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# taz.de -- Recherche zu Kinderprostitution: Anonyme Täter
> Eine neue Studie korrigiert das Profil der Straftäter. Er sind nicht die
> viel geschmähten Pauschaltouristen, sondern eher Geschäftsreisende.
Bild: Das Kinderrechtsnetzwerk Ecpat führt eine Kampagne zum Schutz von Kinder…
Sie reisen als Pauschaltouristen, kommen aus dem westlichen Ausland,
steigen in internationalen Hotels ab und sind meist pädosexuell. So das
Bild des typischen Sexualstraftäters, der in seinem Urlaub oder im Ausland
Kinder missbraucht. Da inzwischen sexueller Missbrauch von Kindern weltweit
eine Straftat darstellt, wird im Allgemeinen in Deutschland davon
ausgegangen, dass diese Taten gemeldet oder angezeigt und viele Täter für
ihre Straftaten im Ausland bestraft werden, entweder im Tat- oder im
Heimatland.
Doch das entspricht nicht der Realität. Die Erkenntnisse zweier Studien des
internationalen Kinderrechtsnetzwerk Ecpat zwingen zum Umdenken. Das
Internet und mobile Technologien haben zu einer Zunahme der sexuellen
Ausbeutung von Kindern auf Reisen und im Tourismus geführt, da neue Formen
von Ausbeutung entstehen und Täter vollkommen anonym bleiben können. So
gibt es Hotels, bei denen anonym eingecheckt werden kann. Rund um solche
Hotels konnten immer häufiger minderjährige Prostituierte beobachtet
werden.
Im Rahmen der in Kambodscha durchgeführten Recherche gaben verurteilte
Sexualstraftäter an, dass ein schnelles und stabiles Internet ein wichtiges
Entscheidungskriterium für ihr Reisezielland war. Dies deckt sich mit den
Hinweisen, dass Täter das Internet zur Kontaktaufnahme mit möglichen Opfern
und zum Austausch mit Gleichgesinnten nutzen. Dabei ist zu beobachten, dass
sie über soziale Netzwerke potenzielle Opfer ausfindig machen.
Viele dieser reisenden Sexualstraftäter sind längere Zeit unterwegs, und
ihr Aufenthalt (im Ausland) steht in Verbindung mit bezahlter oder
freiwilliger Arbeit. Geschäftsreisende aller Sparten, die ihre Mobilität
für sexuelle Kontakte mit Kindern nutzen. Sie reisen aber auch als
Fachleute im Auslandseinsatz, als Entwicklungshelfer oder als sogenannte
Voluntouristen.
## Kontakte übers Netz
Zur Kenntnis genommen werden müssen auch die touristischen Dienstleistungen
über Sharing-Economy-Plattformen wie Airbnb und Uber, die Tätern
zusätzliche weitgehend risikofreie und unbeachtete Aktionsfelder für ihre
Straftaten bieten.
Die Anzahl strafrechtlicher Verurteilungen in Bezug auf die sexuelle
Ausbeutung von Kindern ist weltweit und in Deutschland alarmierend gering,
was bedeutet, dass der Großteil der Täter nicht strafrechtlich belangt
wird. Obwohl die deutsche Gesetzgebung seit 23 Jahren vorsieht, dass
Deutsche wegen des sexuellen Missbrauchs an Kindern im Ausland
strafrechtlich belangt werden können, kam es bisher kaum zu Ermittlungen
oder gar zu Verurteilungen. Die grenzüberschreitenden Ermittlungen der
Polizei gestalten sich langwierig und kompliziert.
Die Justiz gibt sich ahnungs- bzw. hilflos und oder hält sich für nicht
zuständig. So antwortet ein Amtsgericht in Brandenburg auf die Frage nach
extraterritorialen Fällen von sexuellem Missbrauch: „Solche Fälle gibt es
doch gar nicht. Wenn Taten im Ausland begangen werden, dann werden sie auch
dort verurteilt.“
Wegen der fehlenden Statistiken befragte Ecpat Deutschland im Rahmen seiner
Studie 761 Gerichte und 168 Staatsanwaltschaften nach durchgeführten oder
eingestellten Sexualstrafverfahren zwischen 2005 und 2015 mit einem Tatort
im Ausland, wovon insgesamt 141 antworteten. Ermitteln ließen sich dadurch
insgesamt 38 Fälle, die zu Gerichtsverfahren in Deutschland führten.
## Unwissende Anwälte
Im Rahmen der Studie wurden zwei Jungen im Alter von 15 und 18 Jahren in
Kambodscha befragt, die im Alter zwischen 8 und 11 als Opferzeugen bei
einem Sexualstrafverfahren vor einem deutschen Gericht aussagten, wodurch
eine Verurteilung des Täters ermöglicht wurde. Eine Entschädigung für die
sexuelle Ausbeutung erhielten sie nie. Erstaunlicherweise ergaben die
Recherchen im Rahmen der Studien, dass es kaum Wissen und Bewusstsein bei
deutschen AnwältInnen über entsprechende Rechtsbehelfe übers Netz für die
betroffenen Kinder gibt, um eine angemessene Entschädigung für den
erlittenen körperlichen und/oder psychischen Schaden geltend zu machen.
Im Sommer 2014 wurde die niedrigschwellige Meldeseite
[1][www.nicht-wegsehen.net] bei Ecpat aufgeschaltet. Die eingegangenen
Meldungen wurden ausgewertet. Innerhalb von eineinhalb Jahren gingen 59
Meldungen ein, von denen sich 29 als relevant erwiesen. Obwohl
Reiseveranstalter regelmäßig in ihren Kundeninformationen auf diese
Meldemöglichkeit hinweisen, sind die bisherigen Kommunikationsmaßnahmen
unzureichend.
Die Konsequenzen der Studie: Präventionsmaßnahmen sollten nicht nur von der
Tourismusbranche, sondern auch von anderen Exportbranchen und den Akteuren
der Entwicklungszusammenarbeit, die Personal oder sogenannte Expatriats ins
Ausland entsenden, umgesetzt werden. Die verpflichtende Einführung von
Kinderschutzmaßnahmen, einer Kinderschutz-Policy für Organisationen und
Unternehmen, die Freiwillige oder Mitarbeitende in Projekte mit Kindern
entsenden, ist unbedingt notwendig.
17 Jul 2016
## LINKS
[1] http://www.nicht-wegsehen.net
## AUTOREN
Mechthild Maurer
## TAGS
Kinderschutz
Ausbeutung
NGO
Pädophilie
Prostitution
Lesestück Recherche und Reportage
sexueller Missbrauch
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FBI
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