| # taz.de -- Dirigent Daniel Barenboim: Ein Mann, ein Phänomen | |
| > Berlin liebt ihn. Natürlich. Der Generalmusikdirektor der Berliner | |
| > Staatsoper, Daniel Barenboim, ist ein Star am Pult. Am 9. Juli ist er auf | |
| > dem Bebelplatz zu sehen. | |
| Bild: Daniel Barenboim in der Carnegie Hall in New York Jahr 2007. | |
| Wer ihn schon einmal in einer Aufführung erlebt hat, weiß, mit welcher | |
| Präsenz er den Raum schon beim Eintreten füllt und plötzlich Stille schafft | |
| im Saal. Natürlich lieben ihn die ergrauten Damen und Herren, die gut und | |
| gerne mehr als 100 Euro für einen Auftritt hinlegen, auch deshalb, weil er | |
| sämtliche wichtigen Etappen einer Dirigentenkarriere erklommen hat: | |
| Wagner dirigieren in Bayreuth (1981–1999), ein international renommiertes | |
| Orchester leiten (Paris und Chicago), das Neujahrskonzert der Wiener | |
| Philharmoniker dirigieren (2009). Seit 1992 ist Barenboim | |
| Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper und nebenbei seit 2011 | |
| musikalischer Direktor der Mailänder Scala. Viel mehr geht nicht. | |
| Barenboim, geboren 1942 in Buenos Aires, aufgewachsen in Israel, fiel früh | |
| durch seine außerordentliche musikalische Begabung auf. Mit zehn Jahren gab | |
| er bereits in Europa seine ersten internationalen Konzerte als Pianist. Der | |
| Dirigent Wilhelm Furtwängler schrieb in dieser Zeit über ihn: „Dieser Junge | |
| ist ein Phänomen“. Barenboim nahm schon als Kind Dirigierunterricht und gab | |
| 1967 mit dem Philharmonia Orchestra in London sein Debüt am Pult. Seitdem | |
| tourt Barenboim als gefeierter Maestro durch die ganze Welt. | |
| ## Musik von Grund auf | |
| Doch auch als Pianist ist Barenboim weiterhin gefragt. Vielleicht ist das | |
| sein Geheimnis. Er ist immer Interpret geblieben. Auch als Dirigent sucht | |
| er nach dem spezifischen Charakter und der perfekten Interpretation eines | |
| Stückes. Neben klassischen und romantischen Komponisten widmet sich | |
| Barenboim in den letzten Jahren immer mehr zeitgenössischen Werken – von | |
| Pierre Boulez, Hans Werner Henze, Alban Berg. Barenboim schafft es, diese | |
| Musik zu verdichten und größere Bögen zu spannen. Keine einfache Aufgabe | |
| bei einer Musik, die oft ohne Melodien und Harmonien auskommt, bei der es | |
| so schwer ist, sie mit den Ohren zu begreifen. | |
| „Er ist Musik von Grund auf“, sagte einmal sein Kollege Simon Rattle, der | |
| noch bis 2018 Chefdirigent der benachbarten Berliner Philharmoniker ist. | |
| 2002 konkurrierten sie beide um diese begehrte Stelle. Doch die Berliner | |
| Philharmoniker wählten Rattle. Barenboims größte, vielleicht einzige | |
| Niederlage. | |
| Trotzdem blieb er der Staatskapelle treu, die ihn 2000 zum Chefdirigenten | |
| auf Lebenszeit kürte. Barenboims Vertrag läuft noch bis 2022, dann wird er | |
| 80 Jahre alt. Verlängerung nicht ausgeschlossen. | |
| ## Ringen um Frieden in Nahost | |
| Doch vor allem wird Barenboim geliebt für sein Ringen um Frieden im Nahen | |
| Osten. Er – mit einem israelischen und einem palästinensischen Pass – | |
| gründete 1999 mit seinem engen Freund, dem Literaturwissenschaftler Edward | |
| Said, das West-Eastern-Divan Orchestra, ein Projekt, in dem junge Musiker | |
| aus Israel und Palästina gemeinsam musizieren. | |
| Er glaubt nicht – das sagt er immer wieder –, dass dieses Orchester Frieden | |
| schaffen könne, das könnten nur Verträge. Aber in einem Konflikt, der | |
| politisch nicht zu lösen scheint, brauche es eine menschliche Alternative. | |
| Diese Utopie kann in der Musik gelingen. Auch deshalb passt er gut zu | |
| Berlin, der ehemals geteilten Stadt. | |
| Seit zwei Jahrzehnten spielt Barenboim auch in der Berliner Kulturpolitik | |
| mit. Er setzte sich gegen die Fusion der Berliner Opern und für die | |
| aufwendige Sanierung der Staatsoper Unter den Linden ein. Ende der | |
| neunziger Jahre kritisierte er die Sparpläne des damaligen | |
| Kulturstaatsministers Michael Naumann scharf, mit dem er jetzt gemeinsam | |
| sein neues Projekt verwirklicht: die Barenboim-Said-Akademie. Eine | |
| Musikhochschule für junge Musiker*innen aus dem Nahen Osten, mit der er | |
| seine Utopie konsequent fortschreibt. | |
| 9 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Amna Franzke | |
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