# taz.de -- Abriss des ehemaligen Concordia-Theaters: Hauptsache Wohnraum | |
> Das ehemalige Concordia-Theater wird endgültig abgerissen. Es soll | |
> Appartements für Studierende weichen. Die Stadt findet das „erfreulich“ | |
Bild: Gerade erst neu renoviert: der runde Vorbau des Concordia-Theaters. | |
BREMEN taz | Das ehemalige Waldau-Theater in Bremen-Walle ist heute ein | |
großer Saal für Hochzeiten. Das Bremer Kriminal-Theater im Viertel wird | |
abgerissen: Die Spielstätte soll einem Wohnhaus weichen. Und nun soll auch | |
das alte Concordia-Theater in Schwachhausen der Abrissbirne zum Opfer | |
fallen – zu Gunsten eines Neubaus mit Studenten-Appartements. Dabei ist der | |
auffällige, runde Vorbau des Concordia-Hauses kürzlich erst renoviert | |
worden. Die Bremer Baubehörde findet das Vorhaben dennoch „erfreulich“. | |
Der Abriss, sagt Jens Tittmann, Sprecher des grünen Bau- und Umweltsenators | |
Joachim Lohse, erfolge zu Gunsten von Wohnraum – „und genau den brauchen | |
wir in Bremen dringend“. Der Besitzer der Immobilie, das Bremer | |
Architekturbüro Plankontor, will auf dem Grundstück ein Appartementhaus für | |
Studierende bauen – „ideal“, findet Tittmann. | |
Ein Umbau des bestehenden Gebäudes sei für diesen Zweck nicht umsetzbar | |
gewesen, weil im hinteren Teil des Hauses keine Fenster seien und es | |
statisch nicht möglich sei, im Nachhinein welche einzubauen. „Außerdem | |
befürworten wir als Stadt einen Neubau, weil hier die | |
Energieeinsparverordnung eingehalten werden muss – das wäre bei einem Umbau | |
nicht der Fall“, sagt Tittmann. | |
Der Abriss sei einzig angesichts der Geschichte des Hauses bedauerlich, | |
„aber das Gebäude steht ja schon lange leer und niemand aus der Kulturszene | |
hat sich gerührt“. Der vordere Teil, der immer wieder als Gastronomie | |
genutzt wurde, hätte unzählige Betreiberwechsel hinter sich. „Stadtplaner | |
sagen, die Räumlichkeiten sind für den Standort einfach zu groß“, sagt | |
Tittmann. | |
Dass sich „niemand aus der Kulturszene gerührt hat“, ist aber nur die halbe | |
Wahrheit. Das Bremer Kriminaltheater, das nun nach Walle in die | |
Union-Brauerei gezogen ist, wäre durchaus interessiert gewesen. Aber das | |
Concordia-Theater, sagte Anfang des Jahres Kriminaltheater-Chef Ralf Knapp, | |
sei „zu marode, da müsste man richtig investieren, das können wir nicht“. | |
Keiner der letzten Concordia-Eigentümer hat sich um das Theater gekümmert: | |
Als 2011 die Bremer Shakespeare Company die Spielstätte temporär nutzte, | |
weil das Theater am Leibnizplatz umgebaut wurde, befand sie sich bereits in | |
einem erbärmlichen Zustand. Und bereits damals gab es Gerüchte über | |
Abriss-Pläne. | |
## Das Restaurant lief nicht | |
Die bewahrheiteten sich zunächst nicht: Der nächste Besitzer renovierte die | |
Fassade und den vorderen Teil des Gebäudes, aber auch er kümmerte sich | |
nicht um das Theater. Das schicke Restaurant, das er dort eröffnete, lief | |
nicht – und Plankontor, der neue Besitzer, will neu bauen. Die | |
Bauvoranfrage ist gestellt, die Abrissanzeige auch – ab August darf | |
abgerissen werden. Ob sich eine Sanierung des Gebäudes für ihn nicht | |
gelohnt hätte oder ob er daran überhaupt interessiert war, ist nicht | |
herauszubekommen: Trotz mehrfacher Anfrage war Joost Paarmann von | |
Plankontor für die taz nicht erreichbar. | |
„Für mich als Bremerin ist der Abriss des Concordia-Theaters sehr | |
bedauerlich“, sagt Manuela Jagemann vom Ortsamt Östliche Vorstadt. Aber | |
zumindest habe man dank engagierter AnwohnerInnen wenigstens dafür sorgen | |
können, dass Anwohner-Interessen durchgesetzt werden konnten. Nach | |
Protesten der Anwohner-Initiative „Concordia-Platz“ ist im Mai ein | |
Beiratsbeschluss gefällt worden, in dem die Baubehörde dazu aufgefordert | |
wurde, die teilweise durch Beiratsmittel finanzierten Bäume genauso zu | |
erhalten wie zwei historische Leuchten und „eine von einem Künstler | |
aufwändig gestaltete Mosaikbank zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität, | |
die von den AnwohnerInnen bezahlt wurde“. | |
„Der Beschluss ist von der Behörde zu hundert Prozent umgesetzt worden“, | |
sagt Jagemann. Darüber hinaus werde sie auch Sorge dafür tragen, dass der | |
Fußweg von und zur Schwachhauser Heerstraße über den „Concordia-Platz“ | |
genannten Teil der Herderstraße nicht während der gesamten Bauphase dicht | |
ist. „Der Initiative ist es zu verdanken, dass sich der Beirat da sehr | |
eingesetzt hat“, sagt Jagemann. | |
Horst Dettbarn von der Anwohner-Initiative ist deutlich unzufriedener: „Wir | |
wollen, dass der Platz weiterhin mit Pfosten eingefasst ist, damit da kein | |
Parkplatz hinkommt.“ Die Zukunft des angrenzenden Kinderspielplatzes sei | |
ebenso wenig geklärt wie die einer „Hängelleiter“ für Kinder, die bereits | |
„ohne Rücksprache“ entfernt worden sei. Und ja, ums Haus sei es auch | |
schade. „Eigentlich kann man so ein historisches Gebäude nicht einfach | |
abreißen“, sagt er. Natürlich sei der Eigentümer dafür verantwortlich, da… | |
das Theater völlig verwahrlost sei, „aber das ist auch ein Versagen der | |
Kulturbehörde“. | |
## Von Kurt Hübner entdeckt | |
2007 hat sich das Bremer Theater aus Kostengründen von der Spielstätte | |
Concordia getrennt. Seit den Siebzigerjahren war es Studiobühne des | |
Theaters und Hausbühne des Tanztheaters. Rainer Werner Fassbinder arbeitete | |
dort genauso wie George Tabori, der im Concordia sein Theaterlabor mit | |
einem Ensemble von zehn Schauspielern einrichtete. Aber die Anfänge des | |
Concordias als kulturelle Einrichtung reichen sehr viel weiter zurück: 1851 | |
begann in dem ehemaligen Eisenbahnpavillon der Betrieb mit Gartenkonzerten, | |
1880 wurde ein Schankbetrieb im vorderen Teil angegliedert. Nach dem Ende | |
des Zweiten Weltkrieges befand sich in dem Gebäude für einige Jahre ein | |
Kino mit angeschlossener Gaststätte. Und in den Siebzigerjahren entdeckte | |
dann Kurt Hübner, der damalige Intendant des Theaters Bremen, das Haus. | |
„Kein Immobilienbesitzer kann Rücksicht auf die Geschichte eines Hauses | |
oder auf die Anwohner nehmen, wenn er dadurch ins Minus rutscht“, sagt | |
Tittmann. Und schließlich könne „jeder mit seinem Eigentum machen, was wer | |
will – es sei denn, das Haus steht unter Denkmalschutz“. Und das ist beim | |
alten Concordia-Theater nicht der Fall. | |
19 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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