Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Theater muss weichen: Tod eines Kulturortes
> Das Bremer Kriminaltheater soll einem neuen Wohnhaus weichen. Eine neue
> Spielstätte ist noch nicht in Sicht.
Bild: An dieser Spielstätte sollen bald die Lichter ausgehen.
BREMEN taz | Gerade noch bot der Vermieter die Teilfinanzierung einer neuen
Klimaanlage an – „da schickt er uns die Kündigung“, erzählt Ralf Knapp,
Chef des Bremer Kriminaltheaters „Dagegen haben wir rechtlich keine
Handhabe.“ Ende 2016 müsse die Immobilie an der Friesenstraße 16 bis 19
geräumt sein.
„Sie wird abgerissen und ein mehrstöckiges Wohnhaus errichtet“, so Knapp.
Das habe ihm die Grundstücksgesellschaft Steintor mbH mitgeteilt. Aber
zugleich auch in Aussicht gestellt, in den Neubau eventuell ein Theater zu
integrieren.
Dirk Georgus, seit 2011 Geschäftsführer des Unternehmens, erklärt dazu auf
Nachfrage der taz: „Dafür sind wir nicht zuständig.“ Wird es bei der
Kündigung bleiben? „Dazu sage ich nichts.“ Was ist konkret an dem Standort
geplant? „Ich beende jetzt das Gespräch.“
Ralf Knapp erklärt, es handele sich um eine Erbengemeinschaft. Ihr gehörten
auch die vom Umzugsunternehmen Dullien genutzten Räume an der Friesenstraße
sowie Vor dem Steintor die Gebäude der Schauburg-Kinos, des benachbarten
Bäckers und des Discounters. Nach einem Todesfall sei kürzlich die nächste
Generation Erben nachgerückt, was den Neubauwillen vielleicht erkläre,
meint Knapp.
## Die Suche nach Alternativen
Und was macht das Theater ohne Raum? Es sucht eine neue Heimat. Bau- und
Kulturbehörde seien eingeschaltet, sagt Knapp, die Wirtschaftsförderung
auch. Wie wäre es mit dem ehemaligen Concordia-Theater? „Zu marode, da
müsste man richtig investieren, das können wir nicht.“ Und das
Waldau-Theater in Walle? „Das ist drinnen jetzt parzelliert, wird für
türkische Hochzeiten genutzt, hat praktisch keine Bühne mehr.“
Ist im boomenden Hafenquartier Platz? „Das ist kein Ort, wo Bremer
kontinuierlich gern hingehen.“ Und jetzt? „Im Gebäudekomplex der neuen
Waller Union-Brauerei existiert ein noch ungenutzter Ballsaal, das wäre
was.“
Gibt es Alternativem im Viertel? „Im Areal des Klinikums Mitte ist das
zentrale Gebäude interessant, es wird dieses Jahr verkauft. Die
Backsteinfassade aus dem vorigen Jahrhundert würde gut zu unseren Krimis
passen.“ Und die ehemalige Pathologie? „In den Hörsaal zur Leichenschau
passen nur 60 Zuschauer, wir haben jetzt 150 Plätze und die brauchen wir
auch.“
## Ein Haus mit Geschichte
Der jetzige Flachbau des Kriminaltheaters hat eine vielfältige Geschichte.
Einst war er Lager für Möbel und Medikamente, später wurde er als
Reifenhandel und schließlich vom Jungen Theater genutzt. 2000 eröffnete das
„Scenario“ – als Theatergastspielort und Tanzstudio.
Der rege Betrieb auch in manch frühen Morgenstunden hatte Beschwerden eines
Anwohners zur Folge, die eskalierten. Der Kulturort musste schließen –
wurde von der Moks-Theaterschule zwischengenutzt und vor fünf Jahren als
festes Haus des Kriminaltheaters wieder eröffnet.
„140.000 Euro habe ich den Umbau investiert“, sagt Knapp. Deswegen sei auch
die Miete jetzt so günstig. „In den 1990er-Jahren hat das Junge Theater
4.400 Mark monatlich gezahlt, jetzt sind es 1.600 Euro.“ Das sei dem
baulichen Zustand angemessen.
„Aber mit dem laufenden Betrieb können wir uns nur einigermaßen über Wasser
halten, die Schulden zurückzuzahlen, ist nicht möglich“, so Knapp. Die
Bühne habe 12.000 Besucher pro Jahr, mache mit 200 Vorstellungen und drei
Neuinszenierungen pro Saison plus Vermietung etwa 300.000 Euro Umsatz.
## Zwischen Theaterschiff und Goetheplatz
„Wir schließen eine Angebotslücke in Bremen“, sagt Knapp. „Wem die
Singspiele und Boulevardspäße auf dem Theaterschiff zu platt sind und das
Theater Bremen für zu experimentell hält, der kommt zu uns.“ Wo das Bemühen
deutlich ist, das Krimi-Genre möglichst breit abzubilden.
Karl Schönherrs „Der Weibsteufel“ sorgte auch überregional für Furore,
derzeit ergänzt Peter Høegs Bestseller „Fräulein Smilla“ den Publikumshit
„Arsen und Spitzenhäubchen“. Nächste Premiere ist am 19. Februar eine
Dramatisierung Bremer Mordfälle, die das Team um Profiler Axel Petermann
aufgeklärt hat.
Aktuell leben Knapp und seine Kollegin Perdita Krämer hauptberuflich vom
Kriminaltheater. Es gibt auch eine Angestellte der Gastronomie, einen
Minijobber für die Technik und eine Auszubildende als
Veranstaltungskauffrau. Knapp: „Zudem arbeiten etwa 50 Theaterleute auf
Honorarbasis für uns. Das soll auch 2017 so bleiben.“
25 Jan 2016
## AUTOREN
Jens Fischer
## TAGS
Bremer Theater
Bremen
Theater
Stadtentwicklung
Theater Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abriss des ehemaligen Concordia-Theaters: Hauptsache Wohnraum
Das ehemalige Concordia-Theater wird endgültig abgerissen. Es soll
Appartements für Studierende weichen. Die Stadt findet das „erfreulich“
Islamismus im Jugendtheater: Die Kids sind nicht alright
Das Verführerische des radikalen Islamismus erforschen die Bremer Jungen
Akteure in „Grüne Vögel“: Freiheit ist eine Zumutung – und trotzdem
alternativlos
Neues Krimi-Theater: Männer in beigen Mänteln
Nur wenige Bühnen haben sich hierzulande allein dem Krimi verschrieben. In
der Bremer Schwankhalle hat jetzt ein Kriminal Theater eröffnet - und sein
Publikum gefunden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.