# taz.de -- Braunkohleabbau in Deutschland: Geld einsacken und abwandern | |
> Die tschechische Firma EPH könnte zum größten Kohlekonzern in Deutschland | |
> werden. Doch Braunkohle ist nicht rentabel und die Firma suspekt. | |
Bild: Aus dem Braunkohletagebau ist nicht mehr viel rauszuholen – nur mit kru… | |
Während neben Eon auch RWE und Vattenfall fast schon panisch aus der Kohle | |
aussteigen, steigt ein tschechischer Finanzinvestor gerade ganz groß ein. | |
Die Energetický a Průmyslový Holding – kurz EPH – steht im Verdacht, mit | |
dem Kauf des Braunkohlereviers in der Lausitz nur auf Profit aus zu sein | |
und ökologische und soziale Fragen zu vernachlässigen. So jedenfalls | |
formuliert es die [1][Umweltschutzorganisation Greenpeace in einem gestern | |
publizierten Schwarzbuch]. Der Titel: „Wie ein windiger Investor Politik | |
und Wirtschaft zum Narren hält“. | |
Zuerst hatte die EPH 2011 das mitteldeutsche Fördergebiet südlich von | |
Leipzig und die dortige Braunkohlegesellschaft Mibrag gekauft. Dann folgte | |
2013 das Helmstedter Revier in Niedersachsen. Jetzt könnte EPH der ganz | |
große Deal gelingen: Mit dem Kauf des Lausitzer Vattenfall-Geschäfts würden | |
die Tschechen zum größten Kohlekonzern in Deutschland aufsteigen. Die Tinte | |
unter den Kaufverträgen ist längst trocken, es fehlt lediglich das Okay der | |
europäischen Kartellbehörde. „Wir erwarten eine positive Entscheidung noch | |
im Herbst“, sagt Vattenfall-Sprecher Stefan Müller. | |
Dabei ist völlig unklar, warum die Tschechen hierzulande in die Kohle | |
einsteigen. Durch den Ausbau der Erneuerbaren ist so viel Strom im Netz, | |
dass er an der Börse immer billiger wurde. Für eine Megawattstunde, die ein | |
Stromkonzern im nächsten Jahr liefert, bekommt er nicht einmal mehr 23 | |
Euro. Vor vier Jahren waren es noch mehr als doppelt so viel. „Aktuell ist | |
es nicht einmal mehr möglich, die Betriebskosten der Kohlekraftwerke wieder | |
einzuspielen“, sagt Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen im | |
Sächsischen Landtag. Deshalb leiden die Kohlekonzerne hierzulande. | |
Vattenfall meldete 2013 einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro, 2014 waren | |
es 2,2 Milliarden, 2015 kamen noch mal 2,1 Milliarden Euro dazu. Deshalb | |
will Vattenfall seine Kohlesparte loswerden. | |
Fragt sich: Was wollen die Tschechen mit den Verlustbringern? „Wir sind ja | |
noch nicht Eigentümer von Vattenfalls Kohlegeschäft“, erklärt EPH-Sprecher | |
Daniel Častvaj gegenüber der taz. Deshalb könne er auch noch nichts | |
Konkretes zu den Geschäftsplänen sagen. | |
## Tschechischer Kohleausstieg | |
Eine Idee ist der tschechische Kohleausstieg. Das nordböhmische Kohlebecken | |
war vor der „samtenen Revolution“ in Tschechien ein ähnliches ökologisches | |
Katastrophengebiet wie das mitteldeutsche Chemiedreieck oder der Südraum | |
Leipzigs. 1991 beschloss das Parlament, dass es in Tschechien keine neuen | |
Tagebaue geben darf. Spätestens 2020 sind die bestehenden Gruben | |
ausgekohlt. Die EPH betreibt mehrere Braunkohlekraftwerke und ist nach dem | |
tschechischen Staatskonzern ČEZ der zweitgrößte Stromproduzent des | |
Nachbarlandes. Soll also in Deutschland geförderte Braunkohle die | |
Versorgung der tschechischen EPH-Kraftwerke sichern? | |
„Die Mibrag lieferte 2015 etwa eine Million Tonnen Braunkohle an ein | |
Tochterunternehmen in Tschechien“, erklärt eine Sprecherin des Konzerns der | |
taz. Der dortige Kohlelieferant habe kurzfristig die Belieferung des | |
Wärmekraftwerkes Opatovice beendet, also sprang die Mibrag ein. „Zum | |
Jahresende 2015 wurden die Lieferungen wieder eingestellt“, so die Mibrag. | |
Deutsche Braunkohle für tschechische Kraftwerke – dies sei unter | |
wirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Option, sagt Pao-Yu Oei, der an der | |
TU Berlin Energiemarktmodellierung lehrt: „Lausitzer Braunkohle hat einen | |
Heizwert von zwischen 7.800 und 9.500 Kilojoule pro Kilogramm, tschechische | |
bring es aber auf bis zu 20.560 Kilojoule pro Kilogramm.“ Je geringer der | |
Heizwert, umso mehr Kohle muss durch die Gegend gefahren werden, um eine | |
bestimmte Strommenge zu produzieren. Lausitzer Kohle nach Tschechien zu | |
transportieren, das ist nicht wirtschaftlich. | |
Was steckt dann hinter dem Kaufinteresse? „Wir sehen zwei Optionen“, sagt | |
Tobias Münchmeyer, Ko-Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace in | |
Berlin: „Entweder spekuliert EPH darauf, dass nach dem Atomausstieg in | |
Deutschland mit Braunkohle noch einmal Geld zu verdienen ist. Oder die EPH | |
versucht einfach nur Geld aus der Vattenfall-Sparte rauszuziehen, um sich | |
aus dem Staub zu machen.“ Für die zweite Option spreche die intransparente | |
Struktur von EPH. „Das sind, wenn man es bis auf die Eigentümer | |
zurückverfolgt, echte klassische Briefkastenfirmen mit Standort Nikosia, | |
Zypern“, sagt Münchmeyer. Die zu schließen und Insolvenz anzumelden sei | |
kein Problem. | |
## Geld für die Rekultivierung | |
Tatsächlich bekommt die EPH von Vattenfall für das Lausitzgeschäft noch 1,7 | |
Milliarden Euro dazu – Geld, das für die Rekultivierung ausgekohlter | |
Tagebaue gedacht ist. „Wenn die Landesregierungen in Sachsen und | |
Brandenburg versäumen, Sicherungsmechanismen in die Kaufverträge | |
einzuziehen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Geld zur | |
Rekultivierung fehlt“, sagt Münchmeyer der taz. Die | |
Rekultivierungs-Rückstellungen der Mibrag hätten sich seit dem EPH-Einstieg | |
auf unter 100 Millionen Euro mehr als halbiert. Münchmeyer: „Das Geld floss | |
in die Taschen der EPH-Investoren.“ | |
„Das stimmt nicht“, widerspricht Sylvia Werner, Sprecherin der Mibrag | |
gegenüber der taz. „Rückstellungen für die Rekultivierung wurden aufgrund | |
einer Rechtspflicht resultierend aus dem | |
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes von 2009 neu bewertet.“ | |
Gerd Lippold, Energiepolitiker der Grünen in Sachsen, sieht aber noch ein | |
anderes Geschäftsmodell, dass er „Systemgewinn“ nennt: Die tschechischen | |
Investoren lassen einfach die deutschen Steuerzahler blechen. Zum Beispiel | |
Buschhaus: Nach ihrem Einstieg gab die EPH der Kraftwerksbelegschaft eine | |
Arbeitsplatzgarantie bis ins Jahr 2030. „Aber nur, um die Bundesnetzagentur | |
zu zwingen, das Kraftwerk in die so genannte Reserve aufzunehmen“, sagt | |
Lippold. | |
Weil in Deutschland viel zu viel Strom produziert wird, hatte die Regierung | |
Anreize gesucht, damit Betreiber speziell alter Kohlekraftwerke ihre | |
Anlagen stilllegen. Buschhaus wird nun am 1. Oktober stillgelegt. Dennoch | |
verdient EPH viel Geld damit. Vier Jahre lang zahlen die Stromkunden dafür, | |
dass sie keinen Strom produzieren – höchstens im Falle eines Engpasses. | |
„Kaltreserve“ nennt sich das – vermutlich das derzeit einzige | |
Geschäftsmodell, mit Kohlekraftwerken Geld zu verdienen. | |
8 Sep 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/schwarzbuch-eph | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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