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# taz.de -- Rechtsstreit um Helmut-Kohl-Biografie: Kalter Krieg um das Vermäch…
> Fünf Millionen Euro will Kohl von seinem Exbiografen. Das Landgericht
> Köln deutet an, in welche Richtung das Urteil gehen kann.
Bild: Was bleibt von Kohl in Erinnerung?
Berlin taz | Mitunter hat ein Streit auch komische Seiten. Zum Beispiel der
zwischen dem Journalisten Heribert Schwan auf der einen und Altkanzler
Helmut Kohl auf der anderen Seite. Auf Amazon, wo Schwans 2014 erschienenes
Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Tagebücher“ bestellt werden kann, wird das
Werk angepriesen mit dem Vermerk „Bestseller Nr. 1“ – in der Kategorie
„Kalter Krieg“. Nicht die schlechteste Umschreibung für den Kampf, den Kohl
und Schwan austragen. Es geht immerhin um satte fünf Millionen Euro
Schadenersatz, die Kohl von seinem einstigen Biografen fordert. Und um die
Herausgabe von Tonbandaufnahmen.
In dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln erging am Donnerstag erst
einmal nur ein Beschluss. Bis zum nächsten Termin am 8. Dezember hat das
Gericht „Auflagen und Hinweise“ an beide Parteien erteilt. Es macht aber
auch deutlich, wohin die Reise gehen könnte. Die Kammer gehe „dem Grunde
nach von einem bestehenden Ersatzanspruch des Klägers wegen einer
Persönlichkeitsrechtsverletzung“ aus. Um die Höhe festzulegen, müsse die
Klägerseite jedoch „noch weiter vortragen“.
Die Beklagten wiederum – besagter Heribert Schwan und sein Koautor Tilman
Jens – sollen „eine vollständige Abschrift und eine digitalisierte Kopie
der streitgegenständlichen Tonbänder vorlegen“. Ein Ansinnen, das Schwan
noch im Gericht von sich gewiesen haben soll.
Was ist da „streitgegenständlich“ fünf Millionen Euro wert? Nach Ansicht
Helmut Kohls nichts weniger als sein politisches Vermächtnis. Zwischen 2001
und 2002 hat der Politiker Schwan insgesamt sechshundert Stunden Interviews
gegeben. Der hatte den Auftrag, Kohls Biografie zu schreiben.
## Eine für beide Seiten nützliche Zusammenarbeit
Seine vorhergehenden Werke schienen dem Altkanzler gefallen zu haben. 2010
hatte Schwan „Helmut Kohl – Virtuose der Macht“ veröffentlicht, 2012 „…
Frau an seiner Seite: Leben und Leiden der Hannelore Kohl“ über Kohls 2001
verstorbene erste Ehefrau. Nachdem aber 2014 in „Vermächtnis“
Originalzitate von Helmut Kohl über dessen politische WegbegleiterInnen
erschienen waren, fand die für beide Seiten nützliche Zusammenarbeit ein
abruptes Ende.
In dem Buch hieß es unter anderem über Angela Merkel, diese „konnte ja
nicht richtig mit Messer und Gabel essen. Sie lungerte bei den Staatsessen
herum, sodass ich sie mehrfach zur Ordnung rufen musste.“ Zur Europapolitik
der späteren Kanzlerin und ihres damaligen Fraktionschefs Friedrich Merz
bemerkte Kohl, Merkel habe „keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende ist
ein politisches Kleinkind“. Kritiker aus der eigenen Fraktion wie Norbert
Blüm, Rita Süßmuth und Heiner Geißler nannte er „hinterfotzig“.
Als das Buch 2014 erschien, setzten Kohls Anwälte durch, dass die
entsprechenden Passagen geschwärzt werden. Bis dahin waren bereits 200.000
Ausgaben verkauft worden. Außerdem verlangen sie seither die Herausgabe der
Tonbänder und deren Abschriften. Schwan weigerte sich, der Forderung
nachzukommen, bot aber an, eine Kopie der Aufnahmen dem Koblenzer
Bundesarchiv zu übergeben. Er sei der Meinung, dass Historiker „mit den
Bändern arbeiten sollten“.
## Angefasster Altkanzler
Kohls Anwälte verklagten Schwan und Jens daraufhin auf fünf Millionen Euro
Schadenersatz wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten. In ihrer
Begründung schrieben sie laut Spiegel, das „Machwerk“ sei „an
Geschmacklosigkeit, Skrupellosigkeit und Schändlichkeit dem Kläger
gegenüber nicht zu überbieten“. Allein der Wortwahl ist zu entnehmen, wie
angefasst Kohl sein muss. Seit der Kanzler a. D. 2008 einen schweren Sturz
erlitten hat, lebt er mit seiner zweiten Ehefrau Maike Kohl-Richter äußerst
zurückgezogen in Oggersheim.
Kohl gilt als eine der wichtigsten Figuren der europäischen Einheit.
Zuletzt war von ihm Ende 2014 der Appell „Aus Sorge um Europa“ erschienen.
In dem Buch spart er nicht mit Kritik an heute verantwortlichen
PolitikerInnen. Die Bild-Zeitung und ihr damaliger Chefredakteur Kai
Diekmann feierten das Werk maximal. Diekmann verbindet eine private
Freundschaft mit Helmut Kohl und Maike Kohl-Richter.
Bei Amazon gibt es „Das Vermächtnis“ übrigens auch als Sammlerstück für
78,35 Euro. In der Widmung wünscht ein gewisser „Helmut Kohl“ eine
„spannende Lektüre“. Möglicherweise ein neuer Fall für Kohls Anwälte.
25 Aug 2016
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
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