| # taz.de -- Grüne Spitzenkandidatin Ramona Pop: Die Frau aus der Mitte | |
| > Die Grüne Ramona Pop könnte in Berlin Regierende Bürgermeisterin werden. | |
| > Das muss ihre Partei erst einmal verkraften. | |
| Bild: Sie ist keine, die aussitzt. Ramona Pop kann auch kämpfen | |
| Berlin taz | Sie weicht der Frage aus. Das müsse man sehen, da könne noch | |
| viel passieren. Was Politiker halt so sagen, wenn sie nichts sagen wollen | |
| zum Thema, wie das denn nun sei, wenn die Grünen am 18. September stärkste | |
| Partei werden. Vielleicht muss sie sich auch noch gewöhnen in die neue | |
| Rolle als Spitzenkandidatin, möglicherweise in die als Bürgermeisterin, die | |
| Frau aus dem Viererteam. | |
| Vier Wochen vor den Abgeordnetenhauswahlen gewinnt der Berliner Wahlkampf | |
| an Fahrt. Vier Parteien liegen in den Umfragen quasi gleichauf, zwischen 16 | |
| und 21 Prozent. Ein „Weiter so“ mit der Großen Koalition, die unter Michael | |
| Müller seit 2011 regiert, ist sehr unwahrscheinlich. Alles scheint möglich, | |
| nicht nur Rot-Rot-Grün, sondern auch Grün-Rot-Rot. | |
| Und das würde heißen: Ramona Pop könnte Regierende Bürgermeisterin werden, | |
| eine schlanke 38-jährige Frau mit dunklen schulterlangen Locken, die mehr | |
| als ein Drittel ihres Lebens schon Abgeordnete ist. Mit 24 zog sie 2001 | |
| erstmals ins Parlament ein. Damals war sie die Jüngste. Heute gehört sei zu | |
| den erfahrensten Politikerinnen im Landtag, der hier Abgeordnetenhaus | |
| heißt. Wenn die Grünen in Berlin ein Gesicht haben, dann ihres. | |
| ## Ein Viererteam für alle Flügel | |
| Dass ihre Partei dieses Gesicht noch einmal brauchen würde, überrascht die | |
| Grünen. Schließlich ist einer der wichtigsten Gründe, warum es in Berlin | |
| keine Spitzenkandidatin gibt, dass es lange nicht so aussah, als könnte | |
| Pops Partei vielleicht die Regierungschefin stellen. Im März haben sie | |
| dieses Viererteam aus den grünen Landeschefs Bettina Jarasch und Daniel | |
| Wesener sowie den beiden Fraktionsvorsitzenden Antje Kapek und Ramona Pop | |
| aufgestellt. Das sollte in erster Linie alle Parteiflügel beruhigen. | |
| Bis ins Frühjahr hinein hatte die SPD Umfragewerte von 27 bis 29 Prozent, | |
| es sah nach einem sicheren Weiterregieren in Berlin aus. Seit 2001 stellt | |
| die SPD den Regierungschef, seit 1989 regiert sie im Senat mit. Die Grünen | |
| stabilisierten sich bei 17 bei 18 Prozent und schienen damit durchaus | |
| zufrieden – bei der jüngsten Wahl 2011 kamen sie auf 17,3 Prozent. | |
| Das war Rekord für die Partei und eine große Enttäuschung: Es war das Jahr | |
| von Fukushima und des ersten Kretschmann-Erfolgs in Baden-Württemberg. In | |
| Umfragen lagen die Grünen in Berlin lange bei 30 Prozent. Zum ersten Mal | |
| hatten sie mit Exbundesministerin Renate Künast nicht nur eine | |
| Spitzenkandidatin benannt, sondern auch den Posten des Regierungschefs als | |
| Wahlziel ausgegeben. Künast scheiterte. | |
| Bis heute schmerzt und spaltet dieses Ergebnis die Partei, in Linke und | |
| Realos, in solche, die mehr Personalisierung für richtig halten, und jene, | |
| die das ablehnen. Als die Grünen ihr Spitzenquartett nominierten, sprach | |
| Parteichef Jarasch kühl von einer „starken personalisierten Zuspitzung auf | |
| eine Spitzenkandidatin in der jüngeren Vergangenheit“ – ohne den Namen | |
| Künast zu nennen. Auf dem Parteitag stimmten dann nur 60 Prozent dafür, die | |
| wie Künast aus dem Realo-Flügel kommende Ramona Pop auf Platz eins der | |
| Landesliste zu setzen. | |
| Pop ging danach mit mühsam aufrechterhaltenem Lächeln durch den Tagungsraum | |
| und wirkte noch schmaler als sonst. Sie kannte den herben Umgangston | |
| innerhalb ihrer Partei allerdings schon. 2014 drohte ihr ein linkes | |
| Fraktionsmitglied mit Abwahl und verbat sich „unerbetene Ratschläge aus der | |
| dritten Reihe“. | |
| ## Keine Integrationsfigur nach innen | |
| Das schlechte Wahlergebnis versuchte Pops Umfeld noch schönzureden. Doch | |
| als bei einem weiteren Parteitag fünf Wochen später, dieses Mal zum | |
| Wahlprogramm, nach einer Rede von Ramona Pop ein großer Teil der | |
| Parteilinken weder klaschte noch aufstand, während der Pop-Anhang stehend | |
| applaudierte, war die Kluft offensichtlich. Pop mag außerhalb der Partei | |
| als das Gesicht der Berliner Grünen gelten, eine Integrationsfigur nach | |
| innen ist sie nicht. Sie hat auch nie versucht, das Linke bei den Grünen | |
| mal wenigstens ein bisschen zu bedienen. | |
| Als Pop 2001 in das Abgeordnetenhaus einzog, führte die taz ein Interview | |
| mit ihr. Darin spricht dieselbe pragmatisch-nüchterne Frau, die heute die | |
| Fraktion im Landesparlament führt. Pop kam zwar als vormalige Bundeschefin | |
| der Grünen Jugend ins Parlament, war aber nie für den Lautsprecherton zu | |
| haben, mit dem Jugendverbände aller Parteien auf sich aufmerksam machen. | |
| Klar, sie klopfte Sprüche. An der Spitze ihrer Partei seien graue Männer in | |
| grauen Anzügen, das war in Richtung Jürgen Trittin, Joschka Fischer, Rezzo | |
| Schlauch gemeint. Aber sonst war sie 2001 schon die Reala, die sie heute | |
| ist: Ansprüche könne man erst anmelden, wenn man mit dem neuen Umfeld | |
| klarkommt, sagte sie damals im Café Strandbad Mitte zu ihrer neuen Rolle | |
| als Abgeordnete. Oder: „Ich bin Feministin und rasiere mir trotzdem die | |
| Beine.“ | |
| 15 Jahre später gibt es dieses Café immer noch, was alles andere als normal | |
| ist im Bezirk Berlin-Mitte, der noch mehr als andere von Mieterwechsel und | |
| Verteuerung geprägt ist. Keine 200 Meter entfernt will Pop an diesem | |
| Nachmittag an einem Wahlkampfstand ihrer Partei stehen. Sie hat diesen | |
| Wahlkreis 2011 gewonnen; es war der einzige Direktwahlsieg der Grünen | |
| außerhalb ihrer Hochburgen in Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. | |
| ## Einen weiten Weg gegangen | |
| 200 Meter Distanz zwischen damals und heute. Pop ist einen weiten Weg | |
| gegangen. Abgeordnete, Haushaltspolitikerin, seit 2009 Kofraktionschefin | |
| neben dem später von der Fraktionslinken weggemobbten Volker Ratzmann, | |
| ebenfalls Realo, ein Jahr lang alleinige Vorsitzende, danach erneute | |
| Doppelspitze. 2011 schien sie kurz davor, ein Regierungsamt zu übernehmen – | |
| doch dann koalierte der damalige Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) lieber | |
| mit der CDU. | |
| Ist Ramona Pop eine, die einfach nur viel aushalten kann? Eine, die so | |
| lange sitzen bleibt und nichts falsch macht, bis niemand außer ihr mehr | |
| übrig bleibt? | |
| Sie kann anders. Pop wollte im Januar 2013 nach der erneuten Verschiebung | |
| der Eröffnung des Berliner Flughafens das Ende von Klaus Wowereit erzwingen | |
| und setzte ein Misstrauensvotum durch. Sie verschätzte sich. Die | |
| SPD-Genossen wollten Wowereit zwar loswerden, sich aber nicht von den | |
| Grünen dazu drängen lassen. Pop hielt Wowereit im Amt. Der Versuch, ihn | |
| abzuwählen, war aus heutiger Sicht ein Fehler, zeigt aber: Pop ist keine | |
| Aussitzerin, sie kämpft. Klaus Wowereit war der eine laute Mann, mit dem | |
| sie sich angelegt hat. Gerade ist es Frank Henkel von der CDU. | |
| ## Zwei Staatsbürgerschaften | |
| Als Zehnjährige war Pop mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin aus Rumänien | |
| nach Deutschland gekommen, sie studierte Politologie in Münster und Berlin. | |
| Sie hat die rumänische und die deutsche Staatsangehörigkeit und wäre die | |
| erste nach Deutschland eingewanderte deutsche Ministerpräsidentin. | |
| Pop hat ihren Migrationshintergrund nicht oft erwähnt, bis 2015. Als | |
| Tausende Flüchtlinge in Budapest am Hauptbahnhof festsaßen, erzählte Pop, | |
| dass sie als Kind ebenfalls über Budapest einreiste. Dann forderte | |
| CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel ein Ende der doppelten | |
| Staatsangehörigkeit. Pop nahm das persönlich. | |
| Sie sei drauf und dran gewesen, zur rumänischen Botschaft zu gehen und | |
| wieder einen Reisepass zu beantragen, erzählt sie in dieser Woche bei einem | |
| Pressegespräch. | |
| Seit Langem hat sie Kontakte zu CDU-Politikern gehalten und kein Bündnis | |
| ausgeschlossen, um nicht von der SPD abhängig zu sein. Doch an diesem Tag, | |
| bei diesem Gespräch, ist Ramona Pop sehr klar: Eine Koalition mit der CDU | |
| werde es nicht geben. | |
| 20 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Grüne Berlin | |
| Ramona Pop | |
| Lesestück Interview | |
| Michael Müller | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Abgeordnetenhauswahlen 2016 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Grüne Fraktionschefinnen in Berlin: „Wir sind ein Hort der Stabilität“ | |
| Im Vergleich zu den Machtkämpfen bei SPD und CDU sehen sich die | |
| Grünen-Kandidatinnen Ramona Pop und Antje Kapek mit ihrem Spitzenteam gut | |
| aufgestellt. | |
| Michael Müller im Interview: „Auch die Grünen haben dazugelernt“ | |
| Klaus Wowereit stand für „arm, aber sexy“. Wofür steht Michael Müller? D… | |
| taz verrät der Regierende, was ihn politisch und menschlich antreibt. | |
| Option grün-schwarze Koalition: Grüne Spitze lehnt Weichenstellung ab | |
| Ein Jahr vor der Bundestagswahl machen Spekulationen über Schwarz-Grün die | |
| Runde. Grüne Spitzenpolitiker wollen sich aber noch nicht festlegen. | |
| Michael Müller (SPD) über Koalitionen: „Wichtig ist die Frage der Überschr… | |
| Der Regierende Bürgermeister will mehr Gerechtigkeit in Berlin erreichen. | |
| Mit den Grünen gehe das, weil sie bisher keine Bauprojekte ausschließen. |