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# taz.de -- Gefährdete Art in Australien: Kein Platz für Koalas
> Bergbau, Zersiedelung, Klimawandel und Krankheiten machen Koalas das
> Leben schwer. Dabei sind sie in Australien ein Wirtschaftsfaktor.
Bild: In ihrer Heimat Australien werden die Koalas immer weniger
Canberra taz | Koalas machen chinesischen Investoren das Leben
schwer. In der Nähe der Stadt Gunnedah will die staatliche
chinesische Shenhua-Gruppe Kohle im Tagebau gewinnen. Doch es
steht ein Wald im Weg, in dem Hunderte der Tiere leben. Zur
Erleichterung der Firmenmanager erlaubte das Umweltgericht des
Bundesstaates New South Wales nun, den Wald abzuholzen. Zuvor will
Shenhua „die dort lebenden 262 Koalas umsiedeln“. Die Tiere sollen
eingefangen, in Säcke gesteckt und in einem anderen Wald ausgesetzt
werden.
Die Gerichtsentscheidung ist von australischen Umweltschützern
bestürzt aufgenommen worden. Die Vorsitzende der Australian
Koala Foundation (AKF), Deborah Tabart, spricht von einem Fehler,
der auf überschätzten Zahlen der Koala-Population basiere, die
Shenhua der Verwaltung vorgelegt habe. Demnach sollen zwischen
8.613 und 16.893 Koalas dort leben, wo die Mine geplant ist. „Diese
Zahlen sind komplett falsch“, so die Aktivistin. AKF habe in einer
eigenen Untersuchung nicht mehr als 1.300 Tiere gezählt.
Wildtier-Experten bestätigen das.
Landesweit ist die Gesamtzahl der Koalas seit den neunziger Jahren
um bis zu 95 Prozent geschrumpft, zwischen 43.000 und 100.000 Tiere
leben noch in Australien. Koalas – übrigens keine Bären, sondern
Beuteltiere, die wie Kängurus ihre Jungen für längere Zeit in einer
Bauchtasche aufziehen – sind empfindliche Tiere. Sie reagieren mit
Stress auf neue Umgebungen und sind auf spezielle Nahrung
spezialisiert. Sie fressen nur die Blätter einer Handvoll der über
700 verschiedenen in Australien vorkommenden Eukalyptusarten.
Nicht überall sind die Beutler bedroht, an einzelnen Orten gibt es
sogar zu viele von ihnen.
Etwa auf der südaustralischen Känguru-Insel, auf die Koalas im
letzten Jahrhundert eingeführt worden waren. Heute leiden die Tiere
dort an Futtermangel. Sie einzutüten und in Gebiete umzusiedeln,
wo es an ihnen mangelt, wird von Laien immer wieder als Rezept
vorgeschlagen, um den landesweiten Rückgang der Gesamtzahlen
aufzuhalten. Doch solche Aktionen sind selten von Erfolg gekrönt.
Nach einem Umzug steigt die Todesrate unter den Tieren innerhalb
eines Jahres um 40 Prozent, haben Forscher festgestellt.
## Hungertod und gefährliche Haustiere
Manchmal wird die Überbevölkerung zur Tragödie. Zwischen 2012 und
2014 mussten im Bundesstaat Victoria bis zu 700 Koalas von Rangern
getötet werden. Die staatlich sanktionierte Aktion machte
weltweit Schlagzeilen. Sie war nach Ansicht der Regierung aber der
einzige Weg, die Tiere vor dem Hungertod zu retten. Die Koalas
hatten ihren immer kleiner werdenden Lebensraum kahl gefressen.
„Das war keine Keulung, sondern ein Euthanasieprogramm für Koalas,
die in einem unheilbar schlechten körperlichen Zustand waren“, so
die Universitätslektoren und Wildtier-Ökologen Ben Moore und
Desley Whisson.
Auch an der australischen Ostküste geht es den Tieren an den Kragen.
In diesem Teil des Landes sind es weniger Industrie und Bergbau, die
ihr Leben gefährden, sondern der Traum des Australiers vom
Eigenheim. Wo sich die Vororte der Großstädte in die Wildnis
fressen, etwa südlich von Brisbane, geht die Zahl der Koalas
dramatisch zurück. Für sie bedeuten neue Straßen, Einkaufszentren
und Häuser häufig den Hungertod, sofern sie nicht vorher von einem
Auto überfahren oder von einem Haustier angegriffen und verletzt
werden.
Die australische Regierung tut wenig, um die Tiere zu schätzen, dabei
sind sie längst ein Wirtschaftsfaktor. Der „Koala-Knuddel“-Tourismus
und Tierparks bringen pro Jahr bis zu einer Milliarde australische
Dollar (650 Millionen Euro) an Devisen ins Land.
## Weitere gefährdete Arten
Erst 2012 waren Koalas zur „gefährdeten Tierart“ erklärt worden.
Seither fordern Organisationen eine höhere Einstufung auf der
Liste der bedrohten Tiere. Nirgendwo ist die Situation prekärer
als im Bundesstaat Queensland, wo die Tiere buchstäblich um ihre
Existenz kämpfen. Die Zerstörung der ohnehin schon eingeschränkten
Lebensräume geht mit rasender Geschwindigkeit weiter. „Bulldozer
zerstören pro Tag eine Fläche Wald von der Größe von 1.300
Einfamilienhäusern mit Garten“, sagt Martin Taylor,
Wissenschaftler bei der Umweltorganisation WWF.
Der Raubbau eskalierte, nachdem die frühere konservative
Regierung von Queensland entsprechende Gesetze zum Schutz von
Koalas über den Haufen geworfen hatte. Seither rodeten Bauern und
Bauunternehmen über 40.312 Hektar Koala-Lebensraum. Darin lebten
neben den Beuteltieren noch über 200 weitere, zum Teil gefährdete
Tier- und Pflanzenarten, sagt Taylor. Wo früher Natur war, stehen
heute Einfamilienhäuser oder weiden Fleischrinder.
Als ob Minen, Bulldozer und Straßen keine genügend große Bedrohung
für Koalas wären, leiden die Tiere zunehmend auch unter Krankheiten.
Durch sexuellen Kontakt übertragene Chlamydien hat zur
Unfruchtbarkeit ganzer Kolonien geführt. In den immer engeren
Lebensräumen bereitet sich die Krankheit rasch aus. Etwa die Hälfte
aller Koalas in Australien könne sich als Folge der Infektion nicht
weiter vermehren, sagen Experten.
Zudem isolierten Forscher vor ein paar Jahren ein neues Virus, das, dem
Aids verursachenden Erreger ähnlich, eine tödlich endende
Krankheit auslösen kann. Schließlich stellen Wissenschaftler seit
einiger Zeit fest, dass die Auswirkungen des Klimawandels bereits
deutliche negative Konsequenzen für Koalas haben. Die
empfindlichen Tiere könnten mit den in Australien immer häufiger
und heftiger werdenden Hitzewellen und Dürreperioden kaum
umgehen, warnen Experten. Zudem schwäche der höhere Anteil von
Kohlendioxid in der Atmosphäre den Nährstoffgehalt in den
Eukalyptusblättern. Und das ist die einzige Nahrung, die diese
niedlichen, aber extrem pingeligen Tiere überhaupt in den Mund
nehmen.
1 Aug 2016
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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Schwerpunkt Klimawandel
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