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# taz.de -- Keine Hoffnung in italienischem Bergdorf: Mehr Tote als Einwohner
> Das zentralitalienische Bergdorf Saletta hat nur 20 ständige Einwohner.
> An einen Wiederaufbau glauben die Überlebenden nach dem Erdbeben nicht.
Bild: Hoffnung und Glaube an einen Wiederaufbau gibt es im zerstörten Saletta …
Saletta afp | Das schwere Erdbeben in Zentralitalien ist für viele Orte in
der Region eine Tragödie. Hunderte Menschen starben, zahlreiche Häuser
stürzten zu Schuttbergen zusammen. Für Saletta, ein winziges Bergdorf in
der Nähe von Amatrice, bedeutet das Beben nach Einschätzung der wenigen
überlebenden Einwohner das Ende ihres Heimatortes. Sie glauben nicht, dass
genug Geld fließen wird für den Wiederaufbau eines Dorfes, das vor dem
Beben nur 20 ständige Einwohner zählte und alljährlich erst durch die
Sommertouristen so richtig zum Leben erwachte.
Die Opferzahl in Saletta ist höher als die der ständigen Einwohner: Nach
dem Beben vom Mittwoch wurden 22 Leichen in dem Bergdorf gefunden. Zwar
lebten nur 20 Menschen das ganze Jahr über in dem Ort, in dem der Winter
lang und beschwerlich ist. Doch im Sommer kamen Jahr für Jahr viele
Besucher in die malerische Ortschaft.
„Das Dörfchen wurde von der Landkarte radiert“, sagt Stefania Nobile, eine
zierliche weißhaarige Frau. „Das ist eine Tragödie, es ist nichts mehr da
und wir glauben nicht, dass es hier irgendeine Zukunft gibt.“ Nobile
befürchtet, dass Salettas Schicksal die übrige Welt wenig kümmert.
Schließlich sind schon einige andere Dörfer in der Region einfach
ausgestorben. „Wer würde hierher kommen und Geld für den Wiederaufbau
investieren?“, klagt Nobile.
Der 28-jährige Marco Beltrame gibt ihr Recht. „Das Dörfchen ist tot“, sagt
er. „Niemand wird an Saletta denken, sie werden nur an Amatrice denken,
weil Amatrice groß ist.“ Saletta werde „verschwinden wie so viele kleine
Orte zuvor.“
Beltrame hat durch das Beben seine Tante und seinen Onkel verloren, die in
Saletta ein Haus hatten. Es hätte auch ihn treffen können, denn er hatte am
Vorabend des Bebens zu Besuch kommen sollen, hatte es sich aber im letzten
Moment anders überlegt. Nach dem Beben fuhr er sofort hin.
„Dieses Haus hier – das da, das nur noch ein Haufen kaputter Steine ist –
ist das Haus meiner Tante und meines Onkels“, erzählt er. „Sie haben es
nicht verlassen, sie haben es nicht geschafft.“ Für Beltrame ist ganz
Saletta Geschichte. „Es ist vorbei“, ist er sich sicher.
Saletta hatte schon vor dem Beben schlechte Überlebenschancen. Der Weiler
besteht im Grunde aus nur einer Straße, die ein paar auf Hügeln liegende
Häuser lose miteinander verbindet. Die einzige öffentliche Einrichtung
scheint die Bushaltestelle zu sein, in der nun ein paar Überlebende
campieren, um sich vor der stechenden Sonne zu schützen. Auf der anderen
Seite sortieren Mitarbeiter des Zivilschutzes Vorräte für das
Katastrophengebiet.
In einem Garten in der Nähe hängen reife Tomaten, die vermutlich niemand je
ernten wird. Im Garten der Pension „B&B Saletta“ hängt noch Wäsche auf der
Leine und bewegt sich sanft im Wind. Doch die Pension, die wohl Salettas
wichtigster Anziehungspunkt für Touristen war, gibt es nicht mehr.
In ihren Trümmern wurden drei Todesopfer gefunden. Berichten zufolge war
einer von ihnen ein junger Mann, der kurz vor dem Beben hierher gekommen
war, um seine Freundin und deren Eltern während ihrer Ferien zu besuchen.
Zum Höhepunkt der Saison seien um die 250 Besucher im Dorf gewesen, am
Mittwoch seien die meisten zum Glück schon abgereist gewesen, sagt Stefania
Nobile. Die ständigen Einwohner kannten sich alle gut. „Es waren ältere
Paare, wirklich gute Menschen“, sagt Nobile. „Ich glaube nicht, dass jemand
von ihnen überlebt hat.“
28 Aug 2016
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