# taz.de -- Kommunisten treffen sich in Bremen: Vorwärts, und nicht vergessen | |
> 60 Jahre nach dem Verbot der KPD: Aufrechte Linke, verfolgte Kommunisten | |
> und Freunde der DDR treffen sich und klagen über Demokratieabbau. | |
Bild: Wenn Frederick Langer Arbeiterkampflieder singt, klingt das ein bisschen … | |
Willi Gerns ist der „Prototyp eines Revolutionärs“. Das hat ein | |
bundesdeutsches Gericht entschieden, im Namen des Volkes. Drei Mal klagten | |
sie ihn an, 30 Monate steckten ihn Richter ins Gefängnis, die zuvor den | |
Nazis gedient hatten. Er hat seine Strafe abgesessen, bis zum Schluss, | |
nichts bereut. Weil er Kommunist ist. Und sich für die seit 1956 verbotene | |
KPD engagierte. An diesem Abend erntet der 85-Jährige noch einmal großen | |
Applaus für seinen Kampf um die Arbeiterklasse. | |
„Weg mit dem schändlichen KPD-Verbot“ stand in der Einladung, in großen | |
Lettern. Gut 60 Leute sind gekommen, viele ältere Herren, ein paar Frauen. | |
Der große Saal im Bürgerhaus Weserterrassen ist voll. Fahnen haben sie | |
keine gehisst, nur einen Gitarristen engagiert, der Arbeiterkampflieder | |
singt. Als erstes, natürlich, Brechts Lied von der Einheitsfront: „Es kann | |
die Befreiung der Arbeiter/Nur das Werk der Arbeiter sein.“ Doch hier | |
singen sie alle sehr andächtig, es klingt ein wenig wie in der Kirche. | |
60 Jahre ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht die KPD verboten | |
hat. Das sind „60 Jahre Demokratieabbau“, sagt Wolfgang Meyer von der | |
Linkspartei, der Moderator. Deshalb sind sie hier noch mal | |
zusammengekommen. Allen voran Willi Gerns, den der Spiegel mal zum | |
„Chefideologen der DKP“ ernannte. Seit 1949 war er in der KPD, weil die „… | |
entschiedensten“ die Parole: „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ | |
verkörpert habe. Später war er jahrzehntelang im DKP-Vorstand. Auch deren | |
Bundesvorsitzender Patrik Köbele ist gekommen. | |
Die Linke hat die Bundestagsabgeordnete Inge Höger entsandt, die wegen | |
ihrer Kritik an Israel äußerst umstritten ist. Hier nicht. Höger ist eine | |
der SprecherInnen der antikapitalistischen Linken, die „Toilettenaffäre“ | |
hat sie mal bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. Auch sie gehört zu | |
jenen, die für die Aufhebung des KPD-Verbotes kämpfen: „Es kann jederzeit | |
gegen die Friedensbewegung zum Einsatz gebracht werden.“ Wissenschaftliche | |
Expertise bekommt der Abend von Ekkehard Lieberam, in der DDR Professor für | |
Staatstheorie und Verfassungsrecht. Als sie ihn zur Bundeswehr einziehen | |
wollten, ist er nach drüben emigriert. | |
„Rotfront!“ | |
„Die dritte Welle der Kommunistenverfolgung hält immer noch an“, sagt | |
Lieberam und erinnert an all die „Staatsangestellten“ der DDR, die nach der | |
Wende entlassen wurden. Über die DDR fällt kein böses Wort in dieser Runde, | |
einen „Unrechtsstaat“ will man sie hier nicht nennen, Höger nicht, und | |
Lieberam schon gar nicht. Die Idee, man habe in der DDR seine Meinung nicht | |
frei sagen dürfen, findet er eher absurd. | |
„Die Herrschenden haben ein vehementes Interesse daran, das Verbot der KPD | |
aufrecht zu erhalten“, sagt Lieberam, und das „unser Kampf“ dagegen „zu | |
wenig Solidarität“ bekomme. „Die demokratische Bewegung dieses Landes wird | |
immer unter dem KPD-Verbot leiden“, sagt der Vorsitzende der DKP. Von einer | |
Diktatur des Proletariats wollen sie nicht so gerne sprechen, nur davon, | |
dass eine Herrschaft der Arbeiter doch viel demokratischer wäre als die des | |
Kapitals. „Nur will die beherrschte Klasse das meist nicht erkennen und | |
sich dagegen organisieren“, sagt Köbele. | |
Inge Höger hofft auf die Friedensbewegung, Willi Gerns eher auf jene, die | |
sich gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta engagieren. Was eine | |
Aufhebung des „Schweine-Urteils“ brächte? Köbele spricht von Entschädigu… | |
von Rehabilitation, von der Rückgabe des einstigen Parteisitzes. Davon, | |
dass sie, des KPD-Verbotes wegen, „Sklavensprache“ benutzen mussten, als | |
sie 1968 die DKP gründeten. Noch vor ein paar Jahren, erzählt er, hängten | |
sie ihm auf einer Demo mal ein Verfahren an, wegen eines Sonnenschirms mit | |
KPD-Logo. | |
Als der Abend mit „Bella Ciao“ enden soll, jenem melancholischen Lied der | |
italienischen Partisanen, da erheben sie sich plötzlich, einige recken die | |
Faust. Alle stimmen die Internationale an. Sie endet mit dem Ruf | |
„Rotfront!“. Diesmal klingt es wirklich kämpferisch. | |
7 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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