut. Die fünf islamischen Einrichtungen Dresdens, darunter | |
drei Moscheen, werden rund um die Uhr bewacht. „Ab jetzt sind wir im | |
Krisenmodus“, sagte Polizeipräsident Kretschmar. | |
Von den Pegida-Kundgebungen und einer Demonstration linker Gruppen am | |
Montag erwartet die Polizei „keine konfrontative Stimmung“. Die 2.600 | |
Polizisten und verdeckten Zivilstreifen ließen „einen Anschlag auf das | |
Protokoll mit Waffen oder Sprengmitteln eher unwahrscheinlich erscheinen“, | |
meinte der Polizeipräsident. Sachsens Innenminister Ulbig ermunterte zum | |
unbeeindruckten Besuch der Feiern. „Die Menschen werden ein tolles Fest der | |
Deutschen Einheit feiern“, zeigte er sich optimistisch. | |
## Solidarität gezeigt | |
Zum Stand der Ermittlungen wollten am Dienstag weder der Polizeipräsident | |
noch das beauftragte Operative Abwehrzentrum gegen linke und rechte Gewalt | |
OAZ Details bekannt geben. „In alle Richtungen“ werde ermittelt, sagte | |
OAZ-Chef Bernd Merbitz. Einen Zusammenhang zu der am gleichen Abend | |
stattfindenden Pegida-Demonstration stellt derzeit niemand her. | |
Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verurteilte scharf den „feigen | |
Anschlag“. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), | |
Integrationsministerin Petra Köpping und Wissenschaftsministerin Eva-Maria | |
Stange (beide SPD) besuchten am Vormittag die Moschee. Sie wolle angesichts | |
dieser „verabscheuungswürdigen Tat“ zeigen, dass im Stadtteil auch ein | |
anderer Geist herrsche, sagte Stange, die hier ihren Wahlkreis hat. Für den | |
Dienstagabend war eine Solidaritätskundgebung geplant. | |
Solidarität bekundeten am Vormittag schon mehrere Mitglieder der | |
Islamischen Gemeinde. Ein junger Mann fürchtete eine weitere Eskalation der | |
Gewalt bis hin zu Mordanschlägen. Die Gemeinde werde sich nicht vor Angst | |
verkriechen, aber man werde künftig „mit vier statt zwei Augen hinschauen“. | |
27 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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