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# taz.de -- Flüchtlinge im Irak: In Sicherheit, aber in Not
> Im Kampf gegen den IS haben die irakischen Streitkräfte wichtige Erfolge
> erzielt. Für die Menschen vor Ort ist das Leid aber noch immer groß.
Bild: Ein Leben zwischen Containern und Zelten: Flüchtlinge im Dibaga-Camp am …
Dibaga ap | Wenige Kilometer entfernt herrscht der IS. Vor der sunnitischen
Terrormiliz sind die Flüchtlinge im irakischen Dibaga in Sicherheit. Doch
auch hier ist das Leben für viele kaum zu ertragen. Denn das Lager platzt
aus allen Nähten: Allein in der vergangenen Woche sind nach Angaben der
Lagerverwaltung etwa 3.000 Menschen hinzugekommen. Ihre Hoffnungen ruhen
auf den Regierungssoldaten, die mit einer Großoffensive die nahegelegene
Stadt Mossul befreien wollen. So lange gekämpft wird, müssen sie allerdings
unter erbärmlichen Umständen warten.
Insgesamt haben etwa 28.000 Menschen in dem Lager von Dibaga Schutz
gesucht. Sie hausen in Zelten, Containern oder behelfsmäßigen Hütten. Viele
schlafen ganz einfach auf dem Boden. Erschwerend kommt hinzu, dass alle
männlichen Neuankömmlinge zunächst aufwendig verhört werden. Viele Familien
sind daher getrennt und können sich nur durch die Lücken in einem
Maschendrahtzaun hindurch verständigen. In Teilen des Lagers wächst
inzwischen die Wut.
Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass dies erst der Anfang ist. Zwei
Jahre nach der Eroberung von Mossul durch den sogenannten Islamischen Staat
stehen die Chancen auf eine Vertreibung der Terroristen zwar nicht
schlecht. Im Rahmen der dabei zu erwartenden Kämpfe könnten nach
Schätzungen der Vereinten Nationen und des Internationales Komitees vom
Roten Kreuz aber noch bis zu eine Million Menschen zur Flucht gezwungen
werden. Und die örtlichen Behörden in der Provinz Ninive sind schon jetzt
mit dem derzeitigen Zustrom überfordert.
Bei bisherigen Offensiven gegen den IS hatten die irakischen Streitkräfte
bewusst ganze Dörfer und Städte entvölkert, um die Menschen aus der
Schusslinie zu bringen. Vor allem bei der Befreiung von Falludscha im
Sommer war der Preis für die Zivilbevölkerung hoch. Wegen unzureichender
Planung und mangelnder Ressourcen saßen während der Operation Zehntausende
Menschen in der Anbar-Wüste fest – ohne Obdach und überwiegend mit nur
wenig Nahrung und Wasser.
## Höllenmarsch durch die Wüste
Während die Streitkräfte nun, ausgehend von dem kürzlich zurückeroberten
Luftwaffenstützpunkt Kajara, auf Mossul vorrücken, wollen sie eine weitere
humanitäre Katastrophe verhindern. „Die Lage der Vertriebenen in den Lagern
ist schrecklich“, sagt der Oberst Faris Baschir al Dulaimi in der
Kommandozentrale in der Stadt Machmur. „Im Verlauf ihres Vorstoßes sorgen
unsere Truppen nun dafür, dass mehr Menschen in ihren Häusern bleiben.“ Für
die Betroffenen ist allerdings auch diese Strategie gefährlich. Denn
zuletzt kam es nach der „Befreiung“ eines Gebiets nicht selten zu
Gegenangriffen der IS-Kämpfer.
Abdullah Ahmed und seine junge Familie mussten gerade zwei Tage zu Fuß
durch die Wüste laufen, nachdem sie aus ihrem Heimatort Kajara geflohen
waren. Der jüngste Sohn hätte den Höllenmarsch fast nicht überlebt – der
sieben Monate alte Ibrahim war unterwegs aufgrund des Flüssigkeitsmangels
ohnmächtig geworden. Nur dank der Hilfe eines irakischen Militärarztes
konnte er gerettet werden.
Im Lager von Dibaga angekommen, war für die Familie kein überdachter
Schlafplatz mehr zu finden. Stattdessen mussten sie in einem offenen Hof
vor dem Gebäude der Lagerverwaltung auf platt gedrückten Kartons nächtigen.
„Egal, wie die Zustände hier sind, wir sind froh, dass wir hier sind“, sagt
Ahmed. Die letzten Tage in Kajara seien grauenhaft gewesen. Als die
Streitkräfte näher gerückt seien, hätten die IS-Kämpfer mit öffentlichen
Massenerschießungen begonnen. „Wenn man jetzt dort hinfahren würde, dann
würde man an allen großen Kreuzungen noch immer die Leichen herumliegen
sehen.“
Andere Bewohner des Lagers sind weniger zufrieden. Viele beklagen sich über
die harschen Bedingungen und die strengen Überprüfungsprozesse – die
meisten Männer werden eine Woche lang intensiv befragt; außerdem werden
ihnen ihre persönlichen Dokumente abgenommen, weil die Behörden
individuelle Bewegungen der Lagerbewohner besser unter Kontrolle haben
wollen.
Durch ein Tor zu einem Verwaltungsgebäude schreit eine Gruppe junger Männer
bewaffnete Wachposten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen an. „Das hier
ist wie ein langsamer Tod“, ruft einer von ihnen in der drückenden
Mittagshitze. Die Menge hinter ihm wirbelt mit den Füßen eine Wolke aus
feinem Staub auf.
„Wir leben hier wie in einem Gefängnis“, sagt der 20-jährige Hajtham Fatw…
Gemeinsam mit Hunderten anderen Männern und Jungen müsse er in einer
einfachen Moschee innerhalb des Lagers auf dem Fußboden schlafen. „Hätten
wir gewusst, wie es hier sein würde, wären wir nie geflohen.“
9 Aug 2016
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