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# taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: Trump, IS, Blitzradikale, Migration
> Mit Internet sind sie alles, ohne Territorium nichts. Zur digitalen
> Reproduktion des Djihads und dem Diskurs zu den Attentaten von Nizza und
> Würzburg.
Bild: Hier laufen mögliche Blitzradikalisierte, wahrscheinlich aber auch Langz…
Bitte, was soll das sein, eine Blitzradikalisierung? Nachts lege ich mich
als Kunstmaler ins Bett, und morgens stehe ich als Adolf auf? Oder, es
erscheint jemand im Traum, flüstert dir ein, du bist ab sofort der Größte,
wenn du im Kampf für eine religiös-faschistische Weltdiktatur die
größtmögliche Anzahl an Menschen umbringst, Ungläubige, Polizisten, Juden,
Amerikaner, Homosexuelle, lustige Frauen und Musikfans?
Blitzradikalisierung? Eben, gibt’s eher selten. Kein Mensch radikalisiert
sich im Schlaf. Im Stillen aber schon. Wie jetzt zuletzt auch die beiden
Attentäter von Nizza und von Würzburg.
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump behauptet in seiner letzten Rede,
potenzielle Attentäter durch einen generellen Migrationsstopp für Menschen
aus „gefährlichen“ Regionen begegnen zu wollen. Ohne muslimische
Einwanderung keine solchen Attentate mehr im Westen. Eine gefährliche Idee.
Sie stellt eine gesamte Gruppe religiös-rassistisch unter Verdacht. Und
propagiert zudem selbst den ethnisch und religiös homogenen Volksstaat. Den
kann es aber nur zum Preis der Aufgabe dessen geben, was Trump vorgibt,
schützen zu wollen. Er würde im Westen das einführen, was wir im Nahen
Osten bekämpfen: totalitäre Herrschaft. Und die Feinde der Demokratie wie
den IS jubeln lassen.
Dabei kann man die Schwächen von autoritär-nationalistischen Regimen in
Nordafrika und im gesamten arabischen Raum genau beobachten. Ohne sie gäbe
es den IS auch gar nicht. Es ist ideologische Verblendung und
religiös-völkischer Omnipotenzwahn, wenn sich nun auch der neue Sultan vom
Bosporus beeilt, Gewaltenteilung und Demokratie zu liquidieren. Intoleranz
als Zeichen von Schwäche: Erdoğan, der Neoosmane nähert sich dem zu
Bekämpfenden rasant an.
## Digitales Kalifat
Doch zurück zu den Attentätern von Nizza und von Würzburg.
„Blitzradikalisierung“ oder eine direkte Steuerung durch den IS gelten als
unwahrscheinlich. Die Strategie des IS setzt eher auf ideologisch
abhängige, jedoch operativ autonom agierende Zellen. Auch die lokalen
Gruppen des IS in Irak, Syrien oder Libyen sind stark regional orientiert.
Das gemeinsame Netzwerk wird durch modernste Internettechnologie gesteuert
und supranational zusammengehalten.
Autor Abdel Bar Atwan hat „Das digitale Kalifat“ (C. H. Beck, 2016)
detailliert untersucht. Der IS benutzt auf hohem Niveau avancierteste
Verschlüsselungstechnologien. Mittelalterliche Propaganda, konspirative
Kommunikation, soziale Medien und Darknet, das gehört bei ihm alles
zusammen. Ein Sisyphos-Kampf für polizeiliche digitale Ermittler.
Der „Islamische Staat“ schafft es, für seine Fans auf der ganzen Welt eine
virtuelle Outsider-Wirklichkeit inklusive Live-Chats und Computerspielen
zu organisieren. Plus Banden gemäße Coolness. Im Cyber-Dschihad greift er
seine Feinde an, bis hinauf zu Kommandostellen der US-Army. Er hackt
Bankkonten, leert sie, die Geldflüsse wickelt er digital verschleiert ab.
Wer Abdel Bari Atwan liest, versteht vieles besser. Auch wie der IS
„einsame Wölfe“ im Westen propagandistisch erreicht und wie das digitale
Kalifat funktioniert. Und warum es deshalb so wichtig ist, die Territorien
des IS im Nahen Osten militärisch zu zerschlagen.
Denn ohne diese ist der IS auch in der virtuellen Welt ein Niemand, ein
Loser, ein Nichts.
23 Jul 2016
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
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