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# taz.de -- ARD-Doku über NS-Täter Klaus Barbie: Böse ohne Ende
> Eine Dokumentation zeigt neu entdecktes Material über den Naziverbrecher
> Klaus Barbie. Im Fokus steht seine Zeit in Bolivien.
Bild: Klaus Barbie, 1987 vor Gericht in Lyon
Ja, schon wieder ein Film über Klaus Barbie. Doch diese neue Dokumentation
über den „Schlächter von Lyon“ weiß durchaus neue Facetten zu beleuchten…
weil die Autoren Peter F. Müller und Michael Mueller für „Mein Name sei
Altmann“ neues Material aufgespürt haben: von bislang unveröffentlichten
Tonbandaufnahmen bis hin zu Schriften, die Klaus Barbie 1983 im Gefängnis
von Lyon verfasst hat.
Unglücklich ist allerdings, wie sie die Rezitation der selbst gezimmerten
Gedankengebäude des bösen Mannes inszenieren – nämlich als
Reenactment-Quatsch. Da sitzt Barbie (dargestellt von Felix von Manteuffel)
in einer telegenen Schreibklause hinter Festungsmauern und schreibt seine
Memoiren auf, die er zeitgleich aus dem Off vorliest.
Andere Filme – etwa die „Hamburger Lektionen“ aus dem Jahr 2006 – haben
gezeigt, dass man am effektvollsten aus diesen Gedankengebäuden der bösen
Männer rezitiert, wenn Schauspieler sie ganz nüchtern, vor neutralem
Bildhintergrund vortragen. Manfred Zapatka hat das damals meisterhaft
gemacht, als er die Hasspredigten des Imans aus der Hamburger
Al-Quds-Moschee so vortrug. Distanzierend, nicht identifizierend. Dass
Felix von Manteuffel bei der Darstellung von Klaus Barbie an diese
Meisterleistung nicht heranreicht, hat vor allem etwas mit der albernen
Inszenierung der Schreibklause zu tun.
Schade ist das auch, weil die Dokumentation ansonsten zeigt, dass die
Autoren Müller und Mueller ein derart beschränktes Reenactment gar nicht
nötig gehabt hätten. „Mein Name sei Altmann“ ist auch eine Fleißarbeit.
Zwölf Zeitzeugen kommen in dem 45-Minüter vor, darunter der ehemalige
Stern-Journalist Gerd Heidemann (der mit den Hitler-Tagebüchern), die
hartnäckigen Barbie-Jäger Beate und Serge Klarsfeld, ein ehemaliger
BND-Chef, die Witwe des ehemals weltgrößten Drogenbarons von Bolivien und
ein ehemaliger deutscher Söldner in Bolivien.
Und es gibt diese – „bislang nie veröffentlichten“ – Tonbandaufnahmen,…
denen Barbie einen genauso reuelosen und doch ganz anderen Ton anschlägt
als in seinen schriftlichen Memoiren: „Und diese elf oder zwölf Mann waren
die ersten Offiziellen, die erschossen wurden. Und ich hatte das
Erschießungskommando. Da ist mir schlecht geworden, als ich die ganzen
Gehirne wegspritzen sah. Aber wir mussten’s machen.“ Da erzählt der
inzwischen ehemalige SS-Mann, wie das damals so war im Weltkrieg.
Der Weltkrieg wird allerdings ebenso knapp abgehandelt wie Barbies Prozess
und Verurteilung. Es geht den Autoren um das Dazwischen: Ihre Dokumentaton
trägt die Unterzeile „Das zweite Leben eines Kriegsverbrechers“.
## „Unser Mann in La Paz“
Es geht darum, wie also der gesuchte Kriegsverbrecher mit amerikanischer
und vatikanischer Hilfe nach Bolivien gelangt, wo er sich nur kurz als
Verwalter eines Sägewerks bescheidet. Er kann einem vorkommen wie der
Bösewicht in einer Fortsetzungsgeschichte: Was immer in den folgenden
Jahrzehnten in Bolivien Übles geschieht, Barbie, der sich jetzt Altmann
nennt, scheint seine Finger im Spiel zu haben. Sogar die tödliche Falle für
Che Guevara soll er ausbaldowert haben. Für Unternehmer in Sachen Putsch
und Folter, Waffen und Drogen ist Barbie/Altmann der Partner der Wahl. Und
für den Westen ist er „unser Mann in La Paz“.
Es war die Zeit, als die rechten Juntas Lateinamerikas sich unter Anleitung
der USA vernetzten und sich von ihnen Fähigkeiten in den Bereichen Mord und
Verschwindenlassen lehren und zertifizieren ließen. Nur vor diesem
Hintergrund ist heute noch verständlich, warum jahrzehntelang kaum jemand
in Europa – die notorischen Klarsfelds ausgenommen – ein Interesse an der
Auslieferung eines Mannes hatte, der mehrere tausend Menschen, Kinder
darunter, hatte foltern, deportieren und ermorden lassen.
„Mein Name sei Altmann“, 15.August 2016, 23.30 Uhr, ARD
15 Aug 2016
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
NS-Verbrechen
Bolivien
ARD
Schwerpunkt Nationalsozialismus
NS-Verfolgte
BND
NS-Verbrechen
Dokumentarfilm
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