| # taz.de -- Kolumne Bestellen und Versenden: Die Wimps von der AfD | |
| > Gegnerbeobachtung: Die AfD will die deutsche Leitkultur schützen und | |
| > argumentiert in ihrem Parteiprogramm erwartbar ethnopluralistisch. | |
| Bild: Voll bis oben hin mit Wimp-Nationalismus: Björn Höcke | |
| Genauso lange wie die AfD für ihr Grundsatzprogramm brauchte, dauerte es, | |
| bis ich mich zur Lektüre des Kulturteils durchringen konnte. Meine | |
| berufliche Pflicht – Gegnerbeobachtung! – ließ mir am Ende keine Wahl. In | |
| dem Abschnitt „Kultur, Sprache und Identität“ betritt die Partei das | |
| Schlachtfeld Kultur – und ist dort ganz bei sich. | |
| Die Rede ist von „deutscher Leitkultur“, deren „unverwechselbare | |
| Eigenheiten“ vor den „ernsten Bedrohungen“ Multikulti, Political | |
| Correctness und „falsch verstandener ‚Internationalisierung‘ “ geschüt… | |
| werden müssten. Das könnte alles auch im Abschnitt 13.7. „Fischerei, Forst | |
| und Jagd: Nah an der Natur“ stehen, botanisiert die AfD ihre geliebte | |
| deutsche Kulturnation doch gewissermaßen. Als vom Aussterben bedrohtes | |
| Pflänzlein muss sie vor den Giften des Universalismus und vor artfremden | |
| Kulturen behütet werden. | |
| Und was macht das deutsche Pflänzlein für die Nationalbotaniker von der AfD | |
| aus? „Das zentrale Element deutscher Identität ist die deutsche Sprache“, | |
| heißt es im Programm. Sprache ist hier wie generell im neurechten Diskurs | |
| Statthalter des Urwüchsigen, deswegen ist Political Correctness mit seinen | |
| „Sprachvorgaben“ (AfD-Programm) auch der Hauptfeind. | |
| Die anderen „Quellen“, aus der die deutsche Leitkultur sich laut AfD | |
| „speist“, eignen sich allerdings kaum für eine völkisch-organische | |
| Auslegung: Christentum, Humanismus und römisches Recht verweisen auf eben | |
| jenen moralischen Universalismus, vor dem man alles, was gutdeutsch kreucht | |
| und fleucht, ja beschützen will. | |
| ## Kulturalistisches Kaschieren | |
| Bedroht fühlen sich die Freunde der Leitkultur bekanntlich nicht nur vom | |
| Universalismus, sondern auch ganz konkret vom Islam: „Der Islam gehört | |
| nicht zu Deutschland.“ Die AfD führt deshalb einen Verteidigungskampf an | |
| zwei Fronten, gegen das Universale (allgemeine Moralregeln) und gegen das | |
| Partikulare („fremde Kulturen“). Man muss keine persönlichen Verbindungen | |
| der AfD zu neurechten Autoren aufdecken, um zu erkennen, was hier | |
| aufgekocht wird. | |
| Wie die Theoretiker des sogenannten Ethnopluralismus fantasiert die Partei | |
| starre Grenzen zwischen den Völkern und nationale Kulturen, die von fremden | |
| Einflüssen reingehalten werden müssten. | |
| Diese ideologische Operation wird von linken Autoren als „Rassismus ohne | |
| Rassen“ beschrieben, da sie kulturelle Grenzen für so unüberschreitbar hält | |
| wie der traditionelle Rassismus biologische. Die logische Konsequenz aus | |
| dieser Weltsicht kann nur eine globale Politik der Apartheid sein. | |
| Nicht erst seit dem Brexit gelten die sogenannten Abgehängten als besonders | |
| anfällig für solche Vermischungsphobien. Diese Annahme dient der | |
| bürgerlichen Mitte dazu, die niederen Schichten für unappetitliche | |
| Erscheinungen wie Rassismus verantwortlich zu machen. Man selber ist | |
| liberal und aufgeklärt. | |
| Dass das eine klassische Abspaltung ist, zeigt jede AfD-Demo, wo | |
| Oberstudienräte in Cordhosen und slicke Barbourjackenträger die Nation vor | |
| dem Fremden verteidigen. | |
| Dass die schöne Kultur nicht vor Rassismus bewahrt, sondern vielmehr dessen | |
| feinstes Format ist, hat schon Theodor W. Adorno gewusst. „Das vornehme | |
| Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein | |
| bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch“, schrieb er in einem | |
| Aufsatz mit dem Titel „Schuld und Abwehr“. Nicht zuletzt, weil sie ihren | |
| Rassismus kulturalistisch kaschiert, kann die AfD anschlussfähig werden für | |
| Zeit-Abonnenten und feingeistige Freunde des Cellos. | |
| Deutschland schwächelt, Deutschland ist arm dran, Deutschland droht was. | |
| Das Kulturprogramm der AfD reiht sich ein in das rechte Gejammer der | |
| letzten Jahre, es klingt genauso larmoyant wie all die lässigen | |
| White-Collar-Sexisten und -rassisten, die sich – um besser gehört zu werden | |
| – als bedrohte Minderheit ausgeben. | |
| Wimps nennt man in UK solche Wimmergestalten, vollgetankt mit | |
| Wimp-Nationalismus ist das AfD-Programm, das sich in der angeblichen | |
| Schwächlichkeit der deutschen Nation suhlt. Um eine auf AfD-Demos beliebte | |
| Parole höflich zu variieren: Wer glaubt, dieses Deutschland gehe wegen | |
| Political Correctness und Internationalisierung bald schon ein wie eine | |
| Primel, sollte Deutschland besser verlassen. | |
| 10 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Aram Lintzel | |
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