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# taz.de -- Nordkoreanisches Café in Spanien: Blaues Blut und rotes Herz
> Alejandro Cao de Benós ist Besitzer des Café Pjöngjang in Katalonien. Mit
> ihm will der Spanier dem Sozialismus doch noch zum Sieg verhelfen.
Bild: Südkoreanisches Bier und Bitter Lemon: Das Pjöngjang-Café in Tarragona
Tarragona taz | Das „einzige nordkoreanische Café der westlichen Welt“
liegt im Erdgeschoss eines Wohnhauses im Bahnhofsviertel des spanischen
Tarragona neben dem Gesundheitszentrum mit Drogenberatungsstelle. Touristen
verirren sich selten hierher.
Wer aber absichtlich in die Carrer de Rebolledo kommt, wird enttäuscht. Das
Pjöngjang-Café hat null Ambiente. Hinter der Milchglastür ist ein
schlauchartiges Lokal mit langem Tresen, weißen Resopaltischen und
Barhockern von Ikea. Solche Bars gibt es viele in Spanien. Im Kühlschrank
steht Hite-Bier, „Made in South Korea“, dem Klassenfeind, daneben Schweppes
und Mineralwasser. Mehr Nordkorea ist nur auf den gerahmten Plakaten: Da
recken Soldaten der glorreichen Armee heroisch das Maschinengewehr in die
Höhe.
Um 16 Uhr nachmittags ist Alejandro Cao de Benós alleine in seinem Lokal.
Tritt der erste Gast ein, nimmt er Haltung an, drückt den Rücken durch und
stellt den Fernseher an. Auf dem Bildschirm in der Lounge-Ecke singt jetzt
das Verdiente Staatliche Chorensemble das Loblied auf General Kim Jong Un.
Der General ist Koreas starker Geist. Der General ist Koreas pulsierendes
Herz. Er führt die große Sache von Juche zum Ruhm. Er ist der große General
Kim Jong Un.
Alejandro Cao de Benós de Les y Pérez, so der volle Name des Barbesitzers,
ist Sonderbeauftragter des Komitees für Kulturelle Beziehungen mit
ausländischen Ländern. So steht es auf der Visitenkarte. Er ist adeliger
Abstammung und Präsident sowie einziges bezahltes Mitglied der von ihm
gegründeten Korean Friendship Association. Da es genau so kompliziert ist,
Lizenzen für eine Vereinsstätte zu beantragen wie für ein Lokal, hat er im
Juli das Pjöngjang-Café eröffnet. Sein Ziel: der Welt die Wahrheit über die
Demokratische Volksrepublik Korea zu verkünden. Der Männerchor singt:
Der General ist Klugheit aller Menschen. Der General ist ewiges Glück für
uns. Er erbaut mit der Kraft der Liebe das Paradies. Er ist der große
General Kim Jong Un.
## Ein Titel wird für ihn erfunden
„Die Volksrepublik ist das einzige Land der Erde, in dem Gerechtigkeit
herrscht“, sagt der Sonderbeauftragte. Was mit den Berichten von
Exekutionen, von Konzentrationslagern für Andersdenkende sei? „Zu 90
Prozent falsch, zu zehn Prozent Übertreibungen.“ Die fehlende
Pressefreiheit? „Im Kapitalismus schreibt auch kein Journalist, was er
denkt, sondern was der Verlag ihm befiehlt.“ Neuer Versuch: Wann hat er
sich in Nordkorea verliebt? „Mit 16“, sagt Cao de Benós. Anfang der 90er
war das. Spanien bereitete sich auf die Olympischen Spiele vor, in den
Radios lief Technotronics „Pump up the Jam“. Die kommunistische
Militärdiktatur war wohl das, was dem Mainstream am meisten entgegenlief.
Cao de Benós reiste nach Madrid, bat bei der nordkoreanischen Botschaft um
Aufnahme in die Volksarmee. Soldaten habe man genug, beschied man ihm. Er
solle lieber einen Kulturverein gründen. Geschätzte 150 Mal war er seither
in Nordkorea – alleine, mit Touristen, mit Filmteams. Im Jahr 2002 wird er
zum Sonderbeauftragten ernannt, der Titel wird für ihn erfunden. Einmal
darf er für den Geliebten Führer Kim Jong Il singen. Jedes Mal, wenn er ins
Flugzeug zurück nach Europa steige, blute ihm das Herz, sagt er. „Die
Misere des Kapitalismus zu ertragen, ist mein Opfer für den Aufbau des
Sozialismus.“
Im Fernsehen blühen hellrosa die Kirschbäume, Geigen schmelzen, Kinder
singen:
Blau ist der Himmel, glücklich mein Geist. Alle Menschen leben versöhnt
miteinander. Mein Land ist unendlich gut. Unser Vater ist Marschall Kim Il
Sung. Unser Haus ist der Schoß der Partei.
## Die fehlende Disziplin des Westens
Zwei grauhaarige Männer haben sich an den Tisch am Eingang gesetzt,
gegenüber der Handbibliothek zu Konfuzianismus, Buddhismus und der
nordkoreanischen Juche-Ideologie. Cao de Benós serviert Kamillentee und
Zitronenlimo, setzt sich dazu. Das Gespräch dreht sich um Fußball und
Politik. Das Problem der westlichen Linken, sagt er, sei die fehlende
Disziplin. Die beiden nicken. Man müsse den Individualismus überwinden,
sagt er, den westlichen Egoismus. In Nordkorea sei die Nation eine Familie,
die Kims träfen Entscheidungen als fürsorgliche Väter. „Auch mein Vater hat
Entscheidungen getroffen, die ich zunächst nicht verstanden, aber
akzeptiert habe.“ Wieder nicken die beiden.
Ein dritter Gast hat seinen Laptop aufgeklappt. Der Informatiker ist
Mitglied der Korean Friendship Association und nutzt das Lokal als
Arbeitsplatz. Derzeit entwickelt er eine Verschlüsselungssoftware. Zwei
Jahrzehnte hat er als Leibwächter gearbeitet, „mit dem Recht zum
Waffengebrauch“, wie er betont. Erst in Rumänien, dann in Transnistrien.
„Ein großartiges Land“, sagt er, klickt durch seine Fotogalerie: Panzer mit
Soldaten in Uniform, Panzer mit Zivilisten. Ein Kriegerdenkmal mit ewiger
Flamme. Dazwischen Bilder seiner Gastgeberin, hochschwanger. „Mir gefällt,
wenn Menschen ihre Traditionen ehren. Ich war zwar noch nie in Nordkorea,
aber ich glaube, dort ist es ähnlich.“
## Pailettenbesetzte Fischschwanzkleider im TV
Im Fernsehen kommt jetzt die Moranbong-Band, Kim Jong Uns langbeinige Girl
Group. Die zwölf Musikerinnen tragen pailettenbesetzte Fischschwanzkleider.
Den Auftakt ihrer „World Famous Songs“ macht der italienische Gassenhauer
„Soleado“.
Lalalalaaa, lalalalalaaaaa
lalalalaaa, lalalalalaaa
Wer zu Cao de Benós im Netz recherchiert, stößt in der überschaubaren
Nordkorea-Fanzone bald auf kritische Stimmen. Ein Blogger wirft dem
Genossen vor, er stelle Filmteams horrende Gebühren für Vermittlungsdienste
in Rechnung und führe kaum etwas an die Volksrepublik ab: „Alejandro, übe
Selbstkritik!“
Zuletzt geht es im Café zum Devotionalienschrein. In der Vitrine liegen
Souvenirs: Aufnäher mit der nordkoreanischen Flagge für acht, Metallpins
für zehn Euro. Am besten verkauft sich die Biografie. Nicht die von Kim Il
Sung, sondern seine. Alejandro Cao de Benós: „Blaues Blut, rotes Herz“.
„Viele wollen, dass ich ein Exemplar signiere“, sagt er, legt die Hände auf
den Rücken und wippt in den Knien. Fast sieht der Sonderbeauftragte jetzt
aus wie Kim Jong Un. Auf seinem 40 Quadratmeter großen Café-Territorium ist
er der Größte.
5 Sep 2016
## AUTOREN
Julia Macher
## TAGS
Spanien
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