# taz.de -- KPD-Politikerin Magda Langhans: "Eine absolute Respektsperson" | |
> Magda Langhans war während der NS-Zeit Widerstandskämpferin und erste | |
> Frau im Präsidium der Hamburger Bürgerschaft, doch heute erinnert sich | |
> kaum jemand an sie. | |
Bild: Engagiert: Magda Langhans Anfang der 80er Jahre. | |
Auf dem Ohlsdorfer Friedhof regnet es, der Boden ist matschig. Ganz hinten | |
am östlichen Rand zeigt ein Metallschild das Ehrenfeld für Hamburger | |
Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus an. Schlicht sind die Grabsteine, | |
nur die eingravierten Namen machen sie unterscheidbar. Nur wenige Stätten | |
sind mit Blumen geschmückt. Das von Magda Langhans nicht. | |
"Magda Langhans kenne ich nicht", war die erste Reaktion eines Mitarbeiters | |
der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Hamburg. Fast nichts erinnert in ihrer | |
Heimatstadt an sie. Langhans ist nie zur Ehrenbürgerin ernannt wurden, es | |
gibt keine Widmung für sie im Rathaus, keine Straße ist nach ihr benannt. | |
## Nur Bruchstücke | |
In der Thälmann-Gedenkstätte, in der es, neben einer Ausstellung über den | |
im Nationalsozialismus erschossenen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei | |
(KPD), ein umfangreiches Archiv zur Geschichte der norddeutschen | |
Kommunisten- und Arbeiterbewegung gibt, finden sich nach langer Suche nur | |
wenige Informationen. Es sind Bruchstücke aus dem bewegten Leben einer | |
Frau, die während des Nationalsozialismus im Gefängnis saß und nach 1945 | |
die erste Frau im Präsidium der Hamburger Bürgerschaft wurde. | |
Magda Langhans. 1903 in Hamburg-Hammerbrook in einer Arbeiterfamilie als | |
Magda Kelm geboren, 1987 in Hamburg gestorben. Sie beginnt sich früh für | |
Politik zu interessieren, tritt mit 18 Jahren in die Gewerkschaft ein, mit | |
24 in die Kommunistische Partei (KPD). Schnell übernimmt sie Aufgaben in | |
der Bezirksleitung, ab 1931 studiert sie an der Moskauer Parteischule. Was | |
Langhans Beweggründe für ihre politische Arbeit waren, warum sie in | |
Russland studierte - all das lässt sich nicht mehr feststellen. | |
"Dass sich heute keiner mehr an Magda Langhans erinnert, ist das typische | |
Schicksal einer Frau", sagt die Abgeordnete der Linken in der heutigen | |
Hamburger Bürgerschaft, Kersten Artus. Um Langhans aus der Vergessenheit zu | |
holen, hat die Journalistin [1][eine Biografie geschrieben]. Sie erscheint | |
am Dienstag, dem 25. Todestag von Magda Langhans. | |
Magda Langhans sei solidarisch und gastfreundlich gewesen, erzählt Käthe | |
Christiansen, die Langhans 1956 in der Ortsgruppe der KPD kennenlernte: | |
"Sie hat sich selbst nie in den Vordergrund gestellt." Für die junge | |
Christiansen war Langhans 1956 eine "absolute Respektperson", weil sie für | |
den Widerstand gegen die Nationalsozialisten ins Gefängnis gegangen war. | |
1931 erhält die KPD bei der Bürgerschaftswahl 22 Prozent der Stimmen, | |
Langhans wird Mitglied des Parlaments. Ab 1933 stellt die NSDAP den Senat, | |
schon ab März fehlen die Kommunisten bei den Sitzungen. "Gegen die | |
Funktionäre und Abgeordnete der KPD ist Haftbefehl ausgesprochen. Wir haben | |
keine Veranlassung, unsere Abgeordneten freiwillig der faschistischen | |
Diktatur auszuliefern und nehmen darum an der heutigen Sitzung nicht teil", | |
schreiben die KPD-Politiker, unter ihnen Langhans, an den damaligen | |
Präsidenten der Bürgerschaft, Herbert Ruscheweyh (SPD). | |
Ab dem Frühjahr 1933 verhaften die Nazis zahlreiche politische Gegner. | |
Magda Langhans ist in der Widerstandsbewegung der illegalen KPD für | |
Agitation und Propaganda zuständig, sie schreibt und verteilt Flugblätter | |
und die Parteizeitung Rote Fahne. 50 Jahre später erinnert sich Magda | |
Langhans an diese Zeit. Sie habe im Februar 1933 die 2.000 Mark Diäten für | |
alle KPD-Abgeordneten im Rathaus abgeholt, um mit dem Geld im Untergrund | |
lebenden Genossen zu helfen, schreibt sie. "Wir haben noch am 1. Mai 1933 | |
eine illegale Demonstration durch unseren Stadtteil gemacht. Da haben wir | |
die Betten abgezogen und die roten Inletts aus den Fenster hängen lassen", | |
berichtet sie. Und weiter: "Am 2. Mai besetzten die Faschisten unsere | |
Wohnung. Aber ich konnte noch ein Jahr illegal weiterarbeiten, bis ich im | |
Mai 1934 verhaften wurde." | |
Magda Langhans wird zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Über ihre Haft | |
spricht sie nie öffentlich. "Ich habe Magda nie nach ihrer Zeit im | |
Zuchthaus gefragt, die Scheu war zu groß", sagt Christiansen. Auch Magda | |
Langhans späterer Mann, der Bühnenmaler Heinrich Langhans, ist politischer | |
Gefangener. 1940, nach der Entlassung aus dem Zuchthaus, heiraten sie. 13 | |
Jahre später, zum 50. Geburtstag, sendet die Bürgerschaft Langhans ein | |
Glückwunschschreiben. "Die ersten fünfzig Jahre deines Daseins waren | |
ausgefüllt mit Verfolgung, Qual und Anerkennung", steht da. | |
Öffentliche Anerkennung erfährt Magda Langhans unmittelbar nach Kriegsende. | |
Die britische Besatzungsmacht stellt in Hamburg die "Ernannte Bürgerschaft" | |
nach politischen und ständischen Kriterien zusammen. Magda Langhans zieht | |
im Februar 1946 als eine von sieben Frauen für die KPD in die Bürgerschaft | |
ein und wird zur Vizepräsidentin gewählt. | |
## Engagierte Reden | |
"Ich bin erfreut über das Stimmergebnis und möchte auch gleichzeitig | |
feststellen, dass in diesem Hause wohl zum ersten Male eine Frau mit in das | |
Präsidium gewählt ist. Es erfüllt mich mit besonderer Genugtuung, dass auch | |
die neue Demokratie erkannt hat, dass die Frauen heute nicht mehr abseits | |
stehen dürfen beim Neuaufbau unseres neuen Deutschlands", sagt sie in ihrer | |
Dankesrede. Mit der strengen Brille und dem gestärkten Blusenkragen, den | |
sie gerne trägt, sieht Langhans fast ein wenig spießig aus. Sie war eine | |
kleine Frau, konnte kaum über das Rednerpult schauen. | |
In der Bürgerschaft fällt sie stattdessen mit engagierten Reden auf. Magda | |
Langhans ist erschüttert, als sie im Winter 1947 die Nissenhütten | |
besichtigt, in denen in der Nachkriegszeit bis zu 10.000 Ausgebombte und | |
Flüchtlinge untergebracht waren. Die Hütten sind nicht isoliert, im kalten | |
Winter sind die Wände vereist. "Ich sage, es ist ein Verbrechen an der | |
Menschheit, wenn die Sozialverwaltung und die Bauverwaltung nicht hier | |
schnellstens Schritte unternehmen", sagt Langhans in ihrer Rede vor der | |
Bürgerschaft. | |
Mehrmals weist Langhans in der Bürgerschaft auch auf den Zusammenhang von | |
Armut und Säuglingssterblichkeit hin. Sie fordert, in wirtschaftlichen | |
Notlagen den Kauf von Verhütungsmitteln zu gestatten und Abtreibungen von | |
Frauen nicht strafrechtlich zu verfolgen. 1948 wird ihr Antrag jedoch | |
abgelehnt. | |
Bis 1953 bleibt Magda Langhans Abgeordnete der Bürgerschaft und engagiert | |
sich zudem in mehreren Frauenbündnissen, so im Frauen Ausschuss Hamburg und | |
in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. Bis 1956 | |
leitete sie außerdem das Frauensekretariat der KPD. | |
Magda Langhans ist eine Sozialpolitikerin, der es um konkrete Politik zum | |
Wohle der einfachen Bevölkerung geht. Auch an der Aufarbeitung von | |
Naziverbrechen in Hamburg ist sie beteiligt. So prangert sie die | |
Unterstützung des Buches "Das letzte Kapitel" durch den Hamburger Senat an. | |
In dem Buch verherrlicht der Autor, der Hamburger Staatsarchivar Kurt | |
Detlev Möller, den ehemaligen Hamburger NSDAP-Gauleiter und | |
Reichsstatthalter Karl Kaufmann. | |
## Gegen die Verfassung | |
Ihr politisches Wirken ist jedoch umstritten. Bei der namentlichen | |
Abstimmung zum Grundgesetz stimmt sie 1949 gemeinsam mit ihrer Fraktion | |
gegen die Verfassung. Das Grundgesetz sei einseitig und erschwere die | |
Einheit Deutschlands. 1951 verbietet die Alliierte Kontrollkommission | |
Langhans die Herausgabe sämtlicher Veröffentlichungen für 90 Tage. Anlass | |
ist der Vorwurf, dass die Schriften das Ansehen der Besatzungsmächte | |
schädigen. | |
Über Langhans Wirken in der seit 1956 verbotenen KPD ist nichts bekannt, | |
bei der Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) im Jahr 1968 | |
ist Langhans jedoch dabei. Sie ist noch einige Jahre in der Kommunalpolitik | |
tätig, lebt im fortgeschrittenen Alter jedoch sehr zurückgezogen. | |
Am 17. Januar 1987 stirbt Magda Langhans mit 83 Jahren. "Ihre | |
Einsatzbereitschaft, ihr hohes Verantwortungsbewusstsein und ihre Ungeduld | |
waren uns immer Ansporn und bleiben uns Verpflichtung", schreibt die DKP in | |
ihre Todesanzeige. | |
Am heutigen 25. Todestag von Magda Langhans wird Kersten Artus an ihrem | |
Grab auf dem Ehrenfeld des Ohlsdorfer Friedhofes Blumen ablegen. | |
Gedenkstunde: Dienstag, 17. 1., 12 Uhr Ehrenfeld der | |
Geschwister-Scholl-Stiftung, Hauptfriedhof Hamburg-Ohlsdorf. | |
Die Biografie "Meine Herren und Damen. Eine kleine Frau ganz groß" ist | |
kostenlos abrufbar unter | |
[2][kerstenartus.de/magda/magda-langhans-broschuere.pdf] | |
16 Jan 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://kerstenartus.de/magda/magda-langhans-broschuere.pdf | |
[2] http://kerstenartus.de/magda/magda-langhans-broschuere.pdf | |
## AUTOREN | |
Lina Sulzbacher | |
## TAGS | |
Friedhof | |
NS-Widerstand | |
DKP | |
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