# taz.de -- Doku über eine Widerstandskämpferin: Die Energie der Charaktere | |
> Der Dokumentarfilm „Geschichte einer Liebe – Freya“ erzählt von der | |
> NS-Widerstandskämpferin Freya von Moltke und Briefen an ihren Mann. | |
Bild: Nichts als Kummer und Freude: Freya von Moltke mit ihren Söhnen | |
Als feine Adresse gilt der Kölner Bahnhofsvorplatz nicht. Doch die von | |
einer Bürgerinitiative betriebene Idee, den Ort in Zukunft nach Freya von | |
Moltke zu benennen, entstand lange vor den Ereignissen der vorletzten | |
Silvesternacht. Gegenüber dem heutigen Bahnhofsportal stand das Geburtshaus | |
der 1911 als Freya Deichmann geborenen Bankierstochter. | |
Bekennende Rheinländerin blieb sie auch später, als sie nach dem | |
väterlichen Konkurs und einer frühen Liebesehe mit dem Juristen Helmuth von | |
Moltke erst in Berlin, dann in London und dem verarmten Moltke’schen | |
Anwesen im niederschlesischen Kreisau residierte. Nach dessen Hinrichtung | |
als Widerstandskämpfer Anfang 1945 lebte sie in Südafrika und – in zweiter | |
Ehe – in den USA, wo sie am 1. Januar 2010 fast hundertjährig starb. | |
Etwa zehn Jahre zuvor wurde sie in Vermont von den Filmemachern Antje | |
Starost und Hans Helmut Grotjahn besucht. Die damals aufgezeichneten | |
Gespräche sind Kern dieses Films über die couragierte Frau und promovierte | |
Juristin, die als „Gutsherrin“ den Rahmen für den später Kreisauer Kreis | |
genannten Teil des nichtnationalistischen demokratischen Widerstands gegen | |
den Nationalsozialismus setzte. | |
Politische Details stehen aber nur am Rande des Films, dessen Basis neben | |
den Gesprächen mit Freya und ihrem Sohn Caspar von Moltke ein intensiver | |
Briefwechsel von Freya und ihrem Gatten ist, der erst kurz vor seiner | |
Hinrichtung durch Erhängen in Plötzensee endet. Nach Helmuths Verhaftung im | |
Januar 1944 konnten die Liebenden mithilfe eines sympathisierenden | |
Gefängnispfarrers den ausführlichen schriftlichen Austausch fortsetzen, den | |
sie seit der Jugend wegen häufiger berufsbedingter Trennungen führten. | |
## Eine nie sentimentale Gefühlslage | |
Befürchtungen, die von Ulrich Matthes und Nina Hoss gelesenen intimen (und | |
fast literarischen) Konfessionen könnten sich als Äußerungen | |
bildungsbetulicher Langweiler erweisen, bestätigen sich nicht. Die Energie | |
der Charaktere, die Urteilskraft ihrer Argumente und die hoch emotionale, | |
aber nie sentimentale Gefühlslage schaffen einen starken Sog. | |
Auch wenn die Stimmen nicht ganz ideal besetzt sind, gibt es als Korrektiv | |
die auch körperlich beeindruckende filmische Präsenz der Porträtierten | |
selbst, die mit Witz, Charme und Haltung beeindruckt. Dazu gehört bei allem | |
Schmerz auch die klare – und am Ende tröstende – Einsicht, dass der Tod im | |
Kampf gegen Hitler in der historischen Situation immer noch die beste | |
Option war: Für Hitler im Krieg zu fallen, wie so viele, war jedenfalls | |
viel schlimmer! | |
Freyas Einsatz im Widerstand war die „Bereitschaft, alles zu riskieren“. | |
Bedingungslos unterstützte sie den Mann, den sie auch dafür bewunderte, | |
dass er viel früher als sie und viele andere die existenzielle Bedrohung | |
durch die Nazis voraussah. Der von ihr in anderen Interviews geäußerte | |
Schmerz über die Beschränktheiten dieser weiblichen Rolle findet im Film | |
leider keinen Platz. | |
Die Widersprüche in einem um Emanzipation ringenden Frauenleben bleiben | |
eher unreflektiert, ja, die Rahmung durch den Titel „Geschichte einer | |
Liebe“ und die Zusammenstellung der Briefe unterstreichen noch einmal | |
Geschlechterstereotype. | |
Eine Einhegung, die der Film auch nicht überschreitet, wenn er dem langen | |
Leben Freya von Moltkes und ihren späteren Aktivitäten Raum gibt. Besonders | |
stolz und glücklich war sie darüber, dass es mit ihrer tatkräftigen Hilfe | |
gelang, dem heute im polnischen Krzyżowa gelegenen ehemaligen Familiengut | |
als Internationale Ost-West-Jugendbegegnungsstätte neues Leben einzuhauchen | |
– heute leider wieder ein brennend aktuelles Projekt. Kongenial dazu die | |
Begleitung des Films durch die junge bulgarischstämmige bayerische | |
Perkussionistin Vivi Vassileva auf der Marimba. | |
6 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Silvia Hallensleben | |
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