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# taz.de -- Harry-Potter-Fortsetzung als Theaterstück: Hermine ist die Chefin
> Am Samstag feierte „Harry Potter and the Cursed Child“ in London
> Premiere. Unsere Autorin ist schon allein von der Lektüre ganz
> hingerissen.
Bild: Geflügelt: Joanne K. Rowlings' Premierenschuhe
Wohl noch nie hat es so viele Menschen glücklich gemacht, wenn eine
einzelne Person ihr Wort gebrochen hat. Streng genommen hatte J. K. Rowling
nämlich versichert, nach ihrem 2007 erschienenen Buch über das siebte und
letzte Internatsjahr Harry Potters werde es keine weiteren Teile mehr
geben. Ein Jahr später folgte noch der schmale Band „The Tales of Beedle
the Bard“, aber das war eigentlich nur eine Nachlieferung jener Märchen,
die ohnehin in jeder gut sortierten Zaubererbibliothek zu finden sind.
Schließlich weiß Rowling unendlich viel mehr über Harry, Hogwarts und die
geheimen Vorgänge im Zaubereiministerium als wir anderen Muggel; bevor sie
mit dem Schreiben des ersten Bandes anfing, hatte sie die gesamte
Geschichte bereits im Kopf. Journalisten berichteten von Bergen von
Notizen, teils auch Zeichnungen, die Rowling vorab zur Harry-Potter-Welt
angefertigt hatte. Und so konnte es vorkommen, dass sie zum Beispiel einen
Filmemacher zurechtwies, der eine Verflossene von Schulleiter Dumbledore
erwähnen wollte – das gehe nicht, sagte Rowling, schließlich sei
Dumbledore schwul (was allerdings in den Büchern, mangels irgendeiner
Liebestätigkeit irgendeines Hogwarts-Dozenten, gar nicht vorkam).
So gesehen wäre es wirklich mehr als unfair gewesen, wenn Rowling diesen
riesigen Fundus an Hintergrundwissen dauerhaft für sich behalten hätte; und
ihre verlässliche Gewohnheit, alles, was aus dem Potter-Universum nach
außen dringt, strengstens auf Kongruenz zu prüfen, garantiert den Fans,
dass auch der jetzt erschienene „achte Teil“, „Harry Potter and the Cursed
Child“, hinreichend authentisch, obwohl gar nicht von ihr selbst
geschrieben ist.
Es handelt sich um ein Theaterstück, das am vergangenen Samstag am Palace
Theatre in London uraufgeführt und mit geradezu überschwänglichen Kritiken
bedacht wurde; dieses Stück geht auf eine Geschichte zurück, die Rowling im
Verbund mit dem Theaterautor Jack Thorne und dem Regisseur John Tiffany
entworfen hat.
## Hermine als Zaubereiministerin
„Harry Potter and the Cursed Child“ ist also kein durchgeschriebener Roman,
sondern besteht aus Szenen, Dialogen und Regieanweisungen. Und dennoch,
vermutlich handelt es sich um Magie: Wer einen Nachmittag oder Abend lang
die Zeit findet, in die Lektüre dieses Stücks einzutauchen, wird sich in
genau der Harry-Potter-Welt wiederfinden, deren Tore sich vor fast neun
Jahren für vermeintlich immer geschlossen hatten. Harry Potter ist
inzwischen 37, hat mit Ginny Weasley drei Kinder, von denen zwei schon
selbst nach Hogwarts gehen. Er arbeitet als Auror; Hermine ist seine
Chefin, nämlich nichts Geringeres als Zaubereiministerin. Ihr Ehemann Ron
betreibt einen Laden für magische Scherzartikel.
Obwohl Voldemort doch eigentlich als besiegt gilt, entfaltet der Kampf
zwischen Gut und Böse die übliche Spannung. Tatsächlich hat dieses Stück,
vermutlich weil es naturgemäß ohne epische Passagen auskommen muss, ein
viel höheres Tempo nicht nur als die Bücher, sondern auch als die Filme.
Ich jedenfalls weiß nicht, wann ich das letzte Mal mit so feuchten Händen
und solchem Herzklopfen mitgefiebert habe, wenn sich Verwicklung an
Verwicklung reihte, ein Held nach dem anderen unterzugehen drohte und ich
mich zunehmend fragte, wie das Böse besiegt werden soll. Anscheinend hat
das geistige Auge durch die Filme, aber auch dank der beim Lesen der Bücher
bereits erzeugten eigenen Bilder bereits so viele Charaktere und Kulissen
parat, dass es nahtlos gelingt, dort eine Handlung ablaufen zu lassen, von
der man eigentlich nur über Dialoge erfährt.
Wobei es bei der Visualisierung ein nettes Detail zu erwähnen gibt: Die
erwachsene Hermine Granger wird nicht von der 26-jährigen blonden,
hellhäutigen Emma Watson, sondern von der schwarzen Schauspielerin Noma
Dumezweni gespielt. Emma Watson schrieb auf Facebook, Noma Dumezweni auf
der Bühne zu sehen sei wie eine Begegnung mit ihrem älteren Selbst gewesen.
So elegant handhabt man im Harry-Potter-Kontext die Sache mit dem
„ethnischen Hintergrund“.
## „Bei uns kocht Harry“
Harry kämpft erneut mit Selbstzweifeln und dem Schmerzen seiner Narbe. Ron
hat immer noch das Liebenswerte, Loyale und Tollpatschige eines jungen
Labradors, der mit heraushängender Zunge jedem Ball hinterherläuft, den
seine Freunde werfen. Auch der Humor des Bühnenstücks ist derselbe wie der
der Bücher; kleine Spiele mit Genderrollen inbegriffen. Nach einem
Zauberduell, das desaströs für die Einrichtung endet, sagt der eine
Kontrahent: „Tut mir leid um deine Küche, Ginny.“ Ginny: „Oh, das ist ni…
meine Küche. Bei uns kocht Harry.“
Nur an einem Unterschied lässt sich erkennen, dass dieser Teil 8 eben nicht
von Anfang an eingeplant war: In allen vorigen sieben Bänden waren Hinweise
aufgenommen und Geheimnisse, die zuvor verrätselt worden waren,
entschlüsselt worden. Die jetzige Geschichte um das „verfluchte Kind“ löst
nichts auf, sie spinnt nur fort, ist sozusagen additiv.
Freundschaft ist wieder einmal ein wichtiges Thema, das sich auch in der
nächsten Generation wiederholt. Ehrlichkeit, Loyalität, Selbsterkenntnis …
Störend ist allein das bisweilen etwas zu dick aufgetragene Pathos, wenn es
in Gesprächen um die ganz ernsten zwischenmenschlichen Angelegenheiten
geht.
## Handgemachte Illusionen
Doch die Action überwiegt. Durch Zeitreisen und (Alb-)Träume wird geschickt
an die vorigen Teile angeknüpft, auch totgeglaubte Gesichter tauchen wieder
auf; und natürlich wird wieder mit verhexten Süßigkeiten und Zaubersprüchen
um sich geworfen, dass es eine Lust ist. Ohne das Stück aufgeführt gesehen
zu haben, bleibt es einem ein Rätsel, wie all die Spezialeffekte der
Zauberwelt, die in den Filmen vom Computer imitiert werden konnten, auf der
Bühne von Muggels nachgespielt werden sollten; da fliegen Menschen mit und
ohne Besen durch die Lüfte, nehmen im Handumdrehen das Aussehen anderer an,
werfen explodierende Kürbispasteten, werden von aggressiven Büchern gejagt
und lassen Rauch aus den Ohren strömen.
Einige Theaterkritiker berichten, dass man als Zuschauer durchaus sehe oder
ahne, wie helfende Hände im Hintergrund Kulissen umbauen oder Schauspieler
durch Falltüren verschwinden. Diese „handgemachten“ Illusionen hätten aber
den Charme des Zauberns und Täuschens keineswegs beeinträchtigt, im
Gegenteil, sie seien ihm sogar noch zuträglich gewesen, indem die Fantasie
der Zuschauer und die der Aufführung sozusagen im Einklang arbeiteten.
Und genau diesen Effekt hat das Stück bereits, wenn man es liest. Neben
diesem unverhofften achten Harry-Potter-Abenteuer selbst fasziniert bei der
Lektüre zunehmend ein zweites Phänomen: die Fähigkeit der menschlichen
Fantasie. Es ist, als ob nach den Romanen und Filmen gerade dieses dritte,
unerwartete Genre „Bühnenstück“ endgültig beweist, was das uralte
menschliche Zusammenspiel von Erzählen und Zuhören zu vollbringen vermag.
Stimmige Zauberwelten können entstehen, in der Besen fliegen,
Kürbispasteten explodieren und es aus den Ohren raucht. Hermine sagt:
„Hogwarts ist ein klasse Ort.“ Ron: „Klasse. Wundervoll. Voller Essen. Ich
würde alles geben, wieder da zu sein.“ Na, dann mal los.
1 Aug 2016
## AUTOREN
Hilal Sezgin
## TAGS
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Anton Hofreiter
Landwirtschaft
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