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# taz.de -- Digitalisierung der Arbeitswelt: Robocop trifft Zahlemann
> Mehr Produkte, weniger Handarbeit. Die Digitalisierung setzt Arbeitskraft
> frei. Vor allem Firmen profitieren davon. Zeit für ein neues
> Steuersystem?
Bild: Roboter bei VW: Nehmen anderen die Arbeitsplatze weg, haben aber keine St…
Berlin taz | Eigentlich könnte das doch alles so schön sein: Feierabend,
Füße hoch und ab ins gute Leben. Selbstzahlerkassen im Supermarkt,
Roboterstraßen in der Autofertigung und die exponentielle Vermehrung von
Prozessorkapazitäten: Für ganze Berufsgruppen – Stichwort Lokomotivführer …
könnte die Digitalisierung der Arbeitswelt eine Verheißung sein. Viele
Arbeitergruppen müssen künftig nicht mehr schuften, gäbe es da nicht dieses
eine Problem: Es ist zwar absehbar, dass immer mehr Arbeitsplätze
wegfallen. Nur leider ist nicht absehbar, wer dann für das gute Leben
sorgt. Das deutsche Sozialsystem basiert auf der Produktivität von Menschen
und nicht auf der von Maschinen.
Gibt es denn keine Hoffnung? Doch, ein bisschen.
Ach, wirklich? Nein, eigentlich doch nicht.
Ja, was denn nun?
Also: Tatsächlich diskutieren derzeit wieder viele Experten erhitzt über
die Einführung einer sogenannten Robotersteuer. Das ist ein Modebegriff für
eine alte Idee, die schon unter verschiedenen Schlagwörtern kursierte:
Maschinensteuer etwa oder Wertschöpfungsabgabe. Das Anliegen: nicht nur die
Arbeitskraft der Menschen zu besteuern, sondern die industrielle
Wertschöpfung an sich. Der Hintergedanke: Wo Unternehmer finanziell
profitieren, weil sie Arbeitskräfte entlassen, soll vom
Produktivitätsgewinn wenigstens ein Anteil in die Staatskassen fließen.
## Sozialsysteme verkraften das nichtt
Zur Debatte steht diese Idee derzeit wieder, weil etwa der neue
österreichische Bundeskanzler Christian Kern, ein Sozialdemokrat, die Idee
erneut ins Spiel gebracht hatte. Es sei fraglich, so Kern, ob die
Sozialsysteme künftig allein durch Lohnarbeit aufrechterhalten werden
könnten.
Beifall klatschte auch der Vorstandschef der Deutschen Post. Frank Appel
appellierte dafür, auf die Besteuerung von Menschenarbeit zu verzichten.
Kein Wunder angesichts der vielen PostbotInnen, für die die Post trotz
massiven Outsourcings Sozialabgaben zahlt.
Der Ruf nach einer sogenannten Automatisierungsdividende bewegte auch
progressive Kreise in den vergangenen Jahren immer wieder. So forderte etwa
Frank Rieger, Unternehmer, Publizist und Mitglied im Chaos Computer Club,
2012 in der FAZ: „Wenn uns Roboter und Algorithmen in der Arbeitswelt
ersetzen, sollten sie auch unseren Platz als Steuerzahler einnehmen.“ Auch
im Bundestag stand das Thema kürzlich auf der Tagesordnung. Der Ausschuss
„Digitale Agenda“ lud Experten zur Anhörung. Allerdings: Die meisten von
ihnen sind skeptisch, dass der Einsatz von Technologie angemessen besteuert
werden kann: Wie definiert sich eigentlich Robotik? Und wie künstliche
Intelligenz?
## Herzkammer des Kapitalismus
Neben diesen handwerklichen Fragen steht einer Automatisierungsdividende
jedoch ein viel größeres Dogma im Weg. Vereinfacht gesagt: Wer die
Produktivität besteuert, stellt damit prinzipiell auch die Herzkammer des
Kapitalismus insgesamt in Frage: das Wachstum. Auch wenn unter
kapitalismuskritischen und grünennahen Kreisen seit Jahren Konzepte von
Wachstumsbremsen und -stopps diskutiert werden: Die deutsche
Industriepolitik lässt das unbeeindruckt.
Und deshalb scheint es auch derzeit wenig aussichtsreich, dass für die Idee
einer Automatisierungsdividende auch parlamentarische Mehrheiten zustande
kommen. Eine allgemeinere Antwort, dem Problem zu begegnen, wurde ebenfalls
verworfen: das allgemeine Grundeinkommen, das soziale Verwerfungen
zumindest grob abfedern könnte. Auch dafür gibt es keine parlamentarische
Mehrheit. Wer eine Dividende haben will, muss also – logisch – an die Börse
gehen.
17 Jul 2016
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Roboter
Digitalisierung
Industrie 4.0
Steuern
Grundeinkommen
Internet
Nick Bostrom
Globalisierung
Kapitalismus
Schweiß
Schwerpunkt Armut
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