# taz.de -- Agententhriller „Verräter wie wir“: Hilfeschrei aus dem Land d… | |
> „Verräter wie wir“ ist ein Film nach einem Roman von John le Carré. | |
> Stellan Skarsgård gibt einen verzweifelt ausstiegswilligen Mafioso. | |
Bild: Sehenswert: Stellan Skarsgård, rechts. Blass: Ewan McGregor, links dahin… | |
„Kalter Krieg“ ist wohl immer noch das, was den meisten zu John le Carré | |
einfällt. Und das, obwohl der mittlerweile 84-Jährige seit dem Ende des | |
Kalten Krieges fast so viele Romane veröffentlicht hat wie in der Zeit | |
davor. Aber diese Art von Nachhaltigkeit muss man in Kauf nehmen, wenn man | |
für einen so epochemachenden Titel wie „Der Spion, der aus der Kälte kam“ | |
verantwortlich ist. Der Hunger nach spannenden Erzählungen, die den | |
Zeitgeist kondensieren, motiviert bis heute das Interesse an John le Carrés | |
Büchern und deren Verfilmungen. | |
Mit der Ausweitung seiner Perspektive aus der Welt der Spionage heraus auf | |
die sündhaften Verstrickungen von Geld und Politik in der globalisierten | |
Gegenwart versucht John le Carré seit dem Fall der Mauer, diesen | |
Bedürfnissen der Leser nachzukommen. Aber so „absolut modern“ die | |
Verfilmungen seiner neueren Romane („The Constant Gardener“, 2005, „A Most | |
Wanted Man“, 2014) auch sein wollen, offenbaren sie fast mehr noch als die | |
Bücher selbst deren altmodischen Kern mit seinem innersten, fast | |
weinerlichen Credo: It’s a man’s world. | |
Die Tatsache, dass bei der Verfilmung des 2010 erschienenen „Verräter wie | |
wir“ nun mit Susanna White eine Frau Regie führt, ändert daran nichts. Im | |
Gegenteil, ein bisschen erscheint es so, als ob der gut gemeinte Versuch, | |
den weiblichen Figuren mehr Handlungsspielraum zu verleihen, noch | |
deutlicher merken lässt, dass ihnen außerhalb bestimmter Klischeefunktionen | |
wie schmückendes Beiwerk, willkommene Irritation und schützenwertes Opfer | |
kaum Charaktertiefe zugestanden wird. | |
Stellan Skarsgård und Ewan McGregor verkörpern die beiden Hauptcharaktere | |
in „Verräter wie wir“, der eine gibt den russischen Mafioso, der | |
Informationen an den britischen Geheimdienst verkaufen will, der andere | |
einen anfangs unbedarften Literaturprofessor, der seine männliche Ehre im | |
Hinblick auf sein Actionheldpotenzial vom Russen herausgefordert sieht. | |
Dima (Skarsgård) nämlich sucht an einem Ferienort in Marrakesch | |
überraschend die Freundschaft zu Perry (McGregor), der hier mit seiner Frau | |
Gail (Naomie Harris) einen Kurzurlaub zur Auffrischung ihrer Ehe verbringt. | |
## Bruderschaft der Diebe | |
Was zunächst aussieht wie eine Verführung auf die dunkle Seite – eine | |
luxuriöse Party, zu der Dima einlädt, bringt unseren aktuellen Begriff von | |
Dekadenz umfassend auf den Punkt –, entpuppt sich als ein Schrei nach | |
Hilfe: Dima will raus aus seiner „Bruderschaft der Diebe“, weil er | |
fürchtet, dass der neue Mann an deren Spitze ihn bald kaltstellen wird. | |
Bilder einer erschossenen Familie in einem Auto auf eisiger Straße | |
unterstreichen die Berechtigung seiner Sorge (und die Tatsache, dass | |
Russland in westlicher Imagination eben immer noch das Land der Kälte ist). | |
Er habe gehofft, Perry sei Spion oder kenne wenigstens einen, offenbart | |
Dima sich dem Briten gegenüber. Für das Londoner Asyl für sich und seine | |
Familie stellt er wertvolle Informationen über Kontobewegungen zwischen | |
russischer Mafia und britischer Wirtschaft in Aussicht. Zurück in London | |
zeigt Geheimdienstler Hector (Damian Lewis) großes Interesse an dem Fall, | |
hat er doch seit Jahren einen Abgeordneten (Jeremy Northam) unter Verdacht. | |
Aber natürlich verkomplizieren sich die Dinge auf diversen | |
Bond-Film-mäßigen Locations wie Paris und Schweizer Alpen, bevor sie wieder | |
einfach werden. | |
Das Sehenswerteste an „Verräter wie wir“ ist Stellan Skarsgård, der sein | |
wandelndes Klischee eines Russenmafioso dermaßen herzlich-rustikal umarmt, | |
dass es zerbricht und zum Porträt eines Menschen wird, den man wider Willen | |
respektiert. | |
Leider steht ihm ein gänzlich blasser Ewan McGregor gegenüber, während das | |
Potenzial der großartigen Saskia Reeves, die Dimas duldende und eiserne | |
Ehefrau spielt, eben sichtlich kleingehalten wird. | |
6 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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