# taz.de -- Barossa Valley: Nippvisite in Down Under | |
> Das Tal in Australien kennen viele vom Flaschenetikett. Ein Besuch in | |
> einem Weinbaugebiet, das sich auf den Klimawandel einstellen muss. | |
Bild: Bei der Weinernte im Barossa Valley | |
Hinter einer dicken Tür, eine steile Steintreppe weiter unten, ist das | |
Barossa Valley auf einmal weit weg. Keine sonnenbeschienenen Rebenreihen | |
mehr, durch die Kängurus hopsen. Keine eukalyptusbewachsenen Flussläufe, | |
keine Farmers Markets, keine Kirchen, keine alten Windräder. Eingetauscht | |
gegen Dämmerlicht, Feuchtigkeit und Kellergeruch. Hier unten warten einige | |
Tropfen, die gleich ins Probierglas kommen. | |
Weinexperten würden jetzt vermutlich von Bitterschokolade, Brombeerlikör, | |
Schwarzkirsche und mineralischen Tönen sprechen. Wer diese Termini nicht | |
auf Lager hat, sagt einfach nur „Wow“ und versucht, nicht vom Barhocker zu | |
kippen. Die Gutsbesitzer Michael und Anabelle Waugh bewässern die teils | |
uralten Weinstöcke auf Greenock Creek bewusst nicht, da sie die kleineren, | |
intensiveren bevorzugen. Sie kaufen auch keine Früchte zu, was in der | |
Gegend eigentlich gängige Praxis ist. | |
In diesem kleinsten Degustationsraum des Barossa Valley findet sich genau | |
das, wofür das Tal weltberühmt ist: vor allem Shiraz, dazu Cabernet | |
Sauvignon und Grenache. Die Leute sind stolz auf die Tradition, die alten | |
Böden, die europäischen Wurzeln sowohl der Menschen als auch der | |
Weinstöcke, die Siedler seit 1840 in die neue Welt mitbrachten. | |
Bei den Artisans of Barossa, am Fuß des Mengler Hill, ist alles modern und | |
hip. Wenn auch umgeben von Rebbergen, fehlt doch das eigentliche Weingut. | |
Sieben kleine Winzer haben sich zusammengeschlossen, um hier ihre Weine zu | |
präsentieren. Alleine könnte sich das keiner von ihnen leisten. Sie | |
errichteten eigens ein Gebäude mit einer großen Terrasse, einem Garten, | |
einer Weinbar und einem kleinen Restaurant, das lokale Gerichte anbietet | |
und passenderweise Harvest Kitchen heißt. | |
## Von Kellertür zu Kellertür | |
Der Blick geht über die Weinberge, die hier ja gar keine sind. Angebaut | |
wird bevorzugt in der Ebene. Die Gipfel der Gegend bleiben rebenfrei. Grund | |
dafür: Am Hang braucht man mehr Wasser, und das ist rar. Dass die Trauben | |
nicht genügend Sonne bekommen könnten, ist im heißen Süden Australiens | |
ohnehin nicht die Sorge. Ein großer Tisch junger Australier macht sich | |
gerade auf den Rückweg nach Adelaide – oder zieht weiter zum nächsten | |
Cellar Door. | |
„Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“ Dieses | |
Goethe-Zitat ist an der Probiertheke des Weinguts Tscharke an der | |
Seppeltsfield Road in Stein gemeißelt. Sind wir hier wirklich auf der | |
anderen Seite der Erde? Tatsächlich waren es deutschsprachige Siedler, die | |
fast alles, was mit Wein zu tun hat, hierhergebracht haben. | |
Ein Weingut heißt Kellermeister, eine berühmte Lage Steingarten, ein | |
Naturschutzpark Kaiserstuhl, ein Ort Krondorf und ein Dessertwein Schluck. | |
Es gibt Mettwurst, Sauerkraut und Strudel. Wieso also nicht auch Goethe? | |
Nicht dass Damien Tscharke sehr an Vergangenem und Traditionen hängen | |
würde. | |
## Nachhaltiger Weinbau, ein Trend | |
Er ist ein Vertreter der jungen Winzer. Offen für Veränderungen, bereit, | |
Dinge neu zu denken. Zwar gibt es auf seinem Weingut weiterhin Klassiker | |
wie Shiraz und Grenache, aber auch neue Sorten. Der Winzersohn studierte | |
nachhaltigen Weinbau, rüstet die Familienweinberge um für die nächste | |
Generation. „Ich konzentrierte mich auf Sorten, die in den Regionen der | |
alten Welt kultiviert worden sind, die dem Klima des Barossa nicht so fern | |
sind. Wir waren die Ersten, die in Australien Montepulciano pflanzten, | |
bauen aber auch Graciano, Touriga und Tempranillo an.“ Inzwischen hat er | |
aus diesen Trauben Weine gekeltert, die schon mit ihren Namen | |
demonstrieren, dass sie mit viel Behäbigem Schluss machen: So nennt er den | |
Touriga „Matching Socks“, den Montepulciano „Bed Hair“ und den Savagnin | |
„Girl Talk“. | |
Es verändert sich etwas im Barossa Valley, nicht nur bei ihm, findet | |
Damien: „Immer mehr Winzer finden Wege, mit der Umwelt zu arbeiten statt | |
auf deren Rücken.“ Neue Trauben halten Einzug, in der Hoffnung, dass sie | |
besser zum Klima passen. Wer sagt denn, dass die Siedler vor 150 Jahren die | |
perfekten Sorten an Bord hatten? Nur weil die Weinstöcke nun so alt sind | |
und man das Barossa Valley für seinen Shiraz kennt, muss das ja nicht immer | |
so weitergehen. | |
Die Umwelt ist in zweifacher Hinsicht belastet. Zum einen durch den | |
intensiven Weinbau. Tatsächlich sehen Teile des Barossa Valley aus, als | |
hätte sie jemand penibel mit dem Kamm bearbeitet. Wo man hinschaut, ziehen | |
sich die exakt parallelen Streifen der Weinstockreihen. Die zweite Bürde | |
aber ist der Klimawandel, der sich im südlichen Australien deutlich | |
bemerkbar macht. Es wird immer heißer und trockener. | |
Ist der Wein aus dem Barossa deshalb bedroht? Nach manchen Prognosen wird | |
ein Großteil der australischen Weinbaugebiete Mitte des Jahrhunderts dafür | |
nicht mehr geeignet sein. Ein paar Winzer haben sich schon vorausschauend | |
nach Tasmanien orientiert, wo es deutlich kälter ist. | |
## Der simulierte Klimawandel | |
Die allermeisten aber bleiben. „Wir alle haben den Klimawandel auf dem | |
Schirm“, meint auch Damien, „aber er bedroht unsere Zukunft nicht so sehr, | |
wie die Medien das vermuten lassen – der Anbau von Trauben und die | |
Weinherstellung sind sehr anpassungsfähig.“ | |
Begleitet vom schrillen Piepen des Gurtwarners fährt Michael McCarthy von | |
seinem Büro in Nuriootpa hinüber zum zugehörigen Weinberg. Der groß | |
gewachsene, gebürtige Adelaider mit den wilden Haaren, dem grauen Vollbart | |
und der sonnenverwöhnten Nase interessiert sich nicht die Spur für die | |
Alarmtöne seines Autos. Er sorgt sich vielmehr um die Warnsignale der Natur | |
und vor allem um die Zukunft des Weins. Aus den Lagen, zu denen er | |
unterwegs ist, werden keine berühmten Tropfen gekeltert. Man versucht nicht | |
einmal, das Beste aus ihnen herauszuholen. Im Gegenteil. | |
Michael und seine Mitarbeiter schaden den Reben ganz bewusst. Plastikplanen | |
halten den so dringend gebrauchten Niederschlag ab. Das Gras darunter fängt | |
bereits an zu sterben. Denn hier geht es nicht um eine gute Ernte, sondern | |
um stichhaltige Ergebnisse. Diese Reben sind Teil eines Versuchsweinbergs | |
des landwirtschaftlichen Forschungszentrums, der den Klimawandel simuliert. | |
Wie sehen die Barossa-Weinberge in 30 oder 50 Jahren aus? Welche Ernte ist | |
zu erwarten? Welche Traubenqualität? Wie geht es den Weinstöcken? Und vor | |
allem: Wie schmeckt der Wein, den man keltert? Die Klimavorhersagen für die | |
Gegend gehen von 15 bis 20 Prozent weniger Regen und um 2 bis 3 Grad | |
gestiegene Temperaturen aus. | |
All das kann hier simuliert werden, indem zuerst der Regen abgehalten und | |
dann je nach Vorhersage durch Sprinkler ersetzt wird. Dabei beurteilt man | |
nicht nur die Trauben und die Ernte. Unter der Erde beobachten Minikameras | |
in transparenten Röhren den Zustand der Wurzeln. Bestenfalls erhofft man | |
sich Lösungen. Denn der Wein ist der wichtigste Arbeitgeber, macht den | |
Wohlstand der Gegend aus, ist auch Leidenschaft und Tradition. | |
Eines ist dem Wissenschaftler schon jetzt klar: „Man muss trockener, wärmer | |
und für mehr Menschen denken.“ Soll man daher auf andere Sorten gehen? | |
Shiraz wird in Zukunft nicht mehr wie Shiraz schmecken, so viel ist sicher. | |
Denn durch Wärme entsteht mehr Alkohol, aber weniger Geschmack. | |
Wird sich der Gaumen der Kunden daran gewöhnen? Und wie will man den | |
fehlenden Regen ausgleichen? Die hier übliche Tröpfchenbewässerung wird | |
nicht ausreichen, so die Hypothese, denn sie befeuchtet nur rund 10 Prozent | |
des Wurzelballens. Und Sprinkleranlagen verbrauchen viel Wasser, was schon | |
jetzt rar ist. „Wir müssen also daran arbeiten, wie man Mutter Natur | |
austrickst“, meint Michael. | |
Das Barossa Valley ohne Weinreben und ohne Wein, ohne das Ploppen von | |
Korken – das könnte sich ohnehin niemand vorstellen. | |
15 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Anja Martin | |
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