# taz.de -- Das bleibt von der Woche II: Keine Überraschung, aber ein Zeichen | |
> Sasha Waltz wird eine Art Außenministerin der freien Szene und übernimmt | |
> ab 2019 den Job der Ko-Intendantin des Staatsballetts Berlin | |
Bild: Sasha Waltz tätschelt den Regierenden Bürgermeister Michael Müller auf… | |
Es gibt Künstler, die sich neu erfinden und trotzdem treu bleiben. Dazu | |
gehört Sasha Waltz. Ab 2019 wird sie, so gab es am Mittwoch der Regierende | |
Bürgermeister Michael Müller bekannt, Ko-Intendantin des Staatsballetts | |
Berlin. Eine Überraschung ist das nicht, schließlich war sie schon 2013 im | |
Gespräch; eine Grundsatzentscheidung schon – für beide Seiten. | |
Als die in Karlsruhe aufgewachsene Tänzerchoreografin 1993 über Amsterdam | |
und New York nach Berlin kam, muss sie mit ihrem punkig-rockigen Schick und | |
ihrer Anpack-Energie gut zur rauen Postwendestadt gepasst haben. | |
Ihr erstes großes Erfolgsstück ist nach der Marzahner Hauptverkehrsstraße | |
„Allee der Kosmonauten“ benannt. Das war Slapstick-gespeiste tänzerische | |
Sozialreportage zu einer Zeit, als sich noch kein Mietflüchtling dorthin | |
verirrte. Gespielt wurde das Stück zur Eröffnung der Sophiensæle. Das | |
Theater, das heute einer der wichtigsten Spielorte der Freien Szene ist, | |
haben Sasha Waltz und ihr Mann Jochen Sandig mitbegründet. | |
Ohne das Paar sähe die Berliner Tanzlandschaft heute ganz sicher anders | |
aus. Bereits 1993 hatten sie die Kompanie Sasha Waltz & Guests aus der | |
Taufe gehoben, über Strecken die einzige freie Tanzkompanie Berlins, die | |
ihre Tänzer*innen fest an sich binden und ein Monatsgehalt zahlen konnte. | |
Weitere gemeinsame Stationen waren die Schaubühne und ab 2005 der von | |
Sandig entdeckte heutige Arbeitsort, das Radialsystem V, gleich hinterm | |
Ostbahnhof, am Spreeufer. Ein selbst gemachtes und selbst finanziertes | |
Raumparadies mit Wasser- und Himmelsblick. | |
## Aushängeschild hin oder her | |
Bei all dem Gang durch die Instanzen, bei all den dazugehörigen | |
Finanzierungskämpfen blieb Waltz’ künstlerische Arbeit nie auf der Strecke. | |
Aber sie wandelte sich stark. Auf eruptive, psychologische Stücke mit | |
Tanzrethorik im Nähmaschinentakt folgte eine kontemplativere Phase mit der | |
zentralen „Körper“-Trilogie, darauf die Erfindung der „Choreografischen | |
Oper“. | |
Durch die Oper stieß Waltz dann auf das Ballett. Damit machte sie einen | |
Schritt, der sie aus dem Kontext, in dem sie bis dahin wahrgenommen wurde, | |
löste. Seitdem war sie nur noch Sasha Waltz, kein Aushängeschild mehr der | |
freien zeitgenössischen Tanzszene. | |
Paradoxerweise könnte sich das gerade durch ihre Berufung ans Staatsballett | |
wieder ändern. „Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass die gläserne | |
Decke langsam porös wird“, so formuliert es Christophe Knoch, Sprecher der | |
Koalition der Freien Szene, erfreut am Rande der Pressekonferenz im Roten | |
Rathaus. | |
Die gläserne Decke, das ist die kulturpolitische Ebene, die Berliner | |
Künstler*innen, die in der Stadt etwas bewegen, den Weg nach ganz oben | |
verhängt. Sasha Waltz bricht durch. | |
10 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Astrid Kaminski | |
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