# taz.de -- Streit um Armenien-Resolution: Keine Versöhnung im Ramadan | |
> Ausladungen zum Fastenbrechen und Druck aus der Türkei: Der Streit um die | |
> Armenien-Resolution des Bundestags schwelt weiter. | |
Bild: Auch dort ist man verärgert: die türkische Botschaft in Berlin | |
BERLIN taz | Eigentlich ist der Ramadan ein Monat der Versöhnung. Nachbarn, | |
Freunde und Verwandte sind gehalten, Streit und Ärger beiseitezulegen. Doch | |
in diesem Jahr, in dem der muslimische Fastenmonat auf die Zeit vom 6. Juni | |
bis zum 4. Juli fällt, wird er zumindest in vielen türkischen Gemeinden vom | |
Streit über die Armenien-Resolution überschattet. | |
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, wurde in | |
dieser Woche kurzfristig von einem gemeinsamen Fastenbrechen ausgeladen, zu | |
dem sie die Türkisch-Islamische Union (Ditib) im April eingeladen hatte. | |
Doch einen Tag vor dem gemeinsamen Essen, das am Donnerstag in Hamburg | |
stattfinden sollte, schrieb der Vorsitzende von Ditib-Nord, Sedat Simsek, | |
seit einigen Tagen tauchten in der Gemeinde viele Muslime auf, die nicht zu | |
den regelmäßigen Gemeindebesuchern gehörten, „aber die Atmosphäre ständig | |
aufwiegeln“. In seinem Schreiben an die Staatsministerin, das der Deutschen | |
Presse-Agentur vorliegt, heißt es: „Aufgrund dieser Situation und wegen | |
erheblicher Sicherheitsbedenken bitten wir um Ihr Verständnis, und bitten | |
Sie bei unserem heutigen Iftar-Empfang nicht teilzunehmen.“ | |
[1][Özoguz hatte Drohungen erhalten, weil sie im Bundestag für die | |
Resolution gestimmt hatte], die die Massaker an den Armeniern im | |
Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren als Völkermord bezeichnet. Wie für | |
alle anderen türkeistämmigen Abgeordneten des Bundestages, wurde der | |
Polizeischutz für sie deswegen erhöht. | |
Bereits in der vergangenen Woche hatte die Berliner Sehitlik-Moschee, die | |
ebenfalls dem Ditib-Dachverband angehört, ein Ramadan-Fastenbrechen mit | |
Abgeordneten des Bundestages und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) | |
abgesagt, nachdem türkische Nationalisten im Internet Protesten angedroht | |
hatten. | |
Dafür hatte Joachim Gauck am Dienstag als erster Bundespräsident in einer | |
Moschee im Stadtteil Moabit an einem öffentlichen Iftar-Essen teilgenommen | |
– allerdings in einer nicht-türkischen Gemeinde. | |
## „Ein riesiger Vertrauensverlust“ | |
„Mit meiner Ausladung hat Ditib eine Chance vertan, klar Stellung gegen | |
Extremisten zu beziehen“, kommentierte die Staatsministerin Özoguz am | |
Donnerstag die Absage. „Ditib hätte gestern Abend den Vorwurf ausräumen | |
können, dass sie von Ankara gelenkt werden, ich bedaure sehr, dass sie | |
diese Chance nicht genutzt haben“, fügte sie hinzu. Es heißt, die Aussage | |
soll von der Kölner Ditib-Zentrale angeordnet worden sein. | |
Ditib ist der größte islamische Verband in Deutschland und untersteht | |
offiziell der Religionsbehörde in Ankara, die auch die Vorbeter für die | |
Moscheen des Verbands nach Deutschland entsendet. Einerseits hat der | |
Verband die Hetze und die Morddrohungen gegen Abgeordnete wegen der | |
Armenien-Resolution verurteilt. | |
Zugleich aber hatte Zekeriya Altuğ, Vorsitzender des Hamburger | |
Ditib-Landesverbands, scharfe Kritik an den elf türkeistämmigen | |
Abgeordneten im Bundestag geübt, die für die Resolution gestimmt hatten. | |
Viele Mitglieder seines Verbands würden sich nicht mehr von ihnen von | |
diesen Abgeordneten nicht mehr vertreten fühlen. „Das ist natürlich ein | |
riesiger Vertrauensverlust, der die Menschen hier weiter spaltet“, sagte | |
er. | |
## Aufregung um Günter Krings | |
In der Türkei schlägt das Thema weiter hohe Wellen. Türkische Zeitungen | |
haben insbesondere die türkeistämmigen Abgeordneten scharf und persönlich | |
kritisiert, die Heimatgemeinde des Vaters von Cem Özdemir in der | |
nordtürkischen Provinz Tokat hat dem Grünen-Chef wegen dessen Einsatz für | |
die Armenien-Resolution sogar seine Ehrenbürgerschaft entzogen. Niemand | |
müsse die Resolution gut finden, auch die türkischen Vereine in Deutschland | |
nicht, sagte Özdemir dazu im RBB. „Nur was nicht geht, sind Morddrohungen, | |
Aufforderungen zum Bluttest“, sagte er in Anspielung auf den türkischen | |
Präsidenten Erdogan. | |
Für Aufregung sorgt in türkischen Blättern auch eine Äußerung des | |
CDU-Politikers Günter Krings (CDU), der in Deutschland lebenden Türken | |
Konsequenzen durch die Ausländerbehörden angedroht hatte, sollten sie sich | |
an Anfeindungen gegen Abgeordnete des Bundestags beteiligen. „Wer sich als | |
ausländischer Staatsbürger in Deutschland dieser Hetze Erdogans anschließt, | |
muss sich fragen, ob er bei uns noch gut aufgehoben ist“, hatte der | |
Staatssekretär im Bundesinnenministerium gesagt. Dies müsse „natürlich auch | |
bei Entscheidungen über Aufenthaltstitel berücksichtigt werden“. | |
Türkische Medien griffen diese Äußerung breit auf. Die regierungnahe Sabah | |
fragte unter der Überschrift „McCarthyismus 2.0: „Plant Staatssekretär | |
Krings ein Gesinnungs-Aufenthaltsrecht?“ Und dasBoulevardblatt Takvim | |
titelte: „Eine freche Drohung Deutschlands gegen die Türken.“ | |
16 Jun 2016 | |
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[1] /Tuerkischstaemmige-Abgeordnete/!5312215/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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